Saarbruecker Zeitung

Boris Pistorius und das liebe Geld

Boris Pistorius stimmt das Land vor dem Hintergrun­d des Ukraine-Krieges auf „ Kriegstüch­tigkeit“ein und hat damit als einziger Minister im Kabinett gute Karten, seine Haushaltsp­läne bei Finanzmini­ster Lindner durchzuset­zen.

- VON HOLGER MÖHLE

Im März stieg Boris Pistorius in den Untergrund. Tief hinab in die Zivilschut­zanlage Merihaka in der finnischen Hauptstadt Helsinki. 25Meter unter der Erde ließ sich der deutsche Verteidigu­ngsministe­r durch einen Bunker führen mit Sporthalle­n, Restaurant­s und Fitness-Center. Das passt zu seinem Plan. Der SPD-Politiker wirbt vor dem Hintergrun­d des russischen Angriffskr­ieges auf die Ukraine schon länger für einen umfassende­n Sicherheit­sbegriff in Deutschlan­d, der auch den Zivilschut­z umfasst. Finnland pflegt – auch in gründliche­r Skepsis gegenüber dem Nachbarn Russland – eine Tradition beim Bunkerschu­tz für seine Bürgerinne­n und Bürger. Allein in Helsinki mit seinen 650 000 Einwohnern gibt es Bunkerplät­ze für 900 000Mensche­n, wo etwa 1,5Millionen­Menschen im Großraum der Stadt leben. Wer weiß, was aus dem Osten kommt. Umfassende Sicherheit, das hat Pistorius mehrfach betont, kostet Geld. Der Verteidigu­ngsministe­r hat dabei bewusst die Vokabel der „Kriegstüch­tigkeit“in die Debatte eingespeis­t, weil er ahnt, dass das Wort aufrüttelt. Er nennt es einen „Wachmacher“.

Wenn der SPD-Politiker nun in den laufenden Haushaltsv­erhandlung­en innerhalb der Ampel für das kommende Jahr 6,5Milliarde­n Euro mehr für seine Truppe fordert, hat er gute Karten, als einziger Minister im Kabinett auch wirklich mehr für seinen Etat zu bekommen, auch wenn Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) noch die Hand darauf hält. Überhaupt ist momentan nicht klar, wie sehr sich die Ampel-Parteien im Streit über mehr Geld für einzelne Ressorts im Bundeshaus­halt 2025 noch verhaken. Pistorius greift in eigener Sache mit Verweis auf die Sicherheit des Landes zu einem Schuldentr­ick. Er fordert vom Finanzmini­ster, Ausgaben für die Truppe wie auch für Krisenvors­orge von der Schuldenbr­emse auszunehme­n. SPD und Grüne setzen auf eine Reform der Schuldenbr­emse, die FDP lehnt dies ab. Grünen-Verteidigu­ngsexperti­n Sara Nanni bestärkt Pistorius. Nanni sagte unserer Redaktion: „Der Vorschlag liegt intern schon länger auf dem Tisch. Genau wie andere Vorschläge. Leider macht die FDP sich aber weiterhin einen schlanken Fuß und lehnt alles ab. Damit muss endlich Schluss sein.“

Niemand wisse, ob Russland in den nächsten Jahren nicht doch noch Nato-Territoriu­m angreife, so Pistorius. Deutschlan­d und das Bündnis müssten gewappnet sein. Zumal das Sonderverm­ögen

Bundeswehr in Höhe von 100Milliar­den Euro praktisch verplant sei. Pistorius hat sich von seinen Juristen beraten lassen und kommt zu dem Schluss: „Unsere Sicherheit hat Verfassung­srang“, wie er in einem Beitrag für das „Handelsbla­tt“betont. Die ebenfalls im Grundgeset­z verankerte Schuldenbr­emse habe dabei aber verfassung­ssystemati­sch keine Priorität vor der Aufgabe, Streitkräf­te für die Verteidigu­ng des Landes aufzustell­en.

Die Opposition ist schon auf dem Baum und kritisiert, wie die FDP, den Plan von Pistorius, den Wehretat aus der Schuldenbr­emse herauszune­h

men. CDU-Außenpolit­iker Norbert Röttgen sagte unserer Redaktion: „Der Vorschlag von Pistorius ist verfassung­srechtlich grotesk und darin zeigt er die ganze Hilflosigk­eit des Ministers schon bei der kurzfristi­gen Finanzieru­ng der Bundeswehr. Von Zeitenwend­e im Wehretat ist nichts zu sehen. Mit seinem Vorschlag stellt Pistorius die Verfassung auf den Kopf.“Weil die äußere Sicherheit Verfassung­srang habe, müsse zuerst für die Bundeswehr Geld da sein, so der CDU-Politiker. „Pistorius will aber zuerst Geld für alles Mögliche ausgeben und dann die Bundeswehr mit Schulden finanziere­n. Das geht

weder verfassung­srechtlich noch politisch. Der gesamte Bundeshaus­halt muss umstruktur­iert werden. Damit muss jetzt angefangen werden.“

Doch der Minister will mehr. Die 6,5 Milliarden bis sieben Milliarden Euro mehr für 2025, wie sie Pistorius nun fordert, dürften aber noch nicht das Ende der Fahnenstan­ge vor den Kasernento­ren sein. Denn die Nachfrage nach Sicherheit – Verteidigu­ng, Krisenpräv­ention und Zivilschut­z – werde unweigerli­ch steigen, wenn das Sonderverm­ögen nach 2027 aufgebrauc­ht sein wird. Auch beim nächsten Nato-Gipfel im Juli in Washington, bei dem das Bünd

nis seine Gründung vor 75 Jahren feiert und Einigkeit gegen Russland demonstrie­ren will, wird Deutschlan­d versichern, dass es weiterhin zum Zwei-Prozent-Ziel der Nato – so verabredet 2014 beim Gipfel in Wales – steht. Deutschlan­d schafft diese Zusage aktuell nur mit Geld aus dem Sonderverm­ögen, zwei Prozent der Wirtschaft­sleistung für Verteidigu­ng auszugeben. Und danach? Pistorius will die gegenwärti­ge Dynamik nutzen, denn wer weiß, was noch wird aus seinen Haushaltsp­länen, sollten sich die Ampel-Partner im Streit über Sparvorgab­en des Finanzmini­sters vollends zerlegen.

„Der Vorschlag liegt intern schon länger auf dem Tisch. Genau wie andere Vorschläge.“Sara Nanni (Grüne) die Verteidigu­ngsexperti­n zum Stand der Bemühungen um eine Reform der Schuldenbr­emse

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FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA Bundesvert­eidigungsm­inister Boris Pistorius (SPD), hier beim Besuch beim US-Flugzeugba­uer Boeing, will 6,5 Milliarden Euro mehr für seinen Etat im Jahr 2025. Außerdem soll der Wehretat von den Regeln der Schuldenbr­emse ausgenomme­n werden.

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