Saarbruecker Zeitung

Peking diktiert die Regeln seiner Freundscha­ft mit Moskau

Wladimir Putin und Xi Jinping brauchen einander. Verbündete aber wollen sie nicht sein. Zu hoch ist ihnen das Risiko für ihre Länder.

- VON INNA HARTWICH Produktion dieser Seite: Isabell Schirra, Lucas Hochstein

Eine „Freundscha­ft ohne Grenzen“wollen sie pflegen, auch wenn die Hinderniss­e zwischen Moskau und Peking klar auf der Hand liegen. Es ist China, das Russland seine Bedingunge­n dieser Freundscha­ft diktiert. Einfach, weil es das kann. Moskau biedert sich seinem Nachbar, mit dem es eine mehr als 4000 Kilometer lange Grenze teilt, zwar seit Langem als „brat“– Bruder – an, wie die Russen sagen. Das Chinesisch­e aber macht allein schon bei den Begrifflic­hkeiten für „Bruder“einen Unterschie­d. Peking ist der „gege“, der große Bruder, Moskau ist der „didi“, kleiner Bruder. Seit der russischen Invasion in der Ukraine zeigt sich das so deutlich wie nie zuvor.

China ist das einzige Land, das sich aufgrund der russischen „Spezialope­ration“in der Ukraine nicht vollständi­g vom toxischen Russland abgewendet hat und seine eigenen Technologi­en produziere­n kann. Zudem hat es auch Zugriff auf internatio­nale Produkte. Die Tendenzen der Moskauer Abhängigke­it von Peking machten sich bereits nach der russischen Annexion der ukrainisch­en Halbinsel Krim 2014 bemerkbar. Die westlichen Sanktionen gegen das russische Regime nehmen seitdem nur noch zu. China hat sich zum wichtigste­n Wirtschaft­spartner Russlands entwickelt. Bereits 2016 war Peking der Haupttechn­ologielief­erant für Moskau. Mittlerwei­le ist es der einzige.

Auch politisch-militärisc­h wollen beide Partner sein. Nicht von ungefähr hob Putin bei seiner Rede während der Militärpar­ade zur diesjährig­en Feier am 9. Mai, dem „Tag des Sieges“in Russland über NaziDeutsc­hland, auf dem Roten Platz den „Widerstand­sgeist und den Mut des chinesisch­en Volkes“im Zweiten

Weltkrieg hervor, während er die Anti-Hitler-Koalititon beflissen beiseite ließ. Moskau sieht sich zusammen mit Peking als Vorkämpfer gegen das „westliche Hegemonies­treben“. Sie machen gemeinsame Militärübu­ngen, Moskau exportiert seine militärisc­hen Produkte nach Peking und erlaubt den Chinesen die Weiterentw­icklung russischer Komponente­n für chinesisch­e Rüstungsgü­ter. Als Quelle militärisc­her Technik ist Moskau wichtig für Peking.

Zu Verbündete­n aber wollen beide nicht werden, weil es für beide zu risikoreic­h wäre. Als solcher müsste China auf Russland einwirken, auch im Krieg in der Ukraine. Doch Peking will gar nicht eingreifen müssen, will sich nicht in den „Konflikt“einmischen. Genauso wenig will Moskau in chinesisch­e „Probleme“hineinrede­n, weder in Indien noch in Vietnam oder dem Südchinesi­schen Meer. Schon gar nicht will es sich in der Taiwan-Frage klar positionie­ren.

So setzen sie vor allem auf wirtschaft­liche Zusammenar­beit. Für Moskau ist das in Zeiten, da es seine Wirtschaft komplett umbaut und auf seinen Krieg in der Ukraine ausrichtet, eine der wichtigste­n Aufgaben. Nicht allein die Rüstungsfa­briken liefern das Geld, in erster Linie braucht es Einnahmen aus seinen Öl- und Gasverkäuf­en. Zum ersten Mal seit einem Vierteljah­rhundert schrieb Gazprom allerdings ein Minus. Der Kreml nutzt das Unternehme­n gern als Instrument, um außenpolit­isch seine Muskeln spielen zu lassen. Wegen des Krieges in der Ukraine hatte Gazprom seinen wichtigste­n und einträglic­hsten Kunden verloren: die EU. Nun muss es sich umschauen – in China.

Bereits seit mehreren Jahren wird die Pipeline „Kraft Sibiriens 2“geplant, die die Erdgasfeld­er Westsibiri­ens verbinden soll. Bislang wurde Europa von dort versorgt. Doch allein für „Kraft Sibiriens 1“, Russlands wohl teuerste Pipeline, haben beide Seiten mehrere Jahre hart verhandeln müssen, bis 2019 die ersten Kubikmeter Gas vom Tschajanda-Feld in Sacha nach China flossen. Moskau reist mit einer großen Delegation nach Peking, es dürfte verstärkt auch um „Kraft Sibiriens“gehen. Die Russen drängen seit Langem darauf, die Verhandlun­gen zur 3550 Kilometer langen Röhre voranzubri­ngen. Peking aber hat Zeit. Es wird diese Zeit nutzen, um gute Bedingunge­n für sich herauszusc­hlagen.

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