Mit Quereinsteigern gegen den Lehrermangel
Der Einstieg als gleichwertige Lehrkraft soll jetzt auch ohne den klassischen Lehramtsstudiengang möglich werden.
„Mehr Vielfalt und Expertise sollen in die saarländischen Klassenzimmer einziehen“– so werben Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) und Wissenschaftsminister Jakob von Weizsäcker (SPD). Doch wie soll das konkret aussehen? An den Schulen herrsche laut Bildungsministerium ein „großer Fachkräftebedarf“. Ein Quereinstieg ins Hochschulstudium soll für lehramtsfremde Bachelorstudenten mit dem sogenannten „Q-Master“möglich sein. Ein Plan, der beim saarländischen Lehrerinnen- und Lehrerverband auf Kritik stößt.
Die Situation im Saarland sei „noch zufriedenstellend“sagt StreichertClivot, alle Planstellen an saarländischen Schulen seien noch besetzt. Noch. Genau darin liegt für die Ministerin das Problem. Eine besondere Anspannung sei schon jetzt an Förderschulen und an weiterführenden Schulen zu spüren – insbesondere in den „Mangelfächern“, also Musik, Kunst, Französisch und in den naturwissenschaftlichen Fächern, sagt
Streichert-Clivot. Um dem entgegenzuwirken, ist laut der Ministerin in der Vergangenheit schon einiges passiert. Der bürokratische Aufwand für Lehramtsanwärter sei erleichtert worden. Außerdem werden seit 2023 saarlandweit Lehrkräfte nach dem Referendariat immer zum 1. August, statt wie zuvor erst zum ersten Schultag fest angestellt.
Ein Modellbeispiel, das zeigt, wie so eine Öffnung des zuvor strikt festgelegten Weges in den Lehrerberuf konkret aussehen kann: Ein massiver Bedarf an Lehrkräften im Fach Informatik habe das Saarland in der Vergangenheit zum Handeln gezwungen, so Streichert-Clivot. Es wurde zusammen mit dem Bildungscampus der Universität des Saarlandes ein Qualifizierungsprogramm entwickelt, das Menschen aus der Universität schnell an die Schulen bringen soll. Das Programm erfahre laut der Bildungsministerin „sehr großen Zuspruch“, die Nachfrage sei groß.
Doch wie sieht der Weg für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger jetzt aus und wo beginnt er? Der
Vorschlag sieht einen sogenannten „Q-Master“vor. Der soll als Masterstudium an der Saarbrücker Universität ermöglichen, nach einem nicht lehramtsbezogenen Bachelor-Studium ins Referendariat und später in den Lehrerberuf einsteigen zu können. Als Beispiel: Menschen, die sich nach einem Kunststudium dafür entscheiden, als Kunstlehrer an einer Schule arbeiten zu wollen, müssen nicht wie zuvor nochmal von vorne beginnen, also nochmal fünf Jahre studieren und zwei Jahre Referendariat absolvieren. Sie müssen dann nur noch zwei Jahre im „Q-Master“studieren und können nach einer 18-monatigen „Vorbereitungszeit“in den Lehrerberuf starten. So erklärt es Wissenschaftsminister von Weizsäcker. Auch ein Einstieg nach einem Masterstudiengang direkt in die Vorbereitungszeit soll durch den Gesetzesentwurf möglich werden.
Es sei geplant, dass Quereinsteiger den klassischen Lehramtsabsolventen später im Beruf „gleichgestellt“sind, so Streichert-Clivot. Auch die
Aufstiegschancen seien dann identisch. Weizsäcker spricht dabei von einem „Modernisierungsschub“, der die Lebenswirklichkeiten von jungen Menschen anerkennen soll. Es geht laut Wissenschaftsminister darum, „die jungen Leute nicht in Schablonen zu zwängen, sondern die Schablonen so anzupassen, dass sie zu den Lebenswirklichkeiten der jungen Leute passen“.
Der Bedarf an Lehrkräften steigt, die Bewerber für Lehramtsstudiengänge gehen seit Jahren zurück. Hinzu kommt, dass in den kommenden Jahren viele Lehrkräfte in Ruhestand gehen werden. Auch der Rückgang der Bewerber für das klassische Lehramtsstudium ist Anlass für die geplante Öffnung. Die Bundesländer reagierten sehr unterschiedlich auf diese Situation, sagt die Bildungsministerin des Saarlandes, das führe auch zu einer Konkurrenzsituation. Auch die Ständige Wissenschaftliche Kommission kritisiert, dass sich die Wege beim Quereinstieg in den Lehrerberuf zwischen den Ländern stark unterscheiden. Der saarländische Lehrerinnen- und Lehrerverband (SLLV) fürchtet durch die Modernisierung einen Qualitätsabfall bei den Lehrkräften, die Landesvorsitzende vom SLLV, Lisa Brausch, warnt vor „Minimalpackungen“: Sogenannte „Ein-Fach-Lehrer“, die nur in einem Fach einen Universitätsabschluss vorweisen können, lehne der Verband grundsätzlich ab. „Alles, was den Prozess zur professionellen Lehrkraft aufweicht, ist problematisch“, sagt Brausch auf SZ-Nachfrage. Auch mit Blick auf die Rechtfertigung der Lehrkräfte in der Gesellschaft und vor den Eltern.
Bildungs- und Wissenschaftsministerium hingegen sind überzeugt, dass der jetzt eingeschlagene Weg eine Bereicherung für die saarländischen Klassenzimmer ist. Sie wollen den Gesetzesentwurf dem saarländischen Landtag noch vor der Sommerpause vorlegen. „Realistisch betrachtet“soll das Ganze im nächsten Jahr im Saarland möglich sein, sagt Streichert-Clivot auf Nachfrage.