Saarbruecker Zeitung

EU hofft auf Rekord-Wahlbeteil­igung

Die Ergebnisse der letzten Eurobarome­ter-Umfrage vor den Europawahl­en zeigen „einen positiven Aufwärtstr­end“, wie es hieß. Welche Themen haben für die Wähler Vorrang? Und wie viele Menschen planen, zur Wahl zu gehen?

- VON KATRIN PRIBYL

Die Überschrif­t klingt beinahe alarmieren­d: „Geopolitis­che Lage macht Teilnahme an Europawahl noch wichtiger“steht über der Pressemitt­eilung geschriebe­n. Es ist nach Ansicht des EU-Parlaments die Schlüssela­ussage der letzten Eurobarome­ter-Umfrage vor dem Urnengang zwischen dem 6. und 9. Juni. So stimmten 81 Prozent der befragten Europäer der Aussage zu, Wählen sei im aktuellen geopolitis­chen Kontext noch bedeutende­r. Und auch sonst zeigten die Ergebnisse „einen positiven Aufwärtstr­end“, wie es in Brüssel hieß. Sechs von zehn Bürger interessie­ren sich für die bevorstehe­nde Europawahl – elf Prozentpun­kte mehr als zum gleichen Zeitpunkt vor der letzten Wahl im Mai 2019. Und 71 Prozent der befragten Europäer gaben an, dass es wahrschein­lich ist, dass sie wählen werden; in Deutschlan­d haben es gar 78 Prozent vor. Werden in wenigen Wochen so viele Europäer wie nie ihre Stimme abgeben? Am Ende sei die Wahlbeteil­igung immer geringer als die Wahlabsich­t, schränkte ein Parlaments­sprecher ein. Aber aufgrund der Zahlen habe man Anlass zur Annahme, dass die Beteiligun­g höher ausfallen wird als vor fünf Jahren. Im Mai 2019 lag sie insgesamt bei 50,6 Prozent.

Die Wahlen würden „von entscheide­nder Bedeutung sein“und kämen „zu einem kritischen Zeitpunkt“, sagte Parlaments­präsidenti­n Roberta Metsola in einem kurzen Einspieler. Die Europäer seien sich bewusst, „dass an den Wahlurnen viel auf dem Spiel steht“, weshalb die Maltesin die Bürger aufrief, ihr Kreuzchen zu setzen. „Wenn die Demokratie gewinnt, gewinnen wir alle.“Auch wenn in Metsolas Ansprachen stets viel Drama mitschwing­t, klang sie dieses Mal sogar noch dramatisch­er als üblich. Denn alle Umfragen in Europa prophezeie­n einen massiven Rechtsruck für das Hohe Haus Europas. Wie

der Europäer stimmen der Aussage zu, Wählen sei im aktuellen geopolitis­chen Kontext noch bedeutende­r. Quelle: EU-Parlament

glaubwürdi­g sind also die nun vom EU-Parlament verbreitet­en guten Nachrichte­n?

Kritiker bemängeln seit Jahren, dass das Eurobarome­ter ein zu positives Bild abgebe, unter anderem weil offenbar zahlreiche Bürger nicht mitmachen wollen. Auch im Februar dieses Jahres wurden lediglich gut 26 000 Europäer befragt, in Deutschlan­d gehörten nur 1500Mensch­en zu den für die Studie Auserwählt­en, wobei den Angaben zufolge die EUErgebnis­se entspreche­nd der Bevöl

kerungszah­l der einzelnen Länder gewichtet werden.

Dass die Bürger ein verstärkte­s Interesse an der EU und auch an der Teilnahme an den Wahlen hätten, sei laut Parlaments­sprecher zwei Faktoren geschuldet: Visibilitä­t und Glaubwürdi­gkeit. Beides sei gestiegen durch diverse Krisen in den vergangene­n fünf Jahren, ob es um die Brexit-Verhandlun­gen ging, die Corona-Pandemie oder den Krieg in der Ukraine. Die Möglichkei­t etwa, trotz Corona reisen zu können, habe dazu

geführt, „dass es eine bessere Sichtbarke­it der EU gegeben hat“. Glaubwürdi­gkeit erhielt die Gemeinscha­ft auch durch ihre Einigkeit in Sachen Unterstütz­ung der Ukraine. Insbesonde­re Russlands Angriffskr­ieg hat dafür gesorgt, dass die Bedeutung, die die Bürger der Verteidigu­ng und Sicherheit der EU beimessen, im Lauf der Legislatur­periode zugenommen hat. Das Thema wird mittlerwei­le in neun Staaten als erste oder gemeinsame erste Wahlkampfp­riorität genannt, vorneweg in Dänemark

(56 Prozent), Finnland (55 Prozent) und Litauen (53 Prozent). Auch die Deutschen betrachten mit 41 Prozent Verteidigu­ng und Sicherheit als wichtigste­s Wahlkampft­hema, gefolgt von Demokratie und Rechtsstaa­tlichkeit, der Zukunft Europas und Migration und Asyl (34 Prozent). EU-weit empfinden die Menschen derweil die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzun­g sowie die Unterstütz­ung des öffentlich­en Gesundheit­swesens als die wichtigste­n Themen für die Kampagnen.

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FOTO: IMAGO/ELYXANDROC­EGARRA Die Präsidenti­n des EU-Parlaments, Roberta Metsola (Mitte), ruft EU-Bürger in einem Video zur Teilnahme an der Europawahl auf.

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