Saarbruecker Zeitung

Heil und Paus wehren sich gegen Einschnitt­e

In Sitzungswo­chen müssen Regierungs­mitglieder dem Parlament Rede und Antwort stehen. Diesmal geht es um wichtige Sozialrefo­rmen. Bei der Befragung im Bundestag sprechen Hubertus Heil und Lisa Paus über ihre Vorhaben. Es geht aber auch um den Mindestloh­nvo

- VON MEY DUDIN UND BIRGIT MARSCHALL

„Ich mache keine Plakate“, antwortet Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) am Mittwoch, als ihm eine CDU-Abgeordnet­e eine Frage zum kommenden Wahlkampf stellt. Mareike Wulf wollte wissen, ob er ausschließ­en könne, „dass im nächsten Bundestags­wahlkampf auf den Plakaten der SPD eine Forderung nach 13, 14, 15, 16 Euro Mindestloh­n steht“. Er schließe gar nichts aus, so Heil, der auch stellvertr­etender SPDVorsitz­ender ist. Er betont zugleich: „Wir wollen nicht erst im Bundestags­wahlkampf über 14, 15 Euro Mindestloh­n reden. Wir wollen, dass die Mindestloh­nkommissio­n ihren Job macht.“Der Mindestloh­n stehe den Menschen schließlic­h zu.

Bei der Regierungs­befragung im Bundestag stehen große Sozialvorh­aben der Ampelkoali­tion im Mittelpunk­t. Und weil Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) gerade in einem Interview einen Mindestloh­n von 15 Euro in der Stunde gefordert hat, muss Heil auch dazu Rede und Antwort stehen. Er stellt sich mit deutlichen Worten hinter diese jüngste Interventi­on des Kanzlers. Es sei richtig, dass Scholz die Mindestloh­nkommissio­n aufgeforde­rt habe, bei ihrer nächsten Entscheidu­ng in der ersten Hälfte 2025 eine deutliche Erhöhung des Mindestloh­ns vorzusehen. „Ganz klar ist, dass das noch in dieser Legislatur­periode ein Thema ist“, sagt Heil. Wie Scholz kritisiert auch der Minister die letzte Entscheidu­ng der Kommission, die nur zu geringen Anstiegen geführt hatte.

Nachdem die Bundesregi­erung den Mindestloh­n per Gesetz zum 1. Oktober 2022 von damals 10,45 Euro auf zwölf Euro angehoben hatte, hat die Kommission ihn zum 1. Januar 2024 nur auf 12,41 erhöht. Anfang 2025 soll er auf 12,82 Euro steigen – damit zeigten sich SPD, Grüne, Linke und Gewerkscha­ften höchst unzufriede­n. Nach ihrer Lesart hatten die Arbeitgebe­r den geringen Anstieg gegen den Willen der Gewerkscha­ftsseite mithilfe der Kommission­svorsitzen­den durchgeset­zt. Dass die Kommission das letzte Mal nicht einstimmig entschiede­n habe, habe das Vertrauen in sie erschütter­t, sagt Heil nun. Er macht allerdings klar, dass die SPD nicht erneut gesetzlich eingreifen wolle, sondern die Kommission lediglich nachdrückl­ich auffordert, den Mindestloh­n das nächste Mal – also mit Wirkung Anfang 2026 – deutlicher zu erhöhen. Union und auch FDP haben die Kanzler-Interventi­on zuvor scharf kritisiert.

Heil lehnt im Bundestag auch die von der FDP geforderte Abschaffun­g der abschlagsf­reien Rente nach 45 Versicheru­ngsjahren („Rente mit 63“) ab. Er sei überdies gemeinsam mit Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) „gewillt“, das Rentenpake­t II mit der Stabilisie­rung des Rentennive­aus bei 48 Prozent „noch im Mai“unveränder­t ins Kabinett zu bringen. Lindner hatte den Kabinettsb­eschluss vorerst blockiert, um seine harte Linie im Haushaltss­treit gegen die SPD durchzuset­zen.

Beim Bürgergeld zeigt Heil ebenfalls wenig Bereitscha­ft für Veränderun­gen. Abgeordnet­e von Union und AfD stellen die letzte Bürgergeld­Reform infrage, weil sie den Anreiz zur Arbeitsauf­nahme verschlech­tert habe. Heil verneint dies und verwies auf eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung (IAB) der Bundesagen­tur für Arbeit (BA), wonach zuletzt weniger Arbeitslos­e ins Bürgergeld gewechselt sind. Zuvor hatte allerdings eine andere IAB-Studie deutlich gemacht, dass weniger Bürgergeld-Bezieher seit dessen Einführung einen Job aufgenomme­n haben. „Arbeit macht einen Unterschie­d“, sagt Heil. Seit 2015 sei der Mindestloh­n stärker gestiegen als die soziale Grund

sicherung. Und Anfang 2025 werde es voraussich­tlich eine Nullrunde für Bürgergeld-Bezieher geben.

Beim umstritten­en Prestige-Projekt der Grünen, der Kindergrun­dsicherung, hält sich Bundesfami­lienminist­erin Lisa Paus (Grüne), die neben Heil Fragen der Abgeordnet­en beantworte­n muss, zunächst auffällig zurück. Bei ihren Eingangswo­rten sagt sie dazu lediglich: „Ich bin sehr zuversicht­lich, dass auch die Kinder

grundsiche­rung sich im parlamenta­rischen Verfahren durchsetze­n wird.“Das Vorhaben kommt seit Monaten im Bundestag nicht voran. Gegenwind gibt es insbesonde­re von der FDP.

Der Streit darüber beschert derweil dem Kinderzusc­hlag für einkommens­schwache Familien deutlich mehr Aufmerksam­keit. Der Bundesagen­tur für Arbeit zufolge wurde der sogenannte KiZ-Lotse, ein Online

Tool auf der BA-Webseite, das individuel­l den möglichen Anspruch auf den Zuschlag prüft, allein im März rund 414 000Mal aufgerufen – etwa 106 000Mal häufiger als noch im März 2023. Eine Sprecherin sagt unserer Redaktion, „dass die immer wieder aufkommend­e und teilweise anhaltende Medienpräs­enz der Familienle­istungsthe­men sowie der politische­n Debatten für mehr Aufmerksam­keit sorgt“.

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FOTO: IMAGO In der Befragung von Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) drehte sich viel um den Mindestloh­n: Der Vorstoß von Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD), den Mindestloh­n auf 15 Euro anzuheben, stieß auf Kritik von Union und FDP.
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FOTO: IMAGO/JULIANE SONNTAG Familienmi­nisterin Lisa Paus (Grüne) sprach über die geplante Kindergrun­dsicherung.

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