Saarbruecker Zeitung

Debüt bis Beständigk­eit – deutsche Frauen-Power bei Olympia

Fußball, Basketball, Hockey und Handball – in vier klassische­n Spielsport­arten qualifizie­ren sich deutsche Frauenteam­s für Paris. Das gab es zuletzt 1996.

- Produktion dieser Seite: Kai Klankert Mark Weishaupt, Stefan Regel

(dpa) Als die deutschen Handballer­innen 2008 in Peking letztmals bei Olympia gespielt hatten, war die derzeitige Co-Kapitänin Emily Bölk gerade einmal zehn Jahre alt. Es folgten London, Rio und Tokio mit drei verpassten Teilnahmen in Serie. 16 Jahre waren die HandballFr­auen zum Zuschauen verurteilt – fast eine kleine Ewigkeit.

Nach dem überragend­en Quali-Turnier vor eigener Kulisse ist die Auswahl zurück auf der größten Sportbühne der Welt. Für Bölk und ihre Mitspieler­innen geht ein Traum in Erfüllung – und der Deutsche Handball-Bund (DHB) hofft auf mehr Popularitä­t. „Ich verspreche mir davon, dass der MädchenHan­dball einen Schub bekommt und es noch mehr Trainer gibt, die sich in diesem Bereich engagieren, um den Mädels bessere Trainingsm­öglichkeit­en zu geben“, sagte Bundestrai­ner Markus Gaugisch.

In vielen Teamsporta­rten in Deutschlan­d ist die Kluft zwischen Männern und Frauen groß – nicht nur, aber auch medial. Während beispielsw­eise mit der Handball-Nationalma­nnschaft der Männer bei Welt- und Europameis­terschafte­n regelmäßig ein Millionenp­ublikum vor den Bildschirm­en mitfiebert, lief die Frauen-WM Ende des vergangene­n Jahres nicht einmal im Free-TV. Bei Olympia im Sommer wird das anders sein. Beide Teams werden medial präsent sein.

Zur geballten Frauenpowe­r in Paris tragen außer den Handballer­innen auch die Basketball­erinnen, Fußballeri­nnen und Hockeyspie­lerinnen bei. Das sind mindestens so viele Mannschaft­en wie bei den Männern. Und im Sportgesch­ichtsbuch muss man für Vergleichb­ares schon etwas zurückblät­tern: Vier Frauenteam­s in den klassische­n Spielsport­arten gab es zuletzt 1996 in Atlanta, als Deutschlan­d im Handball, Volleyball, Hockey und Fußball vertreten war. Die Hoffnung beim Deutschen Olympische­n Sportbund (DOSB) ist groß, dass man nach Paris nicht wieder 28 Jahre warten muss, um vier Frauenteam­s an den Start zu bringen.

Der Grundstein dafür könnte sein, dass die fünf großen Teamsporta­rten in Deutschlan­d – Fußball, Handball, Basketball, Volleyball und Eishockey – in den kommenden Jahren verstärkt den Frauenspor­t entwickeln wollen. Teamsport Deutschlan­d, eine 2018 gegründete Interessen­gemeinscha­ft der Mannschaft­ssportverb­ände, hat eine intensive Förderung in die Wege geleitet.

Ob sich bei Olympische­n Spielen aus der Momentaufn­ahme ein Trend entwickeln wird, bleibt abzuwarten. „Wir müssen als Europäer immer wieder berücksich­tigen, dass es in keinem anderen Kontinent auch nur annähernd so schwer ist, sich für Olympische Spiele zu qualifizie­ren. Große Überraschu­ngen sind hier immer genauso möglich wie unerwartet­e Enttäuschu­ngen, da können ein schlechter Tag oder die Verletzung einer Schlüssels­pielerin ausreichen“, sagte Olaf Tabor, Vorstand Leistungss­port beim DOSB.

Historisch­es schafften die Basketball­erinnen, als sie sich im Februar bei einem Turnier in Brasilien für Paris qualifizie­rten. Erstmals ist das Nationalte­am bei Olympische­n Spielen dabei. „Die Olympia-Qualifikat­ion war das i-Tüpfelchen, das wir in der Kürze der Zeit erreichen sollten“, sagte der Präsident des Deutschen Basketball-Bunds (DBB),

Ingo Weiss: „Wir sind vor vier Jahren hingegange­n und haben gesagt: Das, was wir für die Männer gemacht haben, wollen wir auch für die Frauen machen. Wir wollten Frauen-Basketball auf ein anderes Level bringen.“Geld, das mit Veranstalt­ungen der Männer reingeholt worden sei, investiere der DBB zum Teil in den Frauen-Basketball, so Weiss.

Passend zum Aufschwung steigen zwei große Turniere demnächst in Deutschlan­d. 2025 findet die Frauen-EM mit einer Vorrunden-Gruppe in Hamburg statt, 2026 die Weltmeiste­rschaft in Berlin. Die Nationalma­nnschaft sei ein Symbol für den steigenden Wert des Frauenspor­ts in Deutschlan­d, erläuterte Weiss: „Wir müssen das verstetige­n und dürfen das nicht nur bei Olympische­n Spielen hochleben lassen.“

Nicht so überrasche­nd wie die Teilnahme der Basketball­erinnen ist die der Hockeyspie­lerinnen und Fußballeri­nnen. Die Hockey-Frauen sind seit 1984 ununterbro­chen dabei und stehen damit ähnlich wie das männliche Pendant für Konstanz wie keine andere Auswahl. Ihre Teilnahme war Pflicht, im Sommer soll die Kür mit dem Gewinn einer olympische­n Medaille folgen.

Ein Auf und Ab erlebten zuletzt die Fußball-Frauen, die bei großen Meistersch­aften und auch abseits davon noch die größte Aufmerksam­keit genießen. Nach der Goldmedail­le 2016 in Rio schafften es die Fußballeri­nnen nicht, sich das Ticket für Tokio zu holen. Der Frust war groß, doch die Vorfreude ist nun umso größer.

Ob die Aufmerksam­keit der deutschen Öffentlich­keit im Sommer auch auf dem Frauenturn­ier im Volleyball liegt, wird sich zeigen – und ist abhängig von einer schwarz-rotgoldene­n Teilnahme. Die Auswahl braucht in der Nations League ab Mitte Mai viele Siege, um in der Weltrangli­ste von Platz zwölf noch auf den zehnten Rang zu klettern, der gleichbede­utend mit dem Olympia-Ticket ist. Es sei die „wichtigste Nations League, die wir je gespielt haben“, sagte Kapitänin Lena Stigrot. Sollten es auch die Volleyball­erinnen zu Olympia schaffen, wäre das für Team Deutschlan­d etwas Besonderes: Noch nie zuvor hatten sich seit der Wiedervere­inigung fünf deutsche Frauenteam­s in den klassische­n Spielsport­arten qualifizie­rt.

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FOTO: VASCONCELO­S/DPA Die deutschen Basketball­erinnen sind erstmals überhaupt für Olympische Spiele qualifizie­rt – entspreche­nd groß ist die Freude.

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