Bühne frei für Gier und Mordlust
Das Sulzbacher Kellertheater fuhr mit seiner höchst unterhaltsamen Version vom Erben und Sterben einen Publikumserfolg ein. Die Figuren schieden phasenweise im Minutentakt dahin.
So viele Morde gab es im Kellertheater wohl noch nie. Und trotz der acht unfreiwillig Dahingeschiedenen nahm das Kichern im Zuschauerraum kein Ende. Noch bevor sich der Vorhang hob, huschten seltsame Gestalten durch den Saal, verteilte ein Anwalt seine Visitenkarten, wurden Kekse in Form von Grabsteinen oder Totenköpfen angeboten. „Schau nicht unters Rosenbeet“heißt das aktuelle rabenschwarze Bühnenstück des Sulzbacher Ensembles, das am Wochenende nach sechs Vorstellungen zum vorerst letzten Mal aufgeführt wurde – ein mörderisches Vergnügen, bei dem es die Bühnenfiguren dahinrafft wie die Fliegen.
Schauplatz des geballten Ablebens war der herrschaftliche Wohnsitz „Monument House“der blutrünstigen Familie Henk. Dort geschehen nicht erst seit dem kürzlichen Ableben des Familienoberhaupts Septimus Henk seltsame Dinge, verschwinden immer wieder spurlos Handwerker, Versicherungsvertreter oder Kosmetikberaterinnen – niemand ist hier sicher.
„Aber das waren doch alles Unfälle!“tönt es halbherzig. Doch wer steckt dahinter? Ist es die leidenschaftliche Giftmischerin Dora (herrlich naiv: Sabine Spaendl), die ihre geliebten Rosenbeete besonders gern mit organischem Dünger verwöhnt? Oder meuchelt die mannstolle Nymphomanin Monica (sinnlich und verführerisch: Franziska Rundstadler), die sich jedem Mann an den Hals wirft, der nicht bei drei
auf dem Baum ist? Kommt die rotzfreche Emily (authentisch und überzeugend: Pauline Steimer), die ständig ihre vorlaute Klappe aufreißt und zu allem etwas zu sagen hat, für das Dahinraffen in Frage? Oder ist es der verschrobene Marcus, der glaubt, dass er Julius Cäsar sei, den er permanent zitiert (himmlisch schräg: Stefan Bohlander)?
Vielleicht ist es Lucien, der sich als neues Familienoberhaupt aufspielt (wunderbar hochnäsig: Andy Salm) oder dessen Bruder Oliver Henk. Der wird im Kellerverlies gehalten, weil er sich für einen Werwolf hält.
Als Familienanwalt Hamilton Pentworthy (fabelhaft versnobt: Markus Wantz) das Testament von Familienvater Septimus eröffnet, gibt es einen Eklat. Von den Millio
nen des Alten bleiben nur Häppchen für die Familienmitglieder. Ein Teil des Geldes ist verschwunden. Und der größte Batzen einschließlich des Familienanwesens soll an die wildfremde Schundroman-Autorin Ermyntrude Ash gehen (glaubhaft raffiniert dargestellt von Monika Groß, die ihr Debüt beim Kellertheater-Ensemble gibt).
Das weckt bei den gierigen Hinterbliebenen die Mordlust. Mit vergifteten Äpfeln, Pistolen, Dolchen und Küchenbeilen wird ein Leben nach dem anderen ausgelöscht. Schüsse fallen, vergiftete Drinks werden gereicht und es rollen Köpfe. Es gibt einen Stromausfall, spitze Schreie ertönen. Und das Drohen und Morden will kein Ende nehmen. Es gibt viel Szenenapplaus und immer wieder
Lachsalven. In einer kurzen Pause dürfen sich die Zuschauer von den Zwerchfellattacken erholen. Sie spekulieren laut, wer der Mörder oder die Mörderin sein könne.
Im zweiten Teil wird fast im Minutentakt gemeuchelt und einer nach dem anderen verdächtigt. Ob am Ende die heimtückische Krankenschwester Anne (glänzend in ihrer ersten großen Rolle: Katja König) oder der völlig verstörte Sekretär der Haupterbin, Perry Potter (herausragend und urkomisch gespielt von Markus Limberger), der ein Geheimnis verbirgt, hinter der Mordserie stecken, wird hier nicht verraten.
Denn im Herbst soll es aufgrund des großen Erfolges – sämtliche Vorstellungen waren ausverkauft – weitere Termine geben. Die Rollen könnten nicht besser besetzt sein, Alle haben eine überzeugende und reife Leistung abgelegt.
Ein Glück, dass sämtliche Darsteller das Morden und Sterben letztlich doch überlebt haben, sonst hätten sie den jubelnden Applaus und die stehenden Ovationen nicht mitbekommen.
Auch Zuschauerin Andrea Groß aus Dudweiler war begeistert: „Man mag gar nicht glauben, dass das alles Laiendarsteller sind. Sie waren allesamt absolut überzeugend.“Mit ihrem Begleiter war sie erstmals bei einer Vorstellung des Kellertheaters. „Was ich besonders toll fand, ist, dass auch die Darsteller, die gerade nicht im Vordergrund waren, weiterhin im Hintergrund in ihrer Rolle geblieben sind und agiert haben. So war man ständig in jeder Szene gefesselt, egal wohin man auch schaute.“