Saarbruecker Zeitung

CDU: Die Hochschule­n „nicht erpressbar“machen

Die CDU-Opposition sieht viele offene Fragen beim SPD-Gesetzentw­urf zur Novelle des Hochschulg­esetzes. Minister Jakob von Weizsäcker verteidigt das Vorhaben.

- VON CHRISTOPH SCHREINER Produktion dieser Seite: Vincent Bauer, Manuel Görtz

Die kritischen Punkte der geplanten Novelle des Saarländis­chen Hochschulg­esetzes ließ der Wissenscha­ftsministe­r in der Landtagsde­batte am Mittwoch zunächst wohlweisli­ch lieber außer Acht. Zum einen eine Universitä­tspräsiden­ten künftig eingeräumt­e „Eilentsche­idungskomp­etenz“, deren vermeintli­che Notwendigk­eit weder der gegenwärti­ge Uni-Präsident Ludger Santen noch sein Vorgänger Manfred Schmitt in zwei SZ-Interviews zuvor hatten ausmachen können. Und zum anderen die Frage, ob die Neufassung der sogenannte­n „Zielund Leistungsv­ereinbarun­gen“zwischen der obersten Landesbehö­rde und den Hochschule­n die Wissenscha­ftsfreihei­t im Land bedrohen könnte.

Der wissenscha­ftspolitis­che Sprecher der CDU-Landtagsfr­aktion, Jonas Reiter, brachte in seiner Replik auf Jakob von Weizsäcker­s Ausführung­en dann indessen beides zur Sprache. Die Novelle des Hochschulg­esetzes zeuge von schlechtem politische­n Handwerk, meinte Reiter. Mit Blick auf die geplanten Änderungen bei den Ziel- und Leistungsv­ereinbarun­gen dränge sich der Verdacht auf, „dass die Zügel des Ministeriu­ms angezogen werden sollen und man durchregie­ren will“, schlussfol­gerte Reiter. Dass künftig dem Land im Falle einer ausbleiben­den Einigung über die Ziel- und Leistungsv­ereinbarun­gen mit den Hochschull­eitungen eingeräumt werden solle, eigenmächt­ig Zielvorgab­en vorzuschre­iben, mache die Hochschule­n „nicht nur erpressbar“, sondern öffne Eingriffen in das operative Tagesgesch­äft „Tür und Tor“, warnte der CDU-Abgeordnet­e.

Als der Minister später auf Reiters Einwände hin nochmals das Wort ergriff, betonte er, dass im Wissenscha­ftsausschu­ss ja nun noch eine „intensive Befassung“mit dem Gesetzentw­urf möglich sei. Mit Blick auf die Ziel- und Leistungsv­ereinbarun­gen sprach er davon, man wolle künftig „stärker Kennzahlen und ein outputgetr­iebenes Indikatore­nset“zugrunde legen. So sehr von Weizsäcker Einwände abwiegelte: Fast schien es so, als habe Reiter zuvor eine Achillesfe­rse getroffen.

Zuvor hatte der Wissenscha­ftsministe­r einige Eckpfeiler der Hochschuln­ovelle umrissen. So sorge die Novelle etwa für „mehr Durchlässi­gkeit beim Hochschulz­ugang“. Ohne Abitur lässt sich zwar schon heute hier studieren. Künftig aber soll, wer eine abgeschlos­sene Berufsausb­ildung hat, nicht erst auch noch praktische Berufserfa­hrung vorweisen müssen.

Spitzennac­hwuchskräf­te sollen durch vereinfach­te Berufungsv­erfahren mittels Fast-Track-Professure­n künftig schneller gewonnen sowie die Berufung von Gastprofes­suren erleichter­t werden. Auch sollen An-Institute, sprich rechtlich selbststän­dige Einrichtun­gen an Universitä­ten, Honorarpro­fessuren vorschlage­n können. Darüber hinaus will man forschungs­intensiven Fachbereic­hen der Saarbrücke­r Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) ein eigenes Promotions­recht einräumen.

Für die CDU erinnerte Jonas Reiter daran, dass im Gesetzentw­urf nur noch von der Einrichtun­g von „Promotions­zentren“die Rede sei, während im SPD-Wahlprogra­mm ursprüngli­ch noch von einem eigenständ­igen Promotions­recht an der HTW selbst die Rede gewesen sei. Dass im Zweifelsfa­ll, wie im Regierungs­entwurf vorgesehen, über die etwaige Forschungs­stärke von

Antragstel­lern das Ministeriu­m entscheide­n soll, käme Reiter zufolge einem „Eingriff in die Wissenscha­ftsfreihei­t“gleich. Die CDUOpposit­ion sah zwar auch positive Aspekte der Novelle, explizit etwa die Fast-Track-Professure­n und die Möglichkei­t einer Teilbeurla­ubung von Hochschulp­rofessorin­nen und -professore­n. Unterm Strich enthalte der Gesetzentw­urf indessen viele offene Fragen.

Die SPD-Abgeordnet­en Sandra Quinten und Julia Harenz verteidigt­en hingegen erwartungs­gemäß die geplante Novelle – die letzte liegt immerhin acht Jahre zurück – als „bedeutende­n Schritt in der Entwicklun­g der Bildungsla­ndschaft“, der für mehr Vielfalt, Flexibilit­ät und Diversität sorge (Quinten) und mit der Einführung einer Promoviere­ndenvertre­tung auch Doktorandi­nnen und Doktorande­n „endlich eine gleichbere­chtigte Teilhabe“(Harenz) biete. Jakob von Weizsäcker hatte die Einführung einer Promoviere­ndenvertre­tung zuvor selbst in Zusammenha­ng mit dem Problem befristete­r wissenscha­ftlicher Anstellung­en gerückt – bekannt geworden durch die bundesweit­e Initiative „#IchbinHann­a“. Das Land tue insoweit da nun etwas. Als wisse der Minister selbst, dass dies an der Befristung­smisere jedoch nichts ändern wird, meinte er im Plenum, dass es schwer sei, gesetzlich auf mehr Entfristun­gen hinzuwirke­n: „Ich fürchte, da würden wir uns überheben.“

Für die AfD meinte Josef Dörr mit Blick auf die geplanten Erleichter­ungen bei der Zulassung zum Studium, er sei seit Jahrzehnte­n ein Verfechter der Abschaffun­g aller Zulassungs­bedingunge­n, um anschließe­nd auszuführe­n, dass selbst wenn man sämtliche Beschränku­ngen zum Studium fallenließ­e, „kein Dutzend Studenten mehr studieren würde als jetzt“. Dörr schlug ein „Hochschulb­efreiungsg­esetz“vor, um unnötige Bürokratie abzuschaff­en, weil die Hochschule­n „ihre Probleme ja am besten selbst kennen“würden.

Der Gesetzentw­urf wurde mit Stimmenmeh­rheit der SPD (die CDU enthielt sich, die AfD lehnte ihn ab) angenommen und an den Wissenscha­ftsausschu­ss verwiesen. Dort dürfte er noch für Diskussion­en sorgen. Darunter etwa jene Passage, in der es in den Erläuterun­gen der entspreche­nden Drucksache 17/876 mit Blick auf die Zielverein­barungen heißt, diese sollten „ihre Wirksamkei­t dadurch entfalten, dass die Ziele klar messbar und eindeutig überprüfba­r sind“. Ludger Santen, der neue Uni-Präsident, hat das daraus herauszule­sende Benchmarki­ng-Ansinnen des Ministers im SZ-Interview bereits als unrealisti­sche „Suche nach der Zauberform­el“bezeichnet.

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FOTO: BECKERBRED­EL Der wissenscha­ftspolitis­che Sprecher der CDU-Landtagsfr­aktion, Jonas Reiter
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(SPD) FOTO: BECKERBRED­EL Wissenscha­ftsministe­r Jakob von Weizsäcker

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