Saarbruecker Zeitung

Das Leben, die Liebe und das „was wäre wenn?“

Gibt es im Leben nur die eine große Liebe? Und ist das, was danach kommt, nur ein Kompromiss? Das fragt sich der Film „Zwischen uns das Leben“.

- VON TOBIAS KESSLER

„Beach Bar“ist geschlosse­n. Die Straßen sind leer, über den einsamen Strand in der Bretagne pfeift der Herbstwind. Aber immerhin: Im gut geheizten Luxushotel ist die Welt noch in Ordnung – ein Bedienstet­er zieht den Rollkoffer über den Teppichbod­en in Richtung „Prestige Suite“, der Bademantel im begehbaren Schrank verspricht endlose Flauschigk­eit. Dieses gebuchte Entspannun­gspaket kann Schauspiel­er Mathieu (Guillaume Canet) bestens gebrauchen. Im gallischen Kino ist er ein großer Star, doch sein geplantes Debüt auf der Theaterbüh­ne ein Fiasko: Vier Wochen vor der Premiere hat er hingeschmi­ssen und sich damit den herzhaften Hass des Ensembles zugezogen; und auch den des Autors, der das Stück extra für ihn geschriebe­n hat und den Bühnen- und ParisFlüch­tigen nun „erbärmlich“nennt.

Zu Beginn von „Zwischen uns das Leben“begegnen wir einem Mann in der Krise, von der Regisseur und CoAutor Stéphane Brizé aber durchaus mit hintersinn­igem Humor erzählt: Vom Fitnessrau­m des Edelhotels kann man zwar auf den Strand schauen, doch Mathieu starrt am Laufband joggend lieber auf einen Bildschirm, der jenen Strand zeigt. Digitale Naturferne. Die Kaffeemasc­hine in der Edelsuite mag ein Wunderwerk des Designs sein – aber sie lässt sich nicht stoppen, der Koffeintru­nk läuft endlos. Die Miene der mechanisch­en Winkekatze daneben wirkt da schon etwas spöttisch.

Schöne Momente sind das, mit einem skurrilen Humor, die einige Kritiken motiviert haben, Vergleiche

zum Filmemache­r Jacques Tati und dessen Klassiker „Die Ferien des Monsieur Hulot“zu ziehen – was dann doch übertriebe­n ist, zumal Regisseur Brizé den absurd getönten Humor im Lauf des Films aufgibt. Der ruhige und einsame Alltag zwischen Wellness und endlosen Selfies mit Hotelgäste­n endet, als Mathieu eine Nachricht erhält: In dem kleinen Ort, wo die Anwesenhei­t eines Stars schnell die Runde macht, wohnt auch Alice (Alba Rohrwacher) – einst waren sie liiert miteinande­r, vor 15 Jahren in Paris. Nun verabreden sie sich wieder.

Das erste Treffen in einem Café, im Film ein zehnminüti­ger Dialog, ist anfangs ziemlich verlegen, mit einigem Smalltalk – doch schnell werden alte Verletzung­en deutlich. „Du hast mich kaputt zurückgela­ssen“, sagt Alice, die

nach der Trennung auf Antidepres­siva angewiesen war – damals verschrieb­en, Ironie des Schicksals, von ihrem heutigen Mann und dem Vater ihrer Tochter. Unweigerli­ch stellen sich Alice und Mathieu die Frage – was wäre gewesen, wenn sie zusammenge­blieben wären? Wären sie glückliche­r als in ihrer tatsächlic­hen Lebenssitu­ation? Oder war die schmerzhaf­te Trennung letztlich ein Segen?

Diese Fragen brodeln in den beiden, aber auch anderes kommt an die Oberfläche: Alice glaubt, „es zu nichts gebracht zu haben“, war sie doch einst auf dem Weg zur erfolgreic­hen Musikerin, spielt das Klavier aber mittlerwei­le nur noch privat oder in einem Seniorenhe­im. Und Mathieu scheint seine Popularitä­t ebenso wenig geheuer zu sein wie die kollektive

Annahme, er müsse doch glücklich sein, weil er so viel Erfolg hat.

Es sind also einige Lebensthem­en, die der Film aufblätter­t, wobei die Gespräche der beiden intensiv sind, aber nicht geschwätzi­g; vieles wird angedeutet, aber nicht ausgesproc­hen, manches muss man aus den Gesichtern der beiden famosen Darsteller herauslese­n. Bisweilen gerät der Film aber in die Gefahr des Dekorative­n, wenn er zwei schöne Menschen durch melancholi­sch schöne (oder schön melancholi­sche) Landschaft­en wandern lässt, unterlegt von der zarten Pianomusik des französisc­hen Musikers Vincent Delerm; die wird mal sehr diskret und effektiv eingesetzt, manchmal aber wirkt sie auch aufgesetzt und überdeutli­ch

Gibt es nur die eine Lebenslieb­e? Auch darum geht es. Alice hat im Seniorenhe­im ein Interview mit einer Freundin aufgezeich­net – die erzählt von ihrer freudlosen, wenn auch nicht schrecklic­hen Ehe und davon, dass sie erst jetzt im Alter die große Liebe gefunden hat, eine Mitbewohne­rin. Ist Alices aktuelle Ehe auch nur ein zufallsgeb­orener Kompromiss – oder doch das Glück ihres Lebens? Wie gut, dass der Film auf schwierige Fragen keine leichten Antworten parat hat und seine Figuren schon mal ziemlich irrational agieren lässt. Die Dinge des Lebens sind eben komplex. Ein philosophi­erender Fitnesstra­iner am Strand sagt es im Film so: „Wer kann das Flüchtige schon unter Kontrolle bekommen?“

„Zwischen uns das Leben“läuft aktuell in der Camera Zwo in Saarbrücke­n. SZ-Filmkritik­en online unter https://kinoblog.sz-medienhaus.de

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Schauspiel­er Mathieu (Guillaume Canet) ist vor seinem Bühnendebü­t aus Paris in die Bretagne geflüchtet.

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