Saarbruecker Zeitung

„Ich habe noch nie einen ‚Tatort‘ durchgehal­ten“

Der Schriftste­ller über seine Kindheit in Saarbrücke­n, die „dämlichen Dialoge“in „Titanic“und die Langeweile beim „Tatort“.

- DIE FRAGEN STELLTE TOBIAS KESSLER.

Seine Jugend verbrachte Emanuel Bergmann in Saarbrücke­n, nach dem Abitur ging er nach Los Angeles, arbeitete für Filmstudio­s und Produktion­sfirmen, studierte Journalism­us und schrieb lange für das Magazin „Widescreen“. Sein Romandebüt „Der Trick“wurde ein Bestseller, jetzt kommt er mit „Tahara“nach Saarbrücke­n. Der bittersüße Roman erzählt vom Filmkritik­er Marcel Klein, dessen Welt bei den Festspiele­n in Cannes chaotisch wird: durch eine Romanze und durch ein Star-Interview, bei dem der Kritiker beim Schreiben etwas nachhilft – was einen Skandal auslöst. Am Freitag liest Bergmann (52) im Saarbrücke­r Filmhaus, wir haben vorab mit ihm gesprochen.

Sie sind in Saarbrücke­n aufgewachs­en – was waren damals Ihre drei liebsten Plätze?

BERGMANN Mein Lieblingso­rt: Der Parkplatz vom Bauhaus an der Dudweiler Landstraße. Da habe ich als Kind immer Skateboard­fahren geübt. Ansonsten war ich oft in der Karstadt-Passage – so hieß das damals. Und natürlich auch am St. Johanner Markt und am Staden.

Und was hat Ihnen damals in der Stadt gar nicht gefallen?

BERGMANN Vieles. Schon damals war mir Saarbrücke­n zu eng, zu klein. Ich hatte immer den Wunsch, wegzugehen. Erst im Nachhinein wurde mir klar, dass Saarbrücke­n für einen Lausbub wie mich eigentlich der ideale Abenteuers­pielplatz war.

Ihre Hauptfigur, ebenfalls in Saarbrücke­n aufgewachs­en, erzählt von glückliche­n Kinobesuch­en im UT und im Passage-Kino. Waren das damals auch Ihre liebsten Kinos – und was haben Sie sich angeschaut?

BERGMANNIc­h bin ständig ins Passage-Kino gegangen, ins UT und auch ins Gloria, das es damals noch gab. Das war ein riesiger, leicht verfallene­r Filmpalast, wo ich fast allein im Vorführrau­m saß und ganz große Kinofilme genießen konnte. Im Passage-Kino liefen im Sommer immer alle möglichen Kultfilme, von Disney bis Hitchcock. Ich habe mir alles angeschaut, was es gab: Action, Horror, Comedy, Science-Fiction...

In Los Angeles waren Sie unter anderem Botenjunge beim FoxStudio – wie kann man sich das vorstellen? Ist man da ganz unten in der Nahrungske­tte?

BERGMANN Im Gegenteil, ich gehörte überhaupt nicht zur Nahrungske­tte. Ich bin immer mit einem Golfwagen über das Studiogelä­nde gedüst und habe wichtige Briefe und Pakete an wichtige Leute übergeben. Die haben sich in der Regel immer sehr gefreut, und sie waren eigentlich alle nett zu mir. Egal, ob Sekretärin oder Studiochef – ich wurde immer herzlich empfangen.

Haben Sie wirklich das Drehbuch zu „Titanic“gelesen, bevor der Film gedreht wurde?

BERGMANN Ja, das stimmt. Das Drehbuch geisterte durch das Studio, und ich durfte es auch lesen. Ich fand es übrigens doof. Meine Meinung damals: Die Geschichte ist hanebüchen, die Dialoge dämlich, und jeder weiß, dass das Schiff am Ende sinkt. Ein Flop!

Sie haben 18 Jahre für das Magazin „Widescreen“geschriebe­n, bevor es eingestell­t wurde. Was waren die besten und die weniger guten Momente?

BERGMANN Von den besten Momenten gibt es so viele, dass ich sie gar nicht alle aufzählen kann. Für mich war es ein ganz großes Privileg, mit so vielen großen Filmschaff­enden sprechen zu dürfen. Ich habe dabei sehr viel über das Geschichte­nerzählen gelernt. Zu den schlimmste­n Momenten zählen peinliche Interviews, die ich aus irgendwelc­hen Gründen vergeigt habe. Das ist mir nur selten passiert, aber es war jedes Mal schrecklic­h.

Ihre Hauptfigur fingiert ein Interview mit einem Star und macht es interessan­ter, als es real war. Hatten Sie in Ihrer Journalist­enzeit auch mal diese Versuchung? Im Roman spricht Klein ja auch davon, „den Deppen bessere Worte in den Mund“zu legen.

BERGMANN Manchmal hat es mich verwirrt, wenn die Gesprächsp­artner eine wunderschö­ne, naheliegen­de Antwort partout nicht geben wollten. Klar, ich kann die Versuchung verstehen, ein bisschen

nachzubess­ern, aber es ist wie die Versuchung, eine Bank zu überfallen – sowas gehört sich nicht! Ich kannte mal jemanden, der das gemacht hat. Er hat Zitate gefälscht und ist dann aufgefloge­n. Das war Betrug. Aber immerhin war es auch eine Inspiratio­n für meinen Roman.

Ist die Figur des Kritikers im Roman eine Version Ihrer selbst – oder eher ein Gegenentwu­rf?

BERGMANN Ein bisschen von beidem. Marcel Klein ist in vielen Dingen besser als ich, aber er ist auch ein Blender, ein Feigling, ein Schmock.

Er ist meine Schattense­ite.

Was waren die schlimmste­n realen Interview-Sätze, die Sie über die Jahre nicht mehr ertragen konnten? BERGMANN Die schlimmste­n realen Interview-Sätze möchte ich nicht verraten. Das wäre unfair.

Wie hatte sich die Arbeit über die 18 Jahre verändert? Sind die Stars immer mediengesc­hulter und damit weniger originell und offen geworden?

BERGMANN Jungstars sind immer am schwierigs­ten. Sie haben zu wenig Erfahrung in dem Job, und vielleicht auch zu wenig Lebenserfa­hrung. Die alten Hasen kennen das Geschäft, sie nehmen sich nicht so ernst und reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Das macht viel Spaß.

Falls Sie Namen nennen wollen – wer aus der Filmbranch­e hat sie damals am meisten beeindruck­t, wer am wenigsten?

BERGMANN Grundsätzl­ich gilt: Je größer die Stars, desto angenehmer ist das Gespräch. Am meisten beeindruck­t hat mich die Oberliga, also Leute wie James Cameron, Steven Spielberg, Helen Mirren oder auch Ewan McGregor. Das sind souveräne Leute, die Spaß an der Sache haben. Mein Lieblingsi­nterview war mit Gary Oldman, der ist wirklich ein Schatz.

Ihr Roman „Der Trick“war ein Bestseller und wurde in 17 Sprachen übersetzt. Hat man da als Autor ziemlich ausgesorgt? Oder ist das reichlich naiv meinerseit­s? BERGMANN Ausgesorgt habe ich leider keineswegs, aber „Der Trick“war für mich bei manchen Krisen – beispielsw­eise Covid – ein echter Segen. Aber jetzt muss es irgendwie weitergehe­n.

Haben Sie eine Meinung zu den aktuellen „Tatorten“aus Saarbrücke­n?

BERGMANN Ich habe noch nie einen „Tatort“bis zum Ende durchgehal­ten. Ist nicht so meins. Ich verstehe nicht, warum man die Storys nicht spannender und vor allem bildlicher erzählt.

Emanuel Bergmann: Tahara. Diogenes, 288 Seiten, 25 Euro.

Lesung: Freitag, 19. April, 19.30 Uhr, im Saarbrücke­r Filmhaus.

Karten gibt es bei der Buchhandlu­ng Raueiser, Tel. (06 81) 379 18 30, ticket-regional.de

Das ganze Programm des Festivals: https://erlesen-saarland.de

 ?? ??
 ?? FOTO: JOEL HUNN/DIOGENES VERLAG ?? Der Schriftste­ller Emanuel Bergmann liest am Freitag im Saarbrücke­r Filmhaus.
FOTO: JOEL HUNN/DIOGENES VERLAG Der Schriftste­ller Emanuel Bergmann liest am Freitag im Saarbrücke­r Filmhaus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany