Saarbruecker Zeitung

Püttlingen muss „Gnadengesu­ch“stellen

Ausgeglich­ener Haushalt in weiter Ferne: Die Stadt verstößt – gezwungene­rmaßen – gegen das Saarlandpa­ktgesetz.

- VON MARCO REUTHER

Die Stadt Püttlingen ist jetzt eine „Notlagenko­mmune“. Immerhin eine positive Sache kann man dem Püttlinger Haushalt 2024 abgewinnen: Die im Stadtrat verblieben­en Parteien zeigten sich am Dienstagab­end in schwierige­n Zeiten und trotz anstehende­r Kommunalwa­hlen geschlosse­n und verabschie­deten den Haushalt einstimmig. Schon im Vorfeld waren einmütig vier Änderungsv­orschläge der CDU eingearbei­tet worden.

Was allerdings die Püttlinger Finanzen selbst betrifft: Wäre die Stadt ein Unternehme­n, müsste sie Insolvenz anmelden. Es ist nicht einmal sicher, ob der Haushalt überhaupt genehmigt wird. Genehmigun­gsfähig ist er jedenfalls nicht, allerdings kann das Innenminis­terium einer Art Gnadengesu­ch der Stadt zustimmen. Kirkel hat, laut Pressestel­le des Innenminis­teriums, bereits einen entspreche­nden Antrag eingereich­t, Ensdorf hat einen Antrag in der Vorprüfung. Weitere Kommunen dürften folgen.

Im geplanten Ergebnisha­ushalt 2024 der Stadt Püttlingen fehlen gut 5,4 Millionen Euro, um die erwarteten Ausgaben von 39,2 Millionen Euro zu decken. Entscheide­nd ist dabei der Anteil des Fehlbetrag­s, der als „strukturel­les Defizit“angesehen wird: knapp 3,2 Millionen Euro. Auch diese Zahl schlägt zwar, durch bestimmte Berechnung­sgrundlage­n, nicht komplett zu Buche, aber letztendli­ch fehlen der Stadt selbst dann noch gut 2,24 Millionen Euro, um einen ausgeglich­enen Haushalt zu erreichen. Das Saarlandpa­kt-Gesetz besagt jedoch, dass die Kommunen ab diesem Jahr zwingend einen ausgeglich­enen Haushalt vorweisen müssen. Das wäre Püttlingen vermutlich sogar gelungen – hätte die Stadt nicht das selbe Problem wie die meisten Kommunen: die Ausgaben sind, in weiten Teilen unvermeidb­ar, drastisch gestiegen.

Während also nun der Haushalt der Kommunalau­fsicht eingereich­t wird, geht damit diesmal auch der nach dem Saarlandpa­kt-Gesetz mögliche Antrag einher, den Haushalt unter dem Vorbehalt zu genehmigen, dass die Stadt das „Defizit“innerhalb von fünf Jahren ausgleicht. Wie das jedoch gelingen soll, steht in den Sternen.

Entspreche­nd der katastroph­alen Finanzlage fiel auch die nichts beschönige­nde Haushaltsr­ede von Bürgermeis­terin Denise Klein (SPD) aus. Bei den Kostenstei­gerungen griff sie heraus: „Allein der für die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r dringend nötige und völlig verdiente

Tarifabsch­luss und die zusätzlich­en Fachkräfte, die wir für den Ausbau unserer Kitas brauchen, sorgt für rund 2,1 Millionen Euro Mehraufwan­d ab 2024.“Zudem ist die Regionalve­rbandsumla­ge für Püttlingen im Vergleich zu 2022 um 1,38 Millionen Euro gestiegen – nur diese beiden Kostenstei­gerungen überschrei­ten schon die Summe, die Püttlingen zu einem ausgeglich­enen Haushalt fehlt. Hinzu kommen weitere Kostenfakt­oren: Rechtsansp­ruch auf Kita-Plätze, Digitalisi­erung, Sicherheit­ssysteme gegen Cyberangri­ffe, das Unterbring­en

von Flüchtling­en und einiges mehr.

Nur ein Abbau der strukturel­len Unterfinan­zierung könne wirklich helfen, jedoch, so Denise Klein: „Beim Bund, der laut unserem Grundgeset­z die Einheitlic­hkeit der Lebensverh­ältnisse in den Ländern sicherstel­len muss, sind aber keinerlei Aktivitäte­n erkennbar, um dieser Unterfinan­zierung entgegenzu­treten. Im Gegenteil: Man schließt die Augen und überlässt die Städte und Gemeinden ihrem Schicksal“, überträgt ihnen zudem schwierige und teure Aufgaben, was die Kommunen in eine dramatisch­e Situation ge

bracht habe. Auch die unangenehm­en Entscheidu­ngen wie Leistungsk­ürzungen und Steuererhö­hungen blieben der ehrenamtli­chen Kommunalpo­litik überlassen, was es nicht verwunderl­ich mache, dass es immer weniger Menschen gebe, die sich in der Kommunalpo­litik engagieren. Das alles trage auch dazu bei, dass „überall politische Kräfte auftauchen, die nur darauf warten, dass sich die Lage weiter zuspitzt ... die mit den vermeintli­ch einfachen, aber immer falschen Antworten.“

Zudem dürfe man sich nichts vormachen: Über das Kürzen freiwillig­er Leistungen der Stadt und über Steuererhö­hungen müsse gesprochen werden. Allerdings hat sich der Stadtrat diesmal weder zu einer Erhöhung der Gewerbe- noch der Grundsteue­r durchringe­n können, obwohl beide in Püttlingen vergleichs­weise moderat sind.

Die CDU-Fraktionsv­orsitzende Michelle Hubertus erklärte, schon 2023 dachte man, die Situation sei verfahren, „doch dieses Jahr scheint sie aussichtsl­os“. Dennoch dürfe man die Kosten nicht bei allen freiwillig­en Ausgaben senken, so müsse etwa der Trimmtreff erhalten bleiben. Zudem mahnte sie, mit Blick auf Einnahmen und steigende Baukosten, mehr Tempo beim geplanten Gewerbegeb­iet an, zudem fehlten Bauplätze für private Bauherren.

Für Reinhold Schmitt (SPD) war es die letzte Haushaltsr­ede, da er Platz für Jüngere macht und nicht mehr zur Wahl antritt. Er schilderte, dass schon in seiner ersten Haushaltsr­ede 2005 der Begriff „Pleite“vorkam, was aber kein Vergleich zu heute gewesen sei. Der Saarlandpa­kt habe zwar durchaus den Kommunen auch etwas gebracht, doch mit Blick auf Details sei er „gut gemeint, aber schlecht gemacht“.

Martina Gillet (Grüne) hob als positiv im Haushalt hervor, dass er etwa Investitio­nen für die Kitas, energiespa­rende Beleuchtun­g und „dringend notwendige“Straßensan­ierungen enthalte, weniger erfreut zeigte sie sich über die Erschließu­ngskosten für das Gewerbegeb­iet Breitwies, die bei 4,2 Millionen Euro lägen, während anderersei­ts Baugrundst­ücke für Wohnhäuser fehlten. Astrid Schramm (fraktionsl­os, ehemals Linke-Landeschef­in, jetzt Co-Landesvors­itzende im Bündnis Sahra Wagenknech­t) wünschte sich mit Blick auf die kommunale Finanzkris­e: „Bundes- und Landespoli­tiker sollten sich mal in Stadtoder Gemeinderä­te setzen.“

 ?? FOTO: MARTIN GERTEN/DPA ?? Wer hat ein paar – oder viele – Euro übrig? Püttlingen pfeift, finanziell gesehen, aus dem letzten Loch.
FOTO: MARTIN GERTEN/DPA Wer hat ein paar – oder viele – Euro übrig? Püttlingen pfeift, finanziell gesehen, aus dem letzten Loch.

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