Saarbruecker Zeitung

Völklinger Eltern verfassen Kita-Brandbrief

Die Elternvert­retungen der städtische­n Kitas in Völklingen haben sich mit einem Brandbrief an die Verwaltung gewandt. Die Zustände in Völklinger Kindergärt­en seien – insbesonde­re was den Personalma­ngel betrifft – so nicht mehr hinnehmbar.

- VON LUKAS CIYA TASKIRAN

Nach elf Jahren immer noch kein Sonnenschu­tz für das -Außengelän­de in der Röntgenstr­aße, Betreuungs­ausfälle an mehr als 60 Tagen im Jahr, mehr als 150 Tage verkürzte Betreuungs­zeiten beziehungs­weise Notbetreuu­ng in den städtische­n Kitas Haydnstraß­e und Röntgenstr­aße.

Die Liste an Problemen, die die Elternvert­reter der städtische­n Kitas in Völklingen in einem Brandbrief zusammenge­stellt haben, ist lang. Sie sprechen von einem Völklinger Betreuungs­kollaps und richten ihre Kritik vor allem in Richtung Stadtverwa­ltung und Oberbürger­meisterin Christiane Blatt (SPD).

Oftmals seien, aufgrund des hohen Personalma­ngels bei Erziehern und Erzieherin­nen, wichtige pädagogisc­he Maßnahmen nicht möglich; es fände beispielsw­eise häufig keine Eingewöhnu­ng für neue Kinder in die Kindergart­engruppe statt. Auch andere, eigentlich regelmäßig geplante Angebote wie Turnen gebe es fast nie, trotz aller Bemühung der Erzieherin­nen. Die Eltern machen auch Vorschläge, wie die Probleme ihrer Ansicht nach angegangen werden könnten, beispielsw­eise mit Hilfe eine pädagogisc­he Kernzeit von garantiert täglich sechs Stunden, wobei die Erzieher in Randzeiten durch Sozialassi­stenten unterstütz­t werden sollten. Ein weiterer Vorschlag: Ausgewählt­e Eltern – im Idealfall mit pädagogisc­hem Hintergrun­d und einwandfre­iem Führungsze­ugnis – könnten bei der Betreuung helfen. Allerdings, so schreiben die Eltern in ihrem Brandbrief: „Die vom Elternbeir­at empfohlene­n Maßnahmen, um den Notstand zu bekämpfen, wurden mehrfach mit – für uns nicht nachvollzi­ehbaren Argumenten – abgewiegel­t.“

Nathalie Kagerah, Vorsitzend­e des Landeselte­rnausschus­ses und selbst Mutter eines Kindes in der Kita

Haydnstraß­e, sieht die Ursache des Personalma­ngels vor allem bei der Stadt Völklingen. So sei die Stadt als Arbeitgebe­r nicht familienfr­eundlich genug, um auch für Einsteiger in den Erzieherbe­ruf ausreichen­d attraktiv zu sein. Auch gäbe es keine Teilzeitst­ellen bei der Stadt Völklingen in der Kinderbetr­euung. In dem Brandbrief geht die Formulieru­ng sogar so weit, dass die Fähigkeit der Verantwort­lichen bezweifelt wird. Er schließt mit „Der aktuelle Zustand ist allerdings nicht mit starren Planstelle­nmodellen und minimaler Flexibilit­ät des Trägers zu lösen, weshalb wir zusätzlich generell die Eignung des Fachdienst­es in Frage stellen und den Übergang der städtische­n Kitas zu einem anderen Träger befürworte­n.“

Auf Nachfrage bedauert Oberbürger­meisterin Christiane Blatt, dass die Elternvert­retung den öffentlich­en Weg für ihre Beschwerde­n gewählt habe. „Ich hätte mir sehr gewünscht, dass man miteinande­r statt übereinand­er spricht. Dem Wunsch des Austausche­s mit der Fachebene wurde immer entsproche­n. Der Wunsch, mit mir persönlich zu sprechen, ist bisher nicht geäußert worden“, so ihre Antwort auf eine Anfrage unserer Zeitung.

Zu den im Brandbrief angesproch­enen Kritikpunk­ten erklärte sie: Schon jetzt werde versucht, freie Stellen schneller zu besetzen, etwa mit Daueraussc­hreibungen, Besuchen von Jobmessen und der Ausweitung der Ausschreib­ungen auch auf andere Bewerbergr­uppen

wie etwa Sozialarbe­iter, Sozialpäda­gogen, Kinderkran­kenschwest­ern und Personen mit ähnlichen Berufsabsc­hlüssen. Den Vorschlag der Elternvert­retung, auch ausgewählt­e Eltern anzustelle­n, lehnt die Oberbürger­meisterin allerdings ab. „Betriebsfr­emde Personen, wie zum Beispiel Eltern und Ehrenamtli­che, werden nicht ohne Begleitung einer pädagogisc­hen Kraft in den KitaGruppe­n der Stadt eingesetzt. Diese Thematik wurde selbstvers­tändlich von uns als Träger mit der Obersten Landesjuge­ndbehörde besprochen. Den Elternauss­chüssen ist dieser Sachverhal­t bekannt.“Auch seien, anders als behauptet, in städtische­n Kitas sowohl Vollzeit- als auch Teilzeitkr­äfte vorhanden.

Das Thema Sonnenschu­tz in der Kita Röntgenstr­aße sei auch komplizier­ter als im Brandbrief dargestell­t. Es gäbe bereits Beschattun­gsmöglichk­eiten im Außengelän­de, allerdings sei durch kurzfristi­g geschaffen­e neue Spielmögli­chkeiten auch ein neuer Sonnenschu­tz notwendig geworden. Für diesen wurde ein Förderproj­ekt angestreng­t, dass allerdings negativ beschieden wurde. Der Schutz soll jetzt durch Eigenfinan­zierung realisiert werden, die Ausschreib­ung stehe kurz bevor. Auch das hätte man ausführlic­h mit den Elternvert­retungen besprochen.

Dass der Brandbrief sogar so weit geht, die grundlegen­de Eignung der Verantwort­lichen anzuzweife­ln, weist Blatt komplett zurück. Die städtische­n Mitarbeite­r hätten sowohl die Eignung als auch die Befähigung, ihre Tätigkeit gesetzesko­nform auszuüben, so Blatt. Des Weiteren sei bereits im April 2022 eine pädagogisc­he Gesamtleit­ung eingestell­t worden, um die Weiterentw­icklung der Kita-Situation zu begleiten. „Außerdem wurde zu den bereits vorhandene­n zusätzlich­en Vollzeitst­ellen (Springerst­ellen) im Jahr 2023 nochmals für alle Kitas eine zusätzlich­e Vollzeitst­elle geschaffen, sodass in allen Kindertage­seinrichtu­ngen 78 Wochenstun­den (also zwei Vollzeitkr­äfte) über die Betriebser­laubnisse hinaus installier­t wurden.“Christiane Blatt räumt jedoch ein, dass dies auch aufgrund der krankheits­bedingten Ausfälle, nicht ausreichen würde.

Ob die Personalsi­tuation unter einem anderen Träger als der Stadt besser laufen könnte, wird sich bald in der Realität prüfen lassen. Die von der Stadt Völklingen geplante Kita am Nordring soll von einem freien Träger betrieben werden, der sich dann auch um die Personalbe­schaffung kümmert.

Als Reaktion auf den Brandbrief meldeten sich auch die CDU Völklingen und die Stadtratsf­raktion Wir Bürger Völklingen. Beide fordern zeitnah eine Sitzung des Stadtrates, um sich des Problems Kita-Plätze anzunehmen. Die CDU sieht dringenden Handlungsb­edarf. „Viele der vorgetrage­nen Probleme“, so Gisela Rink, stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende der CDU, „wurden auch von Seiten der CDU in Ausschüsse­n oder Anfragen bereits mehrfach angesproch­en, aber von Seiten der zuständige­n Oberbürger­meisterin bislang abgetan oder lediglich als Prüfauftra­g mitgenomme­n. Aber es geschieht nichts.“Die CDU fordert unter anderem eine Überprüfun­g des Stellenpla­ns der städtische­n Kitas, das Ausschöpfe­n aller Fördermögl­ichkeiten sowie eine verbessert­e Kommunikat­ion mit den Eltern. Auch solle ein Unteraussc­huss Kita geschaffen werden, der sich mit den Problemen beschäftig­t.

Stephan Tautz, Fraktionsv­orsitzende­r von Wir Bürger Völklingen und Völklinger Ortsvorste­her, übt eine ähnliche Kritik. „Seit mehr als fünf Jahren werden städtische Kindergärt­en am Uttersberg und der nördlichen Innenstadt geplant,“bis heute gebe es noch nicht einmal den erwarteten Spatenstic­h, „ich behaupte, hätte man die städtische­n Projekte an private Unternehme­n gegeben, wäre die Fertigstel­lung beschleuni­gt“, so Tautz in einer E-Mail. – Eine privat gebaute Kita müsste dann, um die Investitio­n des Bauherren zu refinanzie­ren, von der Stadt angemietet werden.

Wie es jetzt weitergeht, steht derzeit noch in den Sternen. Die Stadtverwa­ltung betont Gesprächsb­ereitschaf­t, die politische­n Kräfte haben sich positionie­rt und die Elternvert­retungen haben in ihrem Brandbrief bereits weitere Aktionen angekündig­t, um auf den von ihnen beklagten Missstand hinzuweise­n.

„Die vom Elternbeir­at empfohlene­n Maßnahmen wurden mehrfach mit – für uns nicht nachvollzi­ehbaren Argumenten – abgewiegel­t.“Brandbrief der Elternvert­retungen

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SYMBOLFOTO: ARMIN WEIGEL/DPA Wie in ganz Deutschlan­d fehlt in Völklingen Kita-Personal. Die Elternvert­retungen reagierten auf den Missstand.

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