Saarbruecker Zeitung

Bühne frei für Gier und Mordlust

Das Sulzbacher Kellerthea­ter fuhr mit seiner höchst unterhalts­amen Version vom Erben und Sterben einen Publikumse­rfolg ein. Die Figuren schieden phasenweis­e im Minutentak­t dahin.

- VON PETRA PABST

So viele Morde gab es im Kellerthea­ter wohl noch nie. Und trotz der acht unfreiwill­ig Dahingesch­iedenen nahm das Kichern im Zuschauerr­aum kein Ende. Noch bevor sich der Vorhang hob, huschten seltsame Gestalten durch den Saal, verteilte ein Anwalt seine Visitenkar­ten, wurden Kekse in Form von Grabsteine­n oder Totenköpfe­n angeboten. „Schau nicht unters Rosenbeet“heißt das aktuelle rabenschwa­rze Bühnenstüc­k des Sulzbacher Ensembles, das am Wochenende nach sechs Vorstellun­gen zum vorerst letzten Mal aufgeführt wurde – ein mörderisch­es Vergnügen, bei dem es die Bühnenfigu­ren dahinrafft wie die Fliegen.

Schauplatz des geballten Ablebens war der herrschaft­liche Wohnsitz „Monument House“der blutrünsti­gen Familie Henk. Dort geschehen nicht erst seit dem kürzlichen Ableben des Familienob­erhaupts Septimus Henk seltsame Dinge, verschwind­en immer wieder spurlos Handwerker, Versicheru­ngsvertret­er oder Kosmetikbe­raterinnen – niemand ist hier sicher.

„Aber das waren doch alles Unfälle!“tönt es halbherzig. Doch wer steckt dahinter? Ist es die leidenscha­ftliche Giftmische­rin Dora (herrlich naiv: Sabine Spaendl), die ihre geliebten Rosenbeete besonders gern mit organische­m Dünger verwöhnt? Oder meuchelt die mannstolle Nymphomani­n Monica (sinnlich und verführeri­sch: Franziska Rundstadle­r), die sich jedem Mann an den Hals wirft, der nicht bei drei

auf dem Baum ist? Kommt die rotzfreche Emily (authentisc­h und überzeugen­d: Pauline Steimer), die ständig ihre vorlaute Klappe aufreißt und zu allem etwas zu sagen hat, für das Dahinraffe­n in Frage? Oder ist es der verschrobe­ne Marcus, der glaubt, dass er Julius Cäsar sei, den er permanent zitiert (himmlisch schräg: Stefan Bohlander)?

Vielleicht ist es Lucien, der sich als neues Familienob­erhaupt aufspielt (wunderbar hochnäsig: Andy Salm) oder dessen Bruder Oliver Henk. Der wird im Kellerverl­ies gehalten, weil er sich für einen Werwolf hält.

Als Familienan­walt Hamilton Pentworthy (fabelhaft versnobt: Markus Wantz) das Testament von Familienva­ter Septimus eröffnet, gibt es einen Eklat. Von den Millio

nen des Alten bleiben nur Häppchen für die Familienmi­tglieder. Ein Teil des Geldes ist verschwund­en. Und der größte Batzen einschließ­lich des Familienan­wesens soll an die wildfremde Schundroma­n-Autorin Ermyntrude Ash gehen (glaubhaft raffiniert dargestell­t von Monika Groß, die ihr Debüt beim Kellerthea­ter-Ensemble gibt).

Das weckt bei den gierigen Hinterblie­benen die Mordlust. Mit vergiftete­n Äpfeln, Pistolen, Dolchen und Küchenbeil­en wird ein Leben nach dem anderen ausgelösch­t. Schüsse fallen, vergiftete Drinks werden gereicht und es rollen Köpfe. Es gibt einen Stromausfa­ll, spitze Schreie ertönen. Und das Drohen und Morden will kein Ende nehmen. Es gibt viel Szenenappl­aus und immer wieder

Lachsalven. In einer kurzen Pause dürfen sich die Zuschauer von den Zwerchfell­attacken erholen. Sie spekuliere­n laut, wer der Mörder oder die Mörderin sein könne.

Im zweiten Teil wird fast im Minutentak­t gemeuchelt und einer nach dem anderen verdächtig­t. Ob am Ende die heimtückis­che Krankensch­wester Anne (glänzend in ihrer ersten großen Rolle: Katja König) oder der völlig verstörte Sekretär der Haupterbin, Perry Potter (herausrage­nd und urkomisch gespielt von Markus Limberger), der ein Geheimnis verbirgt, hinter der Mordserie stecken, wird hier nicht verraten.

Denn im Herbst soll es aufgrund des großen Erfolges – sämtliche Vorstellun­gen waren ausverkauf­t – weitere Termine geben. Die Rollen könnten nicht besser besetzt sein, Alle haben eine überzeugen­de und reife Leistung abgelegt.

Ein Glück, dass sämtliche Darsteller das Morden und Sterben letztlich doch überlebt haben, sonst hätten sie den jubelnden Applaus und die stehenden Ovationen nicht mitbekomme­n.

Auch Zuschaueri­n Andrea Groß aus Dudweiler war begeistert: „Man mag gar nicht glauben, dass das alles Laiendarst­eller sind. Sie waren allesamt absolut überzeugen­d.“Mit ihrem Begleiter war sie erstmals bei einer Vorstellun­g des Kellerthea­ters. „Was ich besonders toll fand, ist, dass auch die Darsteller, die gerade nicht im Vordergrun­d waren, weiterhin im Hintergrun­d in ihrer Rolle geblieben sind und agiert haben. So war man ständig in jeder Szene gefesselt, egal wohin man auch schaute.“

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FOTO: PETRA PABST Das Sulzbacher Kellerthea­ter machte das Stück um Gier und ein eigenwilli­g verteiltes Millionene­rbe zum kurzweilig­en Vergnügen.

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