„Ich weiß, wie die Saarländer ticken“
Ob Buchautor, Verleger, Designer oder Wahlkampforganisator: Charly Lehnert hat schon vieles gemacht. Wir haben ihn besucht und mit ihm über sein bewegtes Leben gesprochen.
Himmel ist bewölkt, es regnet, aber Frühling liegt in der Luft. „Ich freue mich auf die warme Zeit“, sagt der 85-Jährige und gleich zu Beginn des Gesprächs lässt er wissen: „Ich bin noch gut drauf.“
Was macht der Privatmann Charly Lehnert noch? Er und seine Frau Ria kochen und reisen gern. Und von jeder Reise bringen sie interessante Steine mit, die im Zuhause der Lehnerts neben den Kunstgegenständen und Bildern ihren Platz finden.
In diesem Haus in Bübingen genießt er bei einer Tasse Kaffee den Rest des Kuchens, den seine zweite Frau Ria Seitz-Lehnert gebacken hat. Das Rezept dazu kann man in ihrem Backbuch „Sießschniss“nachlesen. Erschienen ist es – wo auch sonst – im Lehnert Verlag.
Etwas daraus gemacht – sprich aus seinem langen Leben –, hat er wahrlich. Und fast alles, was er angepackt hat, stand in engem Bezug zum Saarland – zumindest in seiner zweiten Lebenshälfte. Nicht umsonst bezeichnet man ihn als Berufssaarländer. Über diese Bezeichnung schmunzelt er und gibt zu: „Ja, ich habe das Saarland zu meinem Beruf gemacht und weiß, wie die Saarländer ticken.“Dazu gehört auch die Vierteljahresschrift „Nemmeh dehemm“, erstmals erschienen 1987, deren Zielgruppe die Saarländer im
Exil und Freunde des Saarlandes waren. Nach 140 Ausgaben hat Charly Lehnert Anfang des Jahres die Publikation eingestellt. Weder aus Altersnoch aus gesundheitlichen Gründen. „Sondern weil ich nicht mehr mag“, antwortet er auf die Frage nach dem Warum. „Irgendwann muss man mit allem einmal aufhören. Nichts muss lebenslänglich sein.“
Neben der ehrenhalber vergebenen Bezeichnung „Berufssaarländer“kann man in Lehnerts Vita auch die Berufe Werbegrafiker, Musiker, Autor, Verleger und Moderator finden. Sein Studium an der Saarbrücker „Schule für Kunst und Handwerk“(später Hochschule der Bildenden Künste Saar) schließt der gebürtige Dudweiler Anfang der 60er Jahre mit einem Diplom als Grafik-Designer ab und ist ab 1965 beim Weltkonzern Villeroy & Boch in Mettlach als Leiter des grafischen Ateliers beschäftigt.
1973 wagt er den Schritt in die Selbstständigkeit und gründet seine eigene Werbeagentur in Saarbrücken. Ende der 1970er Jahre hat er einen Lehrauftrag für Grafik-Design an der Fachhochschule für Design. Doch die erfolgreiche Arbeit als Designer ist nicht alles in jenen Jahren. Auch die Musik hat es ihm angetan. „Das Musikmachen war und ist immer noch mein Ding“, erinnert er sich. Damals war er schon mit seiner ersten Frau Ute Lehnert, der 2018 verstorbenen Saarbrücker Malerin, verheiratet und die Gage, so gibt er zu, war auch ein schönes Zubrot zum Haushaltsgeld.
In den 60er Jahren spielt Charly Lenhart Gitarre bei den von ihm gegründeten Tanzkapellen „ColibriQuartett“sowie „Scotch-Combo“und tritt unter anderem im legendären Quierschieder „Tanzcafé Thomé“auf. Ein Jahrzehnt später wechselt er die Musikrichtung von der Tanzmusik zum Jazz. Fortan steht er mit dem
„Stefan Klinkhammer Quartett“sowie dem „Chris-Kümmelbach-Quartett“auf der Bühne. Das musikalische Talent kommt nicht von Ungefähr. Seine Vorfahren mütterlicherseits stammen aus der Gegend um Kusel. Charly Lehner erzählt: „Meine Oma Rosalie war Bäuerin und hat Geige gespielt. Sie muss gut gewesen sein, denn sie spielte ein Jahr in Harrogate im städtischen Orchester. Ihr Großonkel war der Otto Schwarz, ein berühmter pfälzischer Wandermusikant. Er hat ein Orchester aufgebaut und trat in Europa und Amerika auf. Sein Bruder leitete ebenfalls ein Orchester in New York. Es war das erste Orchester, das mit Sänger aufgetreten ist und dieser Sänger war Frank Sinatra. Das habe ich recherchiert.“
1998 erhält Lehnert den Saarländischen Verdienstorden. So werden sein Engagement um den Denkmalschutz und seine Förderung der saarländischen Regionalkultur gewürdigt. Wie zum Beispiel im Jahr 1974, als Charly Lehnert Gründungsmitglied der ABK (Arbeitsgemeinschaft Bildender Künstler) wird. Die Gruppe setzt sich dafür ein, dass die Altstadt erhalten bleibt und Saarbrücken eine Fußgängerzone bekommt. 1990 gründet Lehnert den Förderverein Wintringer Kapelle e.V., der sich zur Aufgabe macht, die spätgotische Kapelle zu restaurieren, zum Kulturort zu machen und archäologische Ausgrabungen von Vorgängerbauten zu ermöglichen. In den 90er Jahren moderiert der umtriebige Lehnert
im Bistro der Congresshalle „die blaue Stunde“, eine Veranstaltung im Stil einer Talkshow mit Musik. „Das war einmal im Monat sonntags. Im Schnitt waren 120 Zuschauer da. Der Laden war immer voll.“
Ein Porträt Charly Lehnerts ist unvollständig ohne die Erwähnung seines politischen Engagements. 1971 schickt er Willy Brandt, der gerade den Friedensnobelpreis erhalten hat, einen Brief. Der Bundeskanzler revanchiert sich mit einem signierten Buch und Lehnert tritt der SPD bei.
In die 70er Jahre fällt auch der Beginn seiner Freundschaft mit Oskar Lafontaine. 1985 bis 1995 organisiert er erfolgreich alle Kommunal- und Landtagswahlkämpfe der saarländischen Sozialdemokraten. Die Süddeutsche Zeitung bringt damals einen Artikel über ihn und überschreibt den Text mit der Zeile: „Charly Lehnert, der Oskar-Erfinder“.
Als die neuen Bundesländer eingegliedert werden, übernimmt er zusammen mit Tochter Claudia in Sachsen-Anhalt und in Thüringen ebenfalls die Organisation der SPDWahlkämpfe. „Das Interessante war“, so erinnert er sich, „dass es eigentlich jeweils eine ortsansässige Agentur hätte sein müssen.“Also eröffnet Lehnert in den Landeshauptstädten Erfurt und Magdeburg Zweitbüros.
Von Erfurt hat er Kurioses zu erzählen: „In einem Plattenbau wurde uns ein Büro angeboten. Da habe ich die Tapeten herunterreißen lassen und es kamen 20 Wanzen zum Vorschein. Noch aus der Stasi-Zeit.“Da aus einer Agentur, die für Politiker Wahlkämpfe organisiert, nichts nach draußen dringen darf, checkt Lehnert kurzerhand in einem Hotel ein und das dortige Zimmer wird zum Büro umfunktioniert.
Den letzten Wahlkampf organisiert er 1999 für Lafontaines Nachfolger Reinhard Klimmt. Klimmt entscheidet sich jedoch für eine andere Agentur und verliert die Wahl. Peter Müller und die CDU gewinnen und sorgen dafür, dass die Lehnert-Agentur künftig keine Aufträge mehr bekommt. In dieser Zeit schreibt Lehnert Kolumnen für die Saarbrücker Zeitung und bis zum heutigen Tag kommt er auf über hundert Beiträge zur Saar-Kultur im Magazin „EuroSaar“.
Am meisten bekannt ist Charly Lehnert aber als Autor und Verleger des 1986 gegründeten Lehnert-Verlages. Er wird oft zu Lesungen eingeladen. Mittlerweile sind rund 50 Bücher zum Thema Saarland erschienen. Die Autobiografie „Freggerd“, „Wie das Saarland entstanden ist“, „So schwätze mir“, „Lääwe un lääwe losse“, Kochbücher und vieles mehr. Seine Saarland-Bücher und die Spiele „Saarland-Quiz“und „SaarbrückenQuiz“sind bundesweit gefragt. „Dahinter ist immer noch mehr“, meint er und arbeitet an neuen Projekten.
„ Irgendwann muss man mit allem einmal aufhören. Nichts muss lebenslänglich sein.“Charly Lehnert über die Einstellung seiner Vierteljahresschrift „Nemmeh dehemm“