Ohne Jugendzentren tote Hose auf dem Land
Schlechte ÖPNV-Anbindung, wenig Freizeitangebote und auf dem Dorf teilweise nicht mal ein Ort, wo man auch anders als nur unter freiem Himmel zusammenkommen kann – einige Probleme, die beim Saartalk zur Sprache kamen. Thema war, was junge Leute auf dem La
Ein Rad oder einen Bus zu zeichnen, ist manchmal gar nicht so leicht. Weshalb die beiden Saartalk-Gastgeber, SR-Chefredakteurin Armgard Müller-Adams und SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst, sich kurz gedulden mussten, bis die Antworten ihrer vier Gäste auf die beiden Einstiegsfragen, welches ihr Lieblingsverkehrsmittel und welches ihr am häufigsten genutztes sei, dann auch visualisiert waren. Klares Bild: Am liebsten nehmen sie das Rad, im Alltag aber dann doch eher das Auto. Wobei: Junglandwirtin Christina Rullof steigt meist auf den Traktor. Auf ihrem Habichtshof in Merchweiler sind gleich sechs im Einsatz.
„Was junge Menschen in saarländischen Dörfern bewegt“, lautete diesmal das Thema beim Saartalk. Dass das unter anderem der unzureichende ÖPNV ist, wurde schnell klar. „Abends oder frühmorgens“sei die Taktung schlecht, meinte Julius Thieme, der gerade ein freiwilliges ökologisches Jahr im Landkreis Saarlouis absolviert. Am Wochenende fahre der Bus auf dem Land „fast gar nicht“, stimmte der stellvertretende Sprecher der Jugendfeuerwehren im Saarland, Till Leßmeister, zu. Weshalb Patricia Simon von „juz united“, dem Verband der 130 saarländischen Jugendzentren in Selbstverwaltung, denn auch meinte, dass so etwas wie Taxen oder Busse auf Bestellung – genauso wie Fahrgemeinschaften – „immer noch wünschenswert“wären.
Ob der ÖPNV auf dem Land auch deshalb so wichtig sei, um den mangelnden Freizeitangeboten in die Stadt zu entfliehen, wollte Müller-Adams wissen. Klar, antwortete Simon. Es sei „super schade“für die Jugendlichen, dass sie bei einer schlechten ÖPNV-Anbindung „dann vor Ort sitzen bleiben“. Rullof warf ein, dass es in der Eifel noch viel schlechter sei als im Saarland: „Da sieht man dann doch, dass es zwei Versionen von Landleben gibt.“Verglichen mit der Eifel sei man hierzulande, was Züge und Busse angeht, „noch sehr verwöhnt“. Positiv wirkt sich da wohl auch das Junge-Leute-Ticket (30,40 Euro pro Monat) aus. Leßmeister jedenfalls nutzt mit seinen Freunden den Nahverkehr seither noch stärker als früher.
Christina Rullof, die auf dem von ihr mitgeleiteten Habichtshof, dessen Tiere ganzjährig auf der Weide bleiben, Naturschutz und Landwirtschaft vereint, machte deutlich, dass auf dem Land klassische Rollenvorstellungen noch verbreiteter seien. Eine Frau, die einen Hof führt? „Wieso machst du das?“, sei sie dort häufig gefragt worden. Ob Rullof denn mit dem Ergebnis der Bauernproteste, an denen sie sich selbst auch beteiligt hatte, zufrieden sei, fragte SZ-Chefredakteur Herbst. Es sei eher ein Teilerfolg, meinte die Landwirtin. Allerdings seien viele Menschen so
Unter anderem der unzureichende ÖPNV ist für junge Leute auf dem Land ein großes Problem. Das wurde im Saartalk schnell klar.
wieder stärker für das Thema Landwirtschaft sensibilisiert worden.
Welche Zufluchtsorte gibt es in nicht-urbanen Gegenden für junge Leute, wenn sie nicht nur zu Hause auf der Couch sitzen oder auf dem Handy herumdaddeln wollen? Jugendzentren vor allem. Sie sind in ländlichen Gebieten essenziell – ohne sie ist dort meist nur noch tote Hose. Patricia Simon, die unter anderem im JUZ Neunkirchen arbeitet, machte deutlich, dass viele Jugendliche gegenwärtig
mit persönlichen Krisen zu kämpfen hätten. Ihnen zuzuhören und sie ernst zu nehmen, sei „unglaublich wichtig“. Und sie mit ins Boot zu holen „das Beste, was man als Gemeinde machen“könne.
Dazu müsste in manchen Orten, die weder ein JUZ noch einen Jugendraum haben, aber erst einmal ein Aufenthaltsort geschaffen werden. Überdachte Bänke oder ein Kellerraum in einer Schule, so Simon, könnten da schon mal helfen. Dass es für viele Jugendliche
dabei immer auch um die Suche nach Gemeinschaft geht, bestätigte Feuerwehrmann Till Leßmeister, für den seine Wehr quasi das ist, was für andere das JUZ ist.
Was die Mediennutzung ihrer Gäste angeht, hieß die Antwort wenig überraschend: Instagram, teils Tiktok, teils „noch Facebook“, wobei Sozialarbeiterin Simon warnte, „da nicht alles für bare Münze“zu nehmen. Lokal dicht dran zu sein, formulierte Thieme als Anspruch an die Medien. Und was wünscht
man sich von der Politik? Letztlich Substanz. Denn dass bloßes Zuhören am Ende doch zu wenig ist, machte Simon deutlich. Es müsse für die Jugendlichen dann auch etwas Sichtbares passieren – und wenn es ein ihnen zur Verfügung gestellter Raum im Dorfgemeinschaftshaus ist. Der 16-jährige Till Leßmeister meinte passenderweise, dass wohl vieles leichter anzuschieben sei, wenn man kommunalpolitisch selbst mehr mitbestimmen könnte.