Ein emotionaler Sog aus Sprache und Musik
Im Saarbrücker Pingussonbau traf im Rahmen der Musikfestspiele Saar das Schaffen von Arnold Schönberg und Charles Ives aufeinander.
Donnerwetter, das hat gegroovt! Michael Rotschopf könnte glatt eine weitere Karriere als Rapper starten. Zusammen mit der Musik entfaltete das gesprochene Wort unter seiner Gestaltung eine fantastische rhythmische Wucht, gepaart mit einem emotionalen Sog. Man glaubt ihm gern, dass er sich mit diesem Text ein ganzes Jahr lang beschäftigte, um ihn wie ein Performer in den Körper zu kriegen. Aber wer als Schauspieler in Film und (Musik-)Theater Erfolge feiert und außerdem als junger Mann bereits unter namhaften Dirigenten im Arnold Schönberg Chor der Salzburger Festspiele gesungen hat, ist für eine solche Herausforderung natürlich bestens gewappnet: Schönbergs „Ode to Napoleon“markierte am Dienstag im Pingussonbau den Höhepunkt von „Ives meets Schönberg“im Rahmen der Musikfestspiele Saar.
Das Stück, von Schönberg 1942 als Reaktion auf den Kriegseintritt der USA komponiert, nach dem gleichnamigen Schmähgedichts Lord Byrons auf den Franzosenkaiser, war zugleich das mit Abstand jüngste Werk dieses mit Bravo-Rufen bedachten Abends in Kooperation mit der Hochschule für Musik Saar (HfM). Hier wurden zwei Komponisten miteinander in Verbindung gesetzt, die einander tatsächlich nie begegnet sind. Zumindest von dem 1933 nach Amerika emigrierten Österreicher Schönberg ist jedoch bekannt, dass er das Oeuvre seines amerikanischen Kollegen Charles Ives sehr schätzte. Beide eint nicht nur das Geburtsjahr 1874: Sie gelten jeweils als Erneuerer in ihrem Anspruch, Tradiertes zu überwinden und die Musik voranzubringen. Rotschopf ließ sie hier mit bezeichnenden Briefen und
anderen Selbstzeugnissen zu Wort kommen, eingebettet in kurze und überraschend kurzweilige, oft wie ein ironischer Kommentar zum Zeitgeschehen klingende Musik
stücke. Pianist Stefan Litwin, der die musikalische Leitung hatte und für das dramaturgisch straffe Gesamtkonzept verantwortlich zeichnete, hatte Kammermusik aus den Jah
ren 1894 bis 1921 ausgewählt, die eine Entwicklung hin zur Moderne und Überwindung der Tonalität illustrieren – ein ebenso erhellendes wie leicht konsumierbares
Repertoire. Bei Ives reichte das von dunkel verhangenen, innigen (Natur-)Impressionen bis zu fidelen Verarbeitungen amerikanischer Folklore, die einschlägig bekannte, triumphierende Motive des Western-Genres vorwegnehmen (etwa „In the Barn“).
Für Schönberg hingegen spannte sich ein Bogen von der Tradition verpflichteten Klavierstücken über die burlesk aufgekratzte, mit Walzertakten, Tier- und Schnarchlauten angereicherte „Eiserne Brigade“bis zur Serenade aus seinem wegweisenden Melodram „Pierrot Lunaire“.
Das junge Streicherensemble der HfM (Lisa Saterdag und Mari Alaff, Violine; Pau Vall Coromina, Viola), unterstützt von DRP-Cellist Mario Blaumer, spielte mustergültig, und auch die HfM-Gesangssolisten glänzten: Katharina Reimann (Mezzosopran) und Chanyang Choi (Bariton) gefielen mit anrührenden Liedbeiträgen, während insbesondere die Sopranistin Maria Sol Ingolfsdottir ein ausgesprochenes Talent fürs Komische bewies.
Insbesondere die Sopranistin Maria Sol Ingolfsdottir bewies ein ausgesprochenes Talent fürs Komische.