So will Bosch in Homburg seine Zukunft sichern
Das Bosch-Werk in Homburg soll eine führende Rolle bei der Durchsetzung der WasserstoffTechnologie in Deutschland übernehmen. Zudem könnte das Saarland wegen seiner räumlichen Überschaubarkeit ein Testmarkt für WasserstoffTankstellen und Autohersteller au
„Wir haben unsere Hausaufgaben schon gemacht“, sagt Michael Reinstädtler voller Überzeugung. Der Bosch-Manager ist seit sieben Jahren im Werk Homburg tätig und maßgeblich für die Entwicklung aller Aktivitäten im Bereich der Wasserstoff-Technologie verantwortlich. Hier soll das saarländische Werk künftig im nationalen und internationalen Wettbewerb eine maßgebliche Rolle übernehmen.
„Wasserstoff ist weltweit der Mega-Trend. Und auch die richtige Technologie, zu der die Kompetenzen von Bosch sowie vieler weiterer Zulieferer in Deutschland passen“, sagt Reinstädtler, der sich als Leiter der Fertigungsentwicklung in Homburg federführend mit seinem Team um Komponenten und Produkte für die Brennstoffzelle in künftig mit Wasserstoff betriebenen Fahrzeugen kümmert.
„Wir haben bereits investiert und Komponenten für Brennstoffzellen entwickelt“, so der Bosch-Manager. So produziert das Werk bereits elektrische Luftfilter, das Wasserstoff-Dosenventil sowie ein Rezirkulationsgebläse, die beide die Brennstoffzelle mit Sauerstoff und Wasserstoff versorgen. Diese beiden Gase reagieren miteinander und so entsteht elektrische Energie für den Antrieb des Fahrzeuges. Daneben benötigt ein Wasserstoff-Fahrzeug Tanks für den Wasserstoff, die handelsüblichen Gasflaschen ähneln. Hierfür fertigt Bosch in Homburg verschiedene Verschlüsse, Ventile und Verteiler.
Wasserstoff werde im Einsatz um so spannender, „je größer die Strecken künftig sind, die ein Fahrzeug zurücklegen muss. Deshalb wird er zunächst vor allem bei Lkw eine große Rolle spielen“, prognostiziert Michael Reinstädtler. Auch bei schweren Luxuslimousinen werde sich zumindest längerfristig ein größerer Bedarf entwickeln, da dort die Reichweite im Vergleich zur Elektromobilität deutlich höher sei.
Schon jetzt arbeiten bei Bosch in Homburg rund zehn Prozent der 3700 Beschäftigten an den Neuentwicklungen rund um die Brennstoffzelle mit. Ginge es alleine nach den Vorstellungen von Reinstädtler und vieler seiner Manager-Kollegen im Konzern, dann sollen sich schon bald wesentlich mehr Beschäftigte mit solchen Neuentwicklungen beschäftigen. Zumal auch der Zeitdruck für die strategische Neuausrichtung des Werks Homburg enorm wächst, da sich heute das Hauptgeschäft noch sehr stark um die Produktion von Einspritzdüsen für Dieselmotoren weltweit dreht. Doch in Europa soll der Verbrennungsmotor ab 2035 verboten werden. Es spielen also nicht nur strategische Überlegungen der Bosch-Konzernspitze, sondern auch die der Politik eine sehr große Rolle. Fest steht aber schon: Es müssen schnell neue Produkte und Märkte her.
Das ist der Bosch-Konzernspitze in Stuttgart bewusst. Über 100 Millionen Euro jährlich fließen schon in Investitionen rund um die Wasserstoff-Welt. Doch ein Problem besteht auch darin, dass Bosch-intern eben nicht nur das Werk Homburg um solche Aufträge kämpft, sondern zugleich auch andere Bosch-Standorte im In- und Ausland.
Hinzu kommt dann noch eine weitere „Überraschung“, die Manager Reinstädtler auf den Punkt bringt. „Wenn Sie Deutschland im weltweiten Vergleich sehen, dann sind wir gar nicht so schnell, wenn es um die Einführung und den Marktdurchbruch bei grünen Zukunftstechnologien geht. Wir müssen eher befürchten, dass man uns komplett abhängt.“
Womit der Bosch-Manager endgültig bei der Rolle der Politik angekommen ist. Und einem zugleich nicht unproblematischen Systemvergleich, der sich stellt. „China baut gerade jedes Jahr mehr Photovoltaik-Anlagen auf, wie die ganze Welt in der Summe vorher hatte. Das gleiche gilt dort für Windkraft. Und die Chinesen bauen generell technologisch konkurrenzfähige Fertigungsanlagen, mit denen das Land die ganze Welt beliefern will.“Reinstädtler warnt: „Auch der Markt für Brennstoffzellen entwickelt sich dort gerade rasant.“
Es könne zwar bei uns in einem demokratischen System nicht angehen, politische Vorgaben zu machen wie die kommunistische Partei in China, die dann verbindlich zu erfüllen sind, aber dennoch müsse auch eine demokratisch gewählte Bundesregierung deutlich mehr Tempo machen, um die Rahmenbedingungen zur Etablierung neuer Technologien in Deutschland erheblich zu verbessern. Sonst sei die technologische Führungsrolle in der Welt auf Dauer weg.
Wasserstoff müsse von den politischen Rahmenbedingungen her in einem überschaubaren Zeitraum massentauglich zur Verfügung stehen. „Deutschland braucht vor allem eine messbare WasserstoffStrategie. Inklusive einer hinterlegten, durchdachten finanziellen Förderung, die dann auch langfristig Bestand hat. Und bei der man bei Bedarf noch nachsteuern kann. Diese muss aber vor allem verlässlich bleiben. Denn die Investitionen, die die Unternehmen in ihrer Weiterentwicklung der neuen Technologie in die Hand nehmen müssen, sind viel zu hoch, um die Zuverlässigkeit der Förderung dann wieder infrage zu stellen“, mahnt Reinstädtler, der fragt: „Warum muss es zum Beispiel bis 2037 dauern, bis ein bundesweit verfügbares Wasserstoff-Versorgungsnetz für die Unternehmen zur Verfügung steht?“Dies sei die wichtigste Voraussetzung überhaupt für alle Unternehmen, schnell an genug Wasserstoff zu gleichzeitig konkurrenzfähigen Preisen zu kommen. Deshalb sei es auch so wichtig, dass sich schnell möglichst viele Saar-Unternehmen bereits für den Anschluss an das regionale Wasserstoff-Versorgungsnetz bewerben, das ab 2027 größere Mengen Wasserstoff zunächst der saarländischen Stahlindustrie zur Verfügung stellt.
Reinstädtler mahnt von der Politik generell einen deutlich schnelleren Ausbau der technischen Infrastruktur an, um den Erwerb von Wasserstoff-Fahrzeugen in Deutschland attraktiver zu machen. So gebe es bundesweit noch kein TankstellenNetz. „In ganz Deutschland gibt es im Augenblick nur 100 Wasserstoff-Tankstellen. Da dürfen Sie nun wirklich nicht eine Fahrt ins Blaue machen. Für Lkw sind heute sogar nur zehn dieser Tankstellen tauglich“, moniert Reinstädtler. Für ein deutschlandweit umfassendes Netz benötige man rund 1000 solcher Tankstellen mit Investitionen von bis zu fünf Millionen Euro pro Tankstelle.
Reinstädtler sieht hier auch einen enormen Standortvorteil für das Saarland, sollte sich die Landesregierung dazu entschließen, ein solches flächendeckendes Netz von fünf Tankstellen in der Region mit zu finanzieren. So könne das Saarland zugleich zu einer Modellregion für den Einsatz modernster Technologie werden und damit auch noch Autohersteller in die Region locken. „Denn wir könnten dann im Saarland neue Wasserstoff-Fahrzeuge testen. Das wäre für Autohersteller interessant, unsere Region als Testmarkt zu nutzen.“Zumal Bosch in Homburg nach der Vorstellung von Reinstädtler dann auch neue Kooperationen mit solchen Autoherstellern eingehen könnte. „Für das Land würde die Mit-Finanzierung eines solchen Wasserstoff-Tankstellennetzes in der Region nur einen bescheidenen Beitrag aus dem Landeshaushalt erfordern. Aber eine große Wirkung haben“, ist der Bosch-Manager überzeugt. Zumal auch der Bezugspreis von Wasserstoff sinke, je mehr Tankstellen zur Verfügung stehen. Davon könnten dann zum Beispiel auch die Betreiber des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) profitieren.
Bosch selbst hat in Homburg schon eine wesentliche Voraussetzung erbracht, um dem Wasserstoff zu einer höheren Akzeptanz zu verhelfen. So steht auf dem Werksgelände eine stationäre Wasserstoff-Tankstelle zur Verfügung. Der Tankvorgang läuft genauso ab wie heute beim Diesel oder Benziner. Man steckt den Tankrüssel in den Tank und los geht`s. Auch der Tankvorgang selbst dauert genauso lang wie bei Fahrzeugen mit herkömmlicher Technik. Gemessen wird nicht in Litern, sondern Kilogramm. Für 500 Kilometer werden fünf Kilo veranschlagt. Vor dem Russland-Ukraine-Krieg lag der Preis für ein Kilo Wasserstoff bei zehn Euro. Aktuell beträgt er rund 15 Euro. „Das Ganze ist überhaupt kein Hexenwerk. Und die Wasserstoff-Technologie ist auch nicht kompliziert“,sagt Reinstädtler.
Wer sich ansehen will, wie eine Wasserstoff-Tankstelle funktioniert und welche Vorteile diese Technologie bringt, hat vom 15. bis 21. Juni Gelegenheit dazu. Dann findet die bundesweite Woche des Wasserstoffs statt, an der sich auch Bosch in Homburg beteiligt. Gemeinsam mit dem Netzwerk für Transformation ( TraSaar), dem Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik (Zema), der Wasserstoff-Agentur und dem Netzwerk autoregion gibt das Unternehmen dann der Öffentlichkeit und Schulklassen einen Einblick in die Wasserstoffwelt von morgen.