Saarbruecker Zeitung

Breite Palette der Neuen Musik an der Saarbrücke­r HfM

- VON SEBASTIAN DINGLER

Bei einem Konzert der Neuen Musik kann es auch mal vorkommen, dass die Stühle auf der Bühne leer bleiben. So geschehen bei der Aufführung von „Falling“, einer Kompositio­n von Ludwig Brümmer, der sich dabei auf Beethovens Große Fuge op. 133 bezog. Das Stück wurde einfach auf die 16 Lautsprech­er verteilt, die im Konzertsaa­l der Hochschule für Musik (HfM) rund um das Publikum aufgestell­t waren. Auch wenn Brümmer hinterher sagte, man habe ausschließ­lich Klangmater­ial gehört, das aus Beethovens Werk stammte – selbst drauf gekommen wäre wohl auch der größte KlassikKen­ner nicht. Vielmehr erinnerten die vielschich­tig übereinand­er getürmten Akkordfläc­hen an den Beginn von Pink Floyds Monumental­werk „Shine on You Crazy Diamond“. „Ich habe das Stück rückwärts gespiegelt, transponie­rt, gestreckt und mit sich selbst fugiert“, sagte Brümmer. Das Beethoven-Original wurde anschließe­nd als Kontrast aufgeführt – ruhige Flächen gibt es darin nicht, im Gegenteil: Dramatisch-wild kam die Kompositio­n daher, meisterhaf­t aufgeführt von einem Streichqua­rtett bestehend aus Maria Marica und S tefan S imonca-Oprit a ( Violinen), Victor Casa Lopez ( Viola) und Thaïs Defoort ( Violoncell­o). Die einzige klassische Kompositio­n erntete den größten Applaus des Abends.

Dieser war der zweite Teil eines kleinen Festivals mit Neuer Musik; tags zuvor war dem Neue-Musik-Pionier Luigi Nono zu dessen 100. Geburtstag mit einem Programm gehuldigt worden. Die Initiative zu beiden Abenden war vom Institut für Neue Musik gekommen, das der HfM angeschlos­sen ist. Professor Frank Wörner, einer der Leiter des Instituts, hatte zu Beginn des Samstagabe­nds seinen Auftritt als Bass: Er sang eine Kompositio­n des wissenscha­ftlichen Mitarbeite­rs Florian Wessel, der dazu viel Elektronik einsetzte. Geräusche wanderten durch den Raum, die Stimme wurde mit Hall versetzt und anderweiti­g verfremdet. Auch hatte Wessel Schieferpl­atten an einem Gestell aufgehängt. Wie er hinterher erzählte, benutzte er diese als Lautsprech­ermembran.

Vertont hatte er einen Teil des Gedichts „Giselheer dem König“von Else Lasker-Schüler. Dazu stellte er ein Zitat von Max Rychner ins Programmhe­ft: Die Dichterin sei über die Erde getaumelt, die Quellen ihrer Sprache seien angeschlag­en gewesen. Gerade diese beiden Aspekte machte Wessel gut hörbar durch seine elektronis­chen Effekte, die er von der Mitte des Saales aus steuerte. Wörner bediente von der Bühne aus ein Ipad, das wiederum Befehle an die Elektronik in der Mitte gab. Die Kompositio­n hinterließ gerade wegen ihrer räumlich-auditiven Darbietung starke Eindrücke. Da konnte zumindest das Solostück „Transfigur­aciones“von Gitarrist und Komponist Marcelo Flores Lazcano nicht ganz mithalten. Es ließ den Zuhörer eher ratlos zurück – waren die unsauber angeschlag­enen Töne nun Absicht oder nicht? Mit ihrer Virtuositä­t beeindruck­te aber die Kontrabass­istin Yan Ruoxi, die „Geografia amorosa“von Steffano Scodanibbi­o aufführte: Die Klangmögli­chkeiten des Kontrabass­es wurden dabei bis zum Äußersten ausgereizt. Während der Bogen eine rhythmisch­e Figur auf den Korpus klopfte, musste die Greifhand auch zupfen und eine Melodie spielen. Alle möglichen Flageolett­Töne wurden auf dem größten der Saiteninst­rumente ebenfalls durchexerz­iert. Von daher wurde dem Publikum eine breite Palette der Neuen Musik dargeboten – das daran gewohnte Gehör nahm anschließe­nd den Beethoven ganz anders wahr.

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FOTO: KERSTIN KRÄMER Professor Frank Wörner hatte zu Beginn des Samstagabe­nds seinen Auftritt als Bass.

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