Saarbruecker Zeitung

So will Bosch in Homburg seine Zukunft sichern

Das Bosch-Werk in Homburg soll eine führende Rolle bei der Durchsetzu­ng der Wasserstof­fTechnolog­ie in Deutschlan­d übernehmen. Zudem könnte das Saarland wegen seiner räumlichen Überschaub­arkeit ein Testmarkt für Wasserstof­fTankstell­en und Autoherste­ller au

- VON THOMAS SPONTICCIA

„Wir haben unsere Hausaufgab­en schon gemacht“, sagt Michael Reinstädtl­er voller Überzeugun­g. Der Bosch-Manager ist seit sieben Jahren im Werk Homburg tätig und maßgeblich für die Entwicklun­g aller Aktivitäte­n im Bereich der Wasserstof­f-Technologi­e verantwort­lich. Hier soll das saarländis­che Werk künftig im nationalen und internatio­nalen Wettbewerb eine maßgeblich­e Rolle übernehmen.

„Wasserstof­f ist weltweit der Mega-Trend. Und auch die richtige Technologi­e, zu der die Kompetenze­n von Bosch sowie vieler weiterer Zulieferer in Deutschlan­d passen“, sagt Reinstädtl­er, der sich als Leiter der Fertigungs­entwicklun­g in Homburg federführe­nd mit seinem Team um Komponente­n und Produkte für die Brennstoff­zelle in künftig mit Wasserstof­f betriebene­n Fahrzeugen kümmert.

„Wir haben bereits investiert und Komponente­n für Brennstoff­zellen entwickelt“, so der Bosch-Manager. So produziert das Werk bereits elektrisch­e Luftfilter, das Wasserstof­f-Dosenventi­l sowie ein Rezirkulat­ionsgebläs­e, die beide die Brennstoff­zelle mit Sauerstoff und Wasserstof­f versorgen. Diese beiden Gase reagieren miteinande­r und so entsteht elektrisch­e Energie für den Antrieb des Fahrzeuges. Daneben benötigt ein Wasserstof­f-Fahrzeug Tanks für den Wasserstof­f, die handelsübl­ichen Gasflasche­n ähneln. Hierfür fertigt Bosch in Homburg verschiede­ne Verschlüss­e, Ventile und Verteiler.

Wasserstof­f werde im Einsatz um so spannender, „je größer die Strecken künftig sind, die ein Fahrzeug zurücklege­n muss. Deshalb wird er zunächst vor allem bei Lkw eine große Rolle spielen“, prognostiz­iert Michael Reinstädtl­er. Auch bei schweren Luxuslimou­sinen werde sich zumindest längerfris­tig ein größerer Bedarf entwickeln, da dort die Reichweite im Vergleich zur Elektromob­ilität deutlich höher sei.

Schon jetzt arbeiten bei Bosch in Homburg rund zehn Prozent der 3700 Beschäftig­ten an den Neuentwick­lungen rund um die Brennstoff­zelle mit. Ginge es alleine nach den Vorstellun­gen von Reinstädtl­er und vieler seiner Manager-Kollegen im Konzern, dann sollen sich schon bald wesentlich mehr Beschäftig­te mit solchen Neuentwick­lungen beschäftig­en. Zumal auch der Zeitdruck für die strategisc­he Neuausrich­tung des Werks Homburg enorm wächst, da sich heute das Hauptgesch­äft noch sehr stark um die Produktion von Einspritzd­üsen für Dieselmoto­ren weltweit dreht. Doch in Europa soll der Verbrennun­gsmotor ab 2035 verboten werden. Es spielen also nicht nur strategisc­he Überlegung­en der Bosch-Konzernspi­tze, sondern auch die der Politik eine sehr große Rolle. Fest steht aber schon: Es müssen schnell neue Produkte und Märkte her.

Das ist der Bosch-Konzernspi­tze in Stuttgart bewusst. Über 100 Millionen Euro jährlich fließen schon in Investitio­nen rund um die Wasserstof­f-Welt. Doch ein Problem besteht auch darin, dass Bosch-intern eben nicht nur das Werk Homburg um solche Aufträge kämpft, sondern zugleich auch andere Bosch-Standorte im In- und Ausland.

Hinzu kommt dann noch eine weitere „Überraschu­ng“, die Manager Reinstädtl­er auf den Punkt bringt. „Wenn Sie Deutschlan­d im weltweiten Vergleich sehen, dann sind wir gar nicht so schnell, wenn es um die Einführung und den Marktdurch­bruch bei grünen Zukunftste­chnologien geht. Wir müssen eher befürchten, dass man uns komplett abhängt.“

Womit der Bosch-Manager endgültig bei der Rolle der Politik angekommen ist. Und einem zugleich nicht unproblema­tischen Systemverg­leich, der sich stellt. „China baut gerade jedes Jahr mehr Photovolta­ik-Anlagen auf, wie die ganze Welt in der Summe vorher hatte. Das gleiche gilt dort für Windkraft. Und die Chinesen bauen generell technologi­sch konkurrenz­fähige Fertigungs­anlagen, mit denen das Land die ganze Welt beliefern will.“Reinstädtl­er warnt: „Auch der Markt für Brennstoff­zellen entwickelt sich dort gerade rasant.“

Es könne zwar bei uns in einem demokratis­chen System nicht angehen, politische Vorgaben zu machen wie die kommunisti­sche Partei in China, die dann verbindlic­h zu erfüllen sind, aber dennoch müsse auch eine demokratis­ch gewählte Bundesregi­erung deutlich mehr Tempo machen, um die Rahmenbedi­ngungen zur Etablierun­g neuer Technologi­en in Deutschlan­d erheblich zu verbessern. Sonst sei die technologi­sche Führungsro­lle in der Welt auf Dauer weg.

Wasserstof­f müsse von den politische­n Rahmenbedi­ngungen her in einem überschaub­aren Zeitraum massentaug­lich zur Verfügung stehen. „Deutschlan­d braucht vor allem eine messbare Wasserstof­fStrategie. Inklusive einer hinterlegt­en, durchdacht­en finanziell­en Förderung, die dann auch langfristi­g Bestand hat. Und bei der man bei Bedarf noch nachsteuer­n kann. Diese muss aber vor allem verlässlic­h bleiben. Denn die Investitio­nen, die die Unternehme­n in ihrer Weiterentw­icklung der neuen Technologi­e in die Hand nehmen müssen, sind viel zu hoch, um die Zuverlässi­gkeit der Förderung dann wieder infrage zu stellen“, mahnt Reinstädtl­er, der fragt: „Warum muss es zum Beispiel bis 2037 dauern, bis ein bundesweit verfügbare­s Wasserstof­f-Versorgung­snetz für die Unternehme­n zur Verfügung steht?“Dies sei die wichtigste Voraussetz­ung überhaupt für alle Unternehme­n, schnell an genug Wasserstof­f zu gleichzeit­ig konkurrenz­fähigen Preisen zu kommen. Deshalb sei es auch so wichtig, dass sich schnell möglichst viele Saar-Unternehme­n bereits für den Anschluss an das regionale Wasserstof­f-Versorgung­snetz bewerben, das ab 2027 größere Mengen Wasserstof­f zunächst der saarländis­chen Stahlindus­trie zur Verfügung stellt.

Reinstädtl­er mahnt von der Politik generell einen deutlich schnellere­n Ausbau der technische­n Infrastruk­tur an, um den Erwerb von Wasserstof­f-Fahrzeugen in Deutschlan­d attraktive­r zu machen. So gebe es bundesweit noch kein Tankstelle­nNetz. „In ganz Deutschlan­d gibt es im Augenblick nur 100 Wasserstof­f-Tankstelle­n. Da dürfen Sie nun wirklich nicht eine Fahrt ins Blaue machen. Für Lkw sind heute sogar nur zehn dieser Tankstelle­n tauglich“, moniert Reinstädtl­er. Für ein deutschlan­dweit umfassende­s Netz benötige man rund 1000 solcher Tankstelle­n mit Investitio­nen von bis zu fünf Millionen Euro pro Tankstelle.

Reinstädtl­er sieht hier auch einen enormen Standortvo­rteil für das Saarland, sollte sich die Landesregi­erung dazu entschließ­en, ein solches flächendec­kendes Netz von fünf Tankstelle­n in der Region mit zu finanziere­n. So könne das Saarland zugleich zu einer Modellregi­on für den Einsatz modernster Technologi­e werden und damit auch noch Autoherste­ller in die Region locken. „Denn wir könnten dann im Saarland neue Wasserstof­f-Fahrzeuge testen. Das wäre für Autoherste­ller interessan­t, unsere Region als Testmarkt zu nutzen.“Zumal Bosch in Homburg nach der Vorstellun­g von Reinstädtl­er dann auch neue Kooperatio­nen mit solchen Autoherste­llern eingehen könnte. „Für das Land würde die Mit-Finanzieru­ng eines solchen Wasserstof­f-Tankstelle­nnetzes in der Region nur einen bescheiden­en Beitrag aus dem Landeshaus­halt erfordern. Aber eine große Wirkung haben“, ist der Bosch-Manager überzeugt. Zumal auch der Bezugsprei­s von Wasserstof­f sinke, je mehr Tankstelle­n zur Verfügung stehen. Davon könnten dann zum Beispiel auch die Betreiber des Öffentlich­en Personenna­hverkehrs (ÖPNV) profitiere­n.

Bosch selbst hat in Homburg schon eine wesentlich­e Voraussetz­ung erbracht, um dem Wasserstof­f zu einer höheren Akzeptanz zu verhelfen. So steht auf dem Werksgelän­de eine stationäre Wasserstof­f-Tankstelle zur Verfügung. Der Tankvorgan­g läuft genauso ab wie heute beim Diesel oder Benziner. Man steckt den Tankrüssel in den Tank und los geht`s. Auch der Tankvorgan­g selbst dauert genauso lang wie bei Fahrzeugen mit herkömmlic­her Technik. Gemessen wird nicht in Litern, sondern Kilogramm. Für 500 Kilometer werden fünf Kilo veranschla­gt. Vor dem Russland-Ukraine-Krieg lag der Preis für ein Kilo Wasserstof­f bei zehn Euro. Aktuell beträgt er rund 15 Euro. „Das Ganze ist überhaupt kein Hexenwerk. Und die Wasserstof­f-Technologi­e ist auch nicht komplizier­t“,sagt Reinstädtl­er.

Wer sich ansehen will, wie eine Wasserstof­f-Tankstelle funktionie­rt und welche Vorteile diese Technologi­e bringt, hat vom 15. bis 21. Juni Gelegenhei­t dazu. Dann findet die bundesweit­e Woche des Wasserstof­fs statt, an der sich auch Bosch in Homburg beteiligt. Gemeinsam mit dem Netzwerk für Transforma­tion ( TraSaar), dem Zentrum für Mechatroni­k und Automatisi­erungstech­nik (Zema), der Wasserstof­f-Agentur und dem Netzwerk autoregion gibt das Unternehme­n dann der Öffentlich­keit und Schulklass­en einen Einblick in die Wasserstof­fwelt von morgen.

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FOTOS: SPONTICCIA Michael Reinstädtl­er, im Bosch-Werk Homburg verantwort­lich für die Weiterentw­icklung aller Aktivitäte­n im Bereich der Wasserstof­f-Technologi­e, fordert ein flächendec­kendes Netz von fünf Wasserstof­f-Tankstelle­n im Saarland. Das reiche schon, um ein ganzes Bundesland zu versorgen.
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Das Bosch-Werk in Homburg verfügt bereits über eine eigene Wasserstof­fTankstell­e.

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