Debüt bis Beständigkeit – deutsche Frauen-Power bei Olympia
Fußball, Basketball, Hockey und Handball – in vier klassischen Spielsportarten qualifizieren sich deutsche Frauenteams für Paris. Das gab es zuletzt 1996.
(dpa) Als die deutschen Handballerinnen 2008 in Peking letztmals bei Olympia gespielt hatten, war die derzeitige Co-Kapitänin Emily Bölk gerade einmal zehn Jahre alt. Es folgten London, Rio und Tokio mit drei verpassten Teilnahmen in Serie. 16 Jahre waren die HandballFrauen zum Zuschauen verurteilt – fast eine kleine Ewigkeit.
Nach dem überragenden Quali-Turnier vor eigener Kulisse ist die Auswahl zurück auf der größten Sportbühne der Welt. Für Bölk und ihre Mitspielerinnen geht ein Traum in Erfüllung – und der Deutsche Handball-Bund (DHB) hofft auf mehr Popularität. „Ich verspreche mir davon, dass der MädchenHandball einen Schub bekommt und es noch mehr Trainer gibt, die sich in diesem Bereich engagieren, um den Mädels bessere Trainingsmöglichkeiten zu geben“, sagte Bundestrainer Markus Gaugisch.
In vielen Teamsportarten in Deutschland ist die Kluft zwischen Männern und Frauen groß – nicht nur, aber auch medial. Während beispielsweise mit der Handball-Nationalmannschaft der Männer bei Welt- und Europameisterschaften regelmäßig ein Millionenpublikum vor den Bildschirmen mitfiebert, lief die Frauen-WM Ende des vergangenen Jahres nicht einmal im Free-TV. Bei Olympia im Sommer wird das anders sein. Beide Teams werden medial präsent sein.
Zur geballten Frauenpower in Paris tragen außer den Handballerinnen auch die Basketballerinnen, Fußballerinnen und Hockeyspielerinnen bei. Das sind mindestens so viele Mannschaften wie bei den Männern. Und im Sportgeschichtsbuch muss man für Vergleichbares schon etwas zurückblättern: Vier Frauenteams in den klassischen Spielsportarten gab es zuletzt 1996 in Atlanta, als Deutschland im Handball, Volleyball, Hockey und Fußball vertreten war. Die Hoffnung beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) ist groß, dass man nach Paris nicht wieder 28 Jahre warten muss, um vier Frauenteams an den Start zu bringen.
Der Grundstein dafür könnte sein, dass die fünf großen Teamsportarten in Deutschland – Fußball, Handball, Basketball, Volleyball und Eishockey – in den kommenden Jahren verstärkt den Frauensport entwickeln wollen. Teamsport Deutschland, eine 2018 gegründete Interessengemeinschaft der Mannschaftssportverbände, hat eine intensive Förderung in die Wege geleitet.
Ob sich bei Olympischen Spielen aus der Momentaufnahme ein Trend entwickeln wird, bleibt abzuwarten. „Wir müssen als Europäer immer wieder berücksichtigen, dass es in keinem anderen Kontinent auch nur annähernd so schwer ist, sich für Olympische Spiele zu qualifizieren. Große Überraschungen sind hier immer genauso möglich wie unerwartete Enttäuschungen, da können ein schlechter Tag oder die Verletzung einer Schlüsselspielerin ausreichen“, sagte Olaf Tabor, Vorstand Leistungssport beim DOSB.
Historisches schafften die Basketballerinnen, als sie sich im Februar bei einem Turnier in Brasilien für Paris qualifizierten. Erstmals ist das Nationalteam bei Olympischen Spielen dabei. „Die Olympia-Qualifikation war das i-Tüpfelchen, das wir in der Kürze der Zeit erreichen sollten“, sagte der Präsident des Deutschen Basketball-Bunds (DBB),
Ingo Weiss: „Wir sind vor vier Jahren hingegangen und haben gesagt: Das, was wir für die Männer gemacht haben, wollen wir auch für die Frauen machen. Wir wollten Frauen-Basketball auf ein anderes Level bringen.“Geld, das mit Veranstaltungen der Männer reingeholt worden sei, investiere der DBB zum Teil in den Frauen-Basketball, so Weiss.
Passend zum Aufschwung steigen zwei große Turniere demnächst in Deutschland. 2025 findet die Frauen-EM mit einer Vorrunden-Gruppe in Hamburg statt, 2026 die Weltmeisterschaft in Berlin. Die Nationalmannschaft sei ein Symbol für den steigenden Wert des Frauensports in Deutschland, erläuterte Weiss: „Wir müssen das verstetigen und dürfen das nicht nur bei Olympischen Spielen hochleben lassen.“
Nicht so überraschend wie die Teilnahme der Basketballerinnen ist die der Hockeyspielerinnen und Fußballerinnen. Die Hockey-Frauen sind seit 1984 ununterbrochen dabei und stehen damit ähnlich wie das männliche Pendant für Konstanz wie keine andere Auswahl. Ihre Teilnahme war Pflicht, im Sommer soll die Kür mit dem Gewinn einer olympischen Medaille folgen.
Ein Auf und Ab erlebten zuletzt die Fußball-Frauen, die bei großen Meisterschaften und auch abseits davon noch die größte Aufmerksamkeit genießen. Nach der Goldmedaille 2016 in Rio schafften es die Fußballerinnen nicht, sich das Ticket für Tokio zu holen. Der Frust war groß, doch die Vorfreude ist nun umso größer.
Ob die Aufmerksamkeit der deutschen Öffentlichkeit im Sommer auch auf dem Frauenturnier im Volleyball liegt, wird sich zeigen – und ist abhängig von einer schwarz-rotgoldenen Teilnahme. Die Auswahl braucht in der Nations League ab Mitte Mai viele Siege, um in der Weltrangliste von Platz zwölf noch auf den zehnten Rang zu klettern, der gleichbedeutend mit dem Olympia-Ticket ist. Es sei die „wichtigste Nations League, die wir je gespielt haben“, sagte Kapitänin Lena Stigrot. Sollten es auch die Volleyballerinnen zu Olympia schaffen, wäre das für Team Deutschland etwas Besonderes: Noch nie zuvor hatten sich seit der Wiedervereinigung fünf deutsche Frauenteams in den klassischen Spielsportarten qualifiziert.