Mark Heydrich: Die Kunst der flotten Worte
Der Altmeister des Poetry Slam im Saarland traf im Saarländischen Künstlerhaus auf Bass, Theremin und Seifenblasen. Der Abend demonstrierte, dass Hochkultur ganz schön schräg sein kann.
darf auch mal unterhaltsam sein – das war jedenfalls das Resümee nach dem von Mark Heydrich, Meike Degand und Thomas Trittelvitz gestalteten Abend im Künstlerhaus. Heydrich kann man mit Fug und Recht als Altmeister des Poetry Slams bezeichnen: Als diese WettbewerbsKunstform 2001 zum ersten Mal nach Saarbrücken kam, konnte er sogleich den Sieg für sich verbuchen. Seither trat er bei zahllosen weiteren Slams auf und gewann viele davon – nur die Saarlandmeisterschaft noch nicht.
Diesen Mai nimmt er einen weiteren Anlauf für die Trophäe, die in seiner Sammlung noch fehlt. Allerdings muss der 1977 Geborene dort ein weitaus jüngeres Publikum für sich gewinnen als im Künstlerhaus. Dort lag der Altersdurchschnitt sicher jenseits der 50.
Der Abend begann nach der Einführung durch Nelia Dorscheid aber erstmal mit Musik: Meike Degand ist in den letzten Jahren des Öfteren in Erscheinung getreten mit Gastauftritten bei so bekannten Bands wie Savoy Truffle oder Honey Creek.
Deren Sound fügte sie sphärische Klänge hinzu, die von dem exotischen und mysteriösen Instrument namens Theremin stammen.
An diesen Holzkasten sind zwei Metallstücke angebracht: Auf der rechten Seite eine Antenne, auf der linken eine großen Öse. Da der Klang über die Veränderung elektromagnetischer Wellen erzeugt wird, muss das Gerät gar nicht berührt werden – Degand hielt ihre Hände einfach in der Luft und veränderte die Töne und das Vibrato durch Bewegungen ihrer Finger. Aber auch mit Seifenblasen ließ sie das Theremin wimmern.
Mitgebracht hatte sie den langjährigen Bassisten und Schlagzeuger von Bands wie Loony oder The New Wild Roses, Thomas Trittelvitz. Dieser begleitete die mystischen Theremin-Klänge zum einen auf dem frisch erworbenen Fretless-Bass oder auf einer fünfsaitigen Gitarre. Dazu kam im ersten Stück Gezwitscher vom Band – da wähnte man sich auf einem anderen Planeten, nur mit vergleichbarer Vogelwelt.
Heydrich wiederum beschäftigte sich mit der Flora: „Moos“nannte sich sein erster Beitrag, eine schräge Hymne auf die uralte Pflanzengruppe. Unter Tränen spreche er jeden
Abend sein „Moosgebet“, auf „kühles, weiches, saftiges Moos“wolle er einst aufgebahrt werden. Am Ende ließ er das Publikum das „heilende Wort“aussprechen, drohte aber auch mit dem Zeigefinger: „Moos findet dich!“Degand und Trittelvitz spielten daraufhin Musik, die in alten Kriminalfilmen hätte verwendet werden können.
Wieder folgte eine bizarre Heydrich-Hymne, wieder über etwas, das wohl noch nie in der Poesie besprochen wurde: Panzerband. „Zieh dich zurück, in den entlegensten, dunkelsten Winkel deines Reiches. Tief in dein Haus, du und dein Pan
zerband“, hieß es da, eine unheimliche Atmosphäre erzeugend. Was nun der mit „du“angesprochene Protagonist vorhatte mit dem Klebematerial, ließ der Text offen – genau wollte man es vielleicht lieber nicht wissen.
Auch die Geschichte über das Pony Aischa blieb ohne Auflösung: Darin erfährt der Ich-Erzähler von seiner Freundin, dass eine PonyBesitzerin ihren Liebling mit einer Kamera überwachen lässt. Und eines Tages sieht sie, wie dort nachts ein Mann neben Aischa kauert. Niemand auf dem Hof kennt ihn, niemand kann sich das erklären. Heydrich erzählt hinterher, das beruhe auf einer wahren Geschichte, deren Ende er zwar kenne, aber nicht preisgeben wolle. Bedrückend und ebenso aus dem Leben gegriffen gestaltete sich die Beschreibung der Begegnung, als sich Heydrich mit dem Mann einer verstorbenen Freundin traf. Ihr und einem verstorbenen Freund hatte Heydrich den Abend gewidmet.
Aber der Poet hatte nicht nur Gruseliges und das Thema Tod mitgebracht. Sondern auch eine naivschwärmerische Eloge auf Außenministerin Annalena Baerbock, bei der der Zuhörer es sich aussuchen konnte, wie sie wirklich gemeint war. Als bitterböse Abrechnung mit der Grünen-Politikerin oder einfach als harmlose Liebesbrief-Parodie. „Dein kurzer herrlicher Körper glüht / glüht für Deutschland“hieß es da, oder: „Oh Annalenalenalein… du schöne Ferne bleib mir hold / Heiko Maas hab ich nie gewollt“. Das sorgte natürlich für Glucksen unter den etwa 40 Zuhörerinnen und Zuhörern.
Passend hatte das Duo Degand/ Trittelvitz eine kuriose Version des Liebeslieds Take My Breath Away dargeboten. „So was kann man sich gar nicht ausdenken“, lautete hinterher Heydrichs Kommentar zu seinem letzten, ganz kurzen Text: Darin erwähnte er „eine Führung der Volkshochschule Saarbrücken durch den Lebensmittelladen ‚Unverpackt – die Nachfüllbar`…, die eineinhalb Stunden dauert“.
Skurrile Geschichten aus dem Alltag, Hymnen auf Moos, Panzerband und die Außenministerin, großartig vorgetragen vom Poetry-Altmeister, dazu die Musik aus einer anderen Welt: Das Künstlerhaus hat schon trockenere Darbietungen erlebt. Und nach dem Zuspruch des Publikums zu urteilen, muss Heydrich dieses nur irgendwie in angemessener Stärke zu den Saarland-Meisterschaften bringen – dann könnte es mit dem ersehnten Titel klappen.
„Oh Annalenalenalein ... du schöne Ferne bleib mir hold / Heiko Maas hab ich nie gewollt“. Mark Heydrich bedichtet sogar die Außenministerin