Ein Frisch-Drama frisch aufgelegt
Die deutschsprachige Theatergruppe Thunis hat Max Frischs Drama „Biedermann und die Brandstifter“auf die Bühne der Saar-Uni gebracht.
Praktisch, wenn ein Stück dramaturgisch nicht fixiert ist und in beliebigem Kontext aufgeführt werden kann. Gut, wenn's dann auch noch wirklich zeitlos brisant ist und mit seiner Thematik vom bourgeoisen Opportunismus, der das Demokratie-zersetzende Werk extremistischer Kräfte begünstigt, bestens in die Gegenwart passt: In Max Frischs Drama „Biedermann und die Brandstifter“handelt die Titelfigur aus Feigheit, Dummheit und Verblendung und erleidet deswegen ein vermeidbares Schicksal – keine tragische Figur also, sondern ein bequemer
Mitläufer. Und weil dieser Prototyp trotz aller Erkenntnisse, die man aus der Historie ziehen könnte, wohl nie ausstirbt, trägt die Farce den Untertitel „Ein Lehrstück ohne Lehre“.
Thunis, die deutschsprachige Theatergruppe der Universität des Saarlandes, bringt dieses repräsentative Werk der Schweizer Nachkriegsliteratur nun sprachlich aufgefrischt auf die Bühne des Theatersaals der Mensa. Dem täte eine Modernisierung ebenfalls gut, andererseits passt das muffige Ambiente gut zu den hier porträtierten Spießern – obwohl Biedermanns Gattin mit Nachdruck behauptet, genau das nicht zu sein. Während er selbst auf seine Privilegien als freier Bürger pocht, der einfach nur in Ruhe und Frieden leben möchte: „Ich habe das Recht, meine Herren, überhaupt nichts zu denken.“Die adressierten Herren sind der Chor; ein Überbleibsel des antiken Theaters, auf das Regisseur Magnus Cunow wegen der Bedeutung fürs Erzählerische und Appellative nicht verzichten mag. Diese anonyme Menge repräsentiert eine Bürgerwache; bei Frisch sind es Feuerwehrmänner, bei Thunis eine nicht näher definierte Notfall-Truppe in weißen Hygieneoveralls – die Pandemie lässt grüßen.
Apropos: Aus selbiger ist Thunis erstaunlich verstärkt hervorgegangen. Die Zahl von rund 50 aktiven Mitgliedern etlicher Studiengänge, darunter auffallend viele Informatiker, wie Cunow selbst, ist rekordverdächtig. Um allen gerecht zu werden, haut Thunis, in Unterensembles aufgesplittet, in diesem Jahr drei Produktionen raus, noch dazu ganz unterschiedliche: Vor einer Woche erst feierte die Komödie „Ladies Night“Premiere; jetzt wird gezündelt, und im Juni steht mit „Männlichkeit macht Mann“etwas Performatives auf dem Spielplan.
Worum geht's konkret in Frischs makaberer Burleske? Der wohlhabende Fabrikant Gottlieb Biedermann und seine Frau nehmen zwei „Brandstifter“in ihrem Haus auf, obwohl die beiden von Anfang an erkennen lassen, dass sie es abfackeln werden. Zunächst ist es nur
„Ich habe das Stück vor Jahren gesehen und alles geliebt, den Text, die Inszenierung.“Magnus Cunow Regisseur
ein obdachloser Hausierer, der um Unterschlupf bittet und sich mit perfiden Methoden das Vertrauen seiner Gastgeber erschleicht: Den nicht gerade barmherzigen Hausherrn lobt er für dessen konservativen moralischen Kompass, die Ehefrau macht er sich durch Einflößung eines schlechten Gewissens gefügig.
Bald rückt sein Kumpan nach, und schwupps stapeln sich Benzinfässer auf dem Dachboden. Biedermann lässt sie gewähren, um kein Aufsehen zu erregen – obwohl sich längst eine Bürgerwache formiert hat, weil
ständig Häuser in Flammen aufgehen. Doch auch diese Eingreiftruppe verhält sich ambivalent: Einerseits ist sie alarmiert, andererseits beschwichtigt sie jeglichen Verdacht mit dem bezeichnenden Satz „Viel sieht, wo nichts ist, der Ängstliche.“
„Ich habe das Stück vor Jahren gesehen und alles geliebt, den Text, die Inszenierung“, schwärmt Regisseur Magnus Cunow. Er verkörpert auch die Rolle der Witwe Knechtling: Ihr Gatte, ein Angestellter Biedermanns, beging Selbstmord, weil ihm sein Chef jegliche Hilfe verweigert hatte.
Die Kulturmanagerin Nikita Nagel, die im vergangenen Jahr Maxim Gorkis „Sommergäste“inszenierte, assistiert Cunow und stemmt außerdem die anspruchsvolle Hauptrolle. Eine echte Herausforderung war auch die Choreografie des synchron agierenden Chors; diese Einstudierung übernahm Isi Heinrich, die mit derlei Erfahrung hat. Und auch der Theatersaal selbst mit seiner eher dürftigen technischen Ausstattung wollte bewältigt werden. Denn seine Inszenierung, erzählt Cunow, setze auf „Geräusche, Bilder und Töne“; sie lebt zudem von Projektionen an die Seitenwände – die Beamer dafür mussten eigens gekauft beziehungsweise ausgeliehen werden. Und weil sich obendrein die Brandschutzbestimmungen verschärft hätten, erzählt Nagel lachend, dürfe absolut nichts Feuergefährliches im Raum sein. Ausgerechnet!
Premiere: Heute, Freitag, 19 Uhr, Theatersaal der Mensa/Unicampus. Wieder: Sonntag, 12. Mai, 18 Uhr und Donnerstag, 16. Mai, 18.30 Uhr. Karten: www. thunis.eu oder Abendkasse.