Neuer Kompass, neuer starker Mann
Ihre programmatische Erneuerung hat die Union auf ihrem dreitägigen Parteitag abgeschlossen – allerdings mit weniger Debatte als erwartet. Aber der inhaltliche Kompass, der vor der letzten Bundestagswahl abhandengekommen war, ist wiedergefunden mit dem neuen Grundsatzprogramm. Personell ist die Partei überdies nun so klar aufgestellt wie schon lange nicht mehr.
Oder anders: An Friedrich Merz geht aus Sicht der CDU kein Weg mehr vorbei in der Frage einer Kanzlerkandidatur. Selbst wenn sich Merz noch einen schweren Patzer erlauben sollte, tendiert die Bereitschaft in der Partei gen Null, die M-Frage noch einmal zu stellen. Nicht nach diesem Parteitag, nicht nachdem die Union das gezeigt hat, was sie am besten kann: Die Reihen in schwierigen Zeiten zu schließen. Das wissen jetzt auch die Ministerpräsidenten.
Merz hat dazu seinen Beitrag geleistet – anfänglich mag er die Aufgabe unterschätzt haben, mittlerweile ist er offenkundig im Amt des CDU-Vorsitzenden angekommen. Auch den eigenen Kompass hat er neu justiert. Weg vom impulsiven, hin zu mehr staatstragender Gelassenheit. Aber: Merz braucht auch die CSU. Und auf Markus Söder kann er halt nicht verlässlich bauen. Wäre dem so, hätte der CSU-Chef auf dem Konvent längst ein klares Votum für den Sauerländer abgeben müssen. Hat er jedoch nicht; der Bayer wartet den Ausgang der Landtagswahlen im Osten ab. So ist Söder.
Neben dem Parteichef ist in der CDU nun noch ein neuer starker Mann erwachsen: Generalsekretär Carsten Linnemann. Das vierte Grundsatzprogramm in der Geschichte der Union ist sozusagen sein Meisterstück. Nicht jeder hat ihm das zugetraut. Aber die Arbeitsteilung mit Merz funktioniert. Linnemann hat die Kärrnerarbeit geleistet und damit mehr als der Vorsitzende die Union aus der Merkel-Ära herausgeführt, sie wieder konservativer gemacht, vor allem aber verbindlicher. Das ist in den politisch turbulenten AmpelZeiten ein ziemliches Pfund.
Die Frage ist jetzt allerdings, was die Union daraus machen will – das Grundsatzprogramm ist das eine, die Umsetzung in die reale Politik das andere. Konzeptionell muss die CDU bis zur nächsten Bundestagswahl noch an vielen Stellen nachlegen, gerade bei drängenden Themen wie Rente, Staatsfinanzen oder die Sicherung der Sozialsysteme. In der Migrationspolitik hat sich die Partei bereits festgelegt durch das verankerte Drittstaaten-Prinzip. Damit stellt sich aber zugleich die wohl wichtigste Frage: Mit wem will die Union ihre Pläne im Bund am Ende angehen - und was bleibt davon dann noch? Das Grundsatzprogramm jedenfalls betont klar die Eigenständigkeit der CDU.
Markus Söder etwa treibt die Union mit seiner deutlichen Absage an Schwarz-Grün vor sich her; auch bei Merz ist die Abneigung gegenüber den Grünen groß, gerade weil er dies aus vielen Landesverbänden gespiegelt bekommt. Auf der anderen Seite scheint es dadurch eine Sehnsucht nach einer neuen GroKo zu geben. Die Koalitionsfrage stellt sich noch nicht, heißt es aus der Parteiführung. Das Gegenteil ist aber der Fall. Sie wird bereits gestellt. Und durch das neue Grundsatzprogramm allemal.