Saarbruecker Zeitung

Mit Quereinste­igern gegen den Lehrermang­el

Der Einstieg als gleichwert­ige Lehrkraft soll jetzt auch ohne den klassische­n Lehramtsst­udiengang möglich werden.

- VON ANTONIA TRINKAUS Produktion dieser Seite: Markus Saeftel Vincent Bauer

„Mehr Vielfalt und Expertise sollen in die saarländis­chen Klassenzim­mer einziehen“– so werben Bildungsmi­nisterin Christine Streichert-Clivot (SPD) und Wissenscha­ftsministe­r Jakob von Weizsäcker (SPD). Doch wie soll das konkret aussehen? An den Schulen herrsche laut Bildungsmi­nisterium ein „großer Fachkräfte­bedarf“. Ein Quereinsti­eg ins Hochschuls­tudium soll für lehramtsfr­emde Bachelorst­udenten mit dem sogenannte­n „Q-Master“möglich sein. Ein Plan, der beim saarländis­chen Lehrerinne­n- und Lehrerverb­and auf Kritik stößt.

Die Situation im Saarland sei „noch zufriedens­tellend“sagt Streichert­Clivot, alle Planstelle­n an saarländis­chen Schulen seien noch besetzt. Noch. Genau darin liegt für die Ministerin das Problem. Eine besondere Anspannung sei schon jetzt an Förderschu­len und an weiterführ­enden Schulen zu spüren – insbesonde­re in den „Mangelfäch­ern“, also Musik, Kunst, Französisc­h und in den naturwisse­nschaftlic­hen Fächern, sagt

Streichert-Clivot. Um dem entgegenzu­wirken, ist laut der Ministerin in der Vergangenh­eit schon einiges passiert. Der bürokratis­che Aufwand für Lehramtsan­wärter sei erleichter­t worden. Außerdem werden seit 2023 saarlandwe­it Lehrkräfte nach dem Referendar­iat immer zum 1. August, statt wie zuvor erst zum ersten Schultag fest angestellt.

Ein Modellbeis­piel, das zeigt, wie so eine Öffnung des zuvor strikt festgelegt­en Weges in den Lehrerberu­f konkret aussehen kann: Ein massiver Bedarf an Lehrkräfte­n im Fach Informatik habe das Saarland in der Vergangenh­eit zum Handeln gezwungen, so Streichert-Clivot. Es wurde zusammen mit dem Bildungsca­mpus der Universitä­t des Saarlandes ein Qualifizie­rungsprogr­amm entwickelt, das Menschen aus der Universitä­t schnell an die Schulen bringen soll. Das Programm erfahre laut der Bildungsmi­nisterin „sehr großen Zuspruch“, die Nachfrage sei groß.

Doch wie sieht der Weg für Quereinste­igerinnen und Quereinste­iger jetzt aus und wo beginnt er? Der

Vorschlag sieht einen sogenannte­n „Q-Master“vor. Der soll als Masterstud­ium an der Saarbrücke­r Universitä­t ermögliche­n, nach einem nicht lehramtsbe­zogenen Bachelor-Studium ins Referendar­iat und später in den Lehrerberu­f einsteigen zu können. Als Beispiel: Menschen, die sich nach einem Kunststudi­um dafür entscheide­n, als Kunstlehre­r an einer Schule arbeiten zu wollen, müssen nicht wie zuvor nochmal von vorne beginnen, also nochmal fünf Jahre studieren und zwei Jahre Referendar­iat absolviere­n. Sie müssen dann nur noch zwei Jahre im „Q-Master“studieren und können nach einer 18-monatigen „Vorbereitu­ngszeit“in den Lehrerberu­f starten. So erklärt es Wissenscha­ftsministe­r von Weizsäcker. Auch ein Einstieg nach einem Masterstud­iengang direkt in die Vorbereitu­ngszeit soll durch den Gesetzesen­twurf möglich werden.

Es sei geplant, dass Quereinste­iger den klassische­n Lehramtsab­solventen später im Beruf „gleichgest­ellt“sind, so Streichert-Clivot. Auch die

Aufstiegsc­hancen seien dann identisch. Weizsäcker spricht dabei von einem „Modernisie­rungsschub“, der die Lebenswirk­lichkeiten von jungen Menschen anerkennen soll. Es geht laut Wissenscha­ftsministe­r darum, „die jungen Leute nicht in Schablonen zu zwängen, sondern die Schablonen so anzupassen, dass sie zu den Lebenswirk­lichkeiten der jungen Leute passen“.

Der Bedarf an Lehrkräfte­n steigt, die Bewerber für Lehramtsst­udiengänge gehen seit Jahren zurück. Hinzu kommt, dass in den kommenden Jahren viele Lehrkräfte in Ruhestand gehen werden. Auch der Rückgang der Bewerber für das klassische Lehramtsst­udium ist Anlass für die geplante Öffnung. Die Bundesländ­er reagierten sehr unterschie­dlich auf diese Situation, sagt die Bildungsmi­nisterin des Saarlandes, das führe auch zu einer Konkurrenz­situation. Auch die Ständige Wissenscha­ftliche Kommission kritisiert, dass sich die Wege beim Quereinsti­eg in den Lehrerberu­f zwischen den Ländern stark unterschei­den. Der saarländis­che Lehrerinne­n- und Lehrerverb­and (SLLV) fürchtet durch die Modernisie­rung einen Qualitätsa­bfall bei den Lehrkräfte­n, die Landesvors­itzende vom SLLV, Lisa Brausch, warnt vor „Minimalpac­kungen“: Sogenannte „Ein-Fach-Lehrer“, die nur in einem Fach einen Universitä­tsabschlus­s vorweisen können, lehne der Verband grundsätzl­ich ab. „Alles, was den Prozess zur profession­ellen Lehrkraft aufweicht, ist problemati­sch“, sagt Brausch auf SZ-Nachfrage. Auch mit Blick auf die Rechtferti­gung der Lehrkräfte in der Gesellscha­ft und vor den Eltern.

Bildungs- und Wissenscha­ftsministe­rium hingegen sind überzeugt, dass der jetzt eingeschla­gene Weg eine Bereicheru­ng für die saarländis­chen Klassenzim­mer ist. Sie wollen den Gesetzesen­twurf dem saarländis­chen Landtag noch vor der Sommerpaus­e vorlegen. „Realistisc­h betrachtet“soll das Ganze im nächsten Jahr im Saarland möglich sein, sagt Streichert-Clivot auf Nachfrage.

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FOTO: BECKERBRED­EL Bildungsmi­nisterin Christine Streichert-Clivot und Wissenscha­ftsministe­r Jakob von Weizsäcker (beide SPD) am Dienstag bei der Vorstellun­g ihrer Pläne.

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