Als Margot Müller gewann sie viele Herzen
Silvia Bervingas ist Schauspielerin und wurde als Margot Müller in zwei SR-Tatorten bundesweit bekannt. Doch den größten Teil ihres Berufslebens verbringt sie auf Theaterbühnen und bei Lesungen.
Treffpunkt ist ein Café im Zentrum Zweibrückens. Auch wenn gut und gerne zehn Jahre vergangen sind seit ihren Auftritten als Margot Müller, erkennt ein echter „Tatortianer“Silvia Bervingas sofort.
„Ich lese seit 30 Jahren jede Woche einen Krimi. Ich schaue mir alles an, was im Fernsehen läuft. Und meistens weiß ich nach 20 Minuten, wer der Mörder ist. Seit 30 Jahren warte ich auf genau diesen Moment. Also los, junger Mann!“Mit diesen unbescheidenen Worten forderte Margot Müller den hilfesuchenden Jens Stellbrink (gespielt von Devid Striesow) auf, seinen ersten Fall als Saarbrücker Kriminalhauptkommissar zu besprechen.
Der heute 69-jährigen Silvia Bervingas verhilft die Rolle der Margot Müller in den Tatort-Folgen „Melinda“von 2013 und „Adams Alptraum“von 2014 zu bundesweiter Popularität. Noch heute wird sie darauf angesprochen. Ein Großteil des Publikums schließt die von Bervingas gespielte Figur ins Herz und möchte sie gerne als festen Bestandteil künftiger SR-Tatorte sehen. „Selten hat mich etwas so überrollt wie diese Reaktion“, kommentiert sie die ihr entgegengebrachte Sympathie des Fernsehpublikums.
Silvia Bervingas hätte sich durchaus vorstellen können, die Rolle weiter zu spielen und auszubauen. „Ich mochte den Striesow sehr gern. Wir waren ein gutes Team und hatten viel Spaß“, erinnert sie sich an die Zeit der gemeinsamen Dreharbeiten, „Frau Müller und Herr Stellbrink haben gut zueinander gepasst.“
Aber bei den Verantwortlichen des Saarländischen Rundfunks stößt dieser Publikumswunsch auf wenig Gehör, und so blieben Bervingas zwei Auftritte Preziosen in der SRTatort-Historie. Christian Bauer, der zuständige Redakteur beim SR dazu: „Weil sie so gut ankam und auch Gesprächsthema im Saarland war, haben wir ihr im dritten Film noch mal einen Auftritt gegeben.“Auf die Frage, warum es bei zwei Auftritten blieb, erklärt er: „Jede Nebenrolle muss eine Funktion für den Fortgang der Story haben. Sonst wäre sie nur schmückendes Beiwerk und Bremse.“
Im selben Jahr, als „Adams Alptraum“gesendet wird, können ihre Fans die ausdrucksstarke Schauspielerin, die privat keine Krimileserin ist, in einer weiteren populären Krimiserie sehen – der ZDF-Serie „SOKO Leipzig“. In der Folge „Lucy“spielt sie die Botanikerin Professorin Hannelore Huth, die mit der Züchtung von Blumenwanzen beschäftigt ist und in deren Gewächshaus ein brutaler Mord geschieht.
Eine Schauspielschule hat die gebürtige Kaiserslauternerin nie be
sucht. „Dafür war ich schon zu alt“, stellt sie lapidar fest. Aber in Schauspiel, Pantomime, Bewegungs- und Clowntheater hat sie sich in den Jahren zwischen 1982 und 1988 aus- und weiterbilden lassen. Der Wunsch, den Schauspielberuf zu ergreifen, reift in
jungen Jahren. Bervingas erinnert sich, dass die Fernsehspiele, die damals ausgestrahlt wurden, sie auf den Geschmack gebracht haben. „Meine Eltern waren nicht so streng mit fernsehen. Ich durfte viel gucken.“
Bevor Silvia Bervingas sich jedoch professionell der Schauspielerei zuwendet, studiert sie zu Beginn der 70er-Jahre am „Institut für Übersetzen und Dolmetschen der Universität des Saarlandes“in Saarbrücken und arbeitet anschließend als Fremdsprachenkorrespondentin für Französisch und Spanisch. Auf die Frage, ob ihr Nachname aus dem Spanischen kommt, antwortet sie: „Das denken viele. Er kommt aber aus dem Litauischen.“
Dort stammt auch ihr, seit drei Jahren verstorbener Vater her. Über ihn sagt sie, sein Leben sei so bewegt gewesen, dass sie es gerne aufschreiben würde. Und etwas wehmütig fügt sie hinzu: „Das ist eine Lebensgeschichte, dagegen ist meine stinklangweilig.“Sie erinnert sich an eine Begebenheit: Ihr Vater war nach einigen Berufsjahren das, was man heutzutage einen Aussteiger nennt. „In Zweibrücken hat er dann einen Autofriedhof eröffnet. Das war der schönste Spielplatz, den man sich als Kind vorstellen kann. Da lernst du mit zehn Jahren Autofahren.“
Ihre 94-jährige Mutter ist gebürtige Französin und lebt, wie Bervingas, in Zweibrücken. Silvia Bervingas schwärmt vom Leben in einer Kleinstadt. „Ich weiß die Segnungen der Kleinstadt ungeheuer zu schätzen.“
Es sind nicht Auftritte in Filmen, die den Hauptteil ihres Berufslebens ausmachen, sondern Theaterrollen und Lesungen. Häufig wird sie dabei von dem Kontrabassisten Matthias Wolf begleitet. So steht sie beispielsweise mit „An das Publikum“, einem literarischen Kabarett mit Texten und Liedern des unvergessenen Kurt Tucholsky, auf der Bühne. Ebenso wie mit „Bist du sicher, Martinus?“, einer Tischrede der Katharina Luther geborene von Bora nach dem Buch „Ungehaltene Reden ungehaltener Frauen“der Autorin Christine Brückner.
Ihr wohl bekanntestes und brisantestes Programm heißt „Meine Sehnsucht will nicht vergehen“. Dabei trägt sie Liebesbriefe deutscher Frauen an Adolf Hitler vor. Trotz aller Monstrosität, die diese Person umgibt, wird während des Vortrages viel gelacht. Bervingas dazu: „Ich erlaube es dem Publikum ausdrücklich. Warum soll man bei diesem Geschwurbel nicht lachen.“Wichtiger für sie ist, die Kabarett mit dem erhobenen Zeigefinger ablehnt, die Dinge im Kontext der Zeit zu betrachten: „Ich hätte für mich nicht garantieren können, dass ich dem Führer nicht auch so einen Brief geschrieben hätte.“
Zum Schluss des Gesprächs erlaubt sie einen Blick in ihre nahe Zukunft und erzählt von einem geplanten Projekt. Sie wird Chansons und Couplets der Claire Walldoff und ihrer Zeitgenossen aus der Weimarer Republik interpretieren. Aus dem Stegreif singt sie ein paar Zeilen eines der frech-witzigen Lieder jener Zeit und sagt: „So etwas bekommen die heute gar nicht mehr hin. Weder musikalisch noch vom Text.“Einen Grund für die Genialität der damaligen Lieder sieht sie in der Zugabe des unverkennbar jüdischen Humors. Zu erleben auch in „Spötterdämmerung“. So heißt ihr literarisches Kabarett, das 2019 Uraufführung hatte. Die Textzeile stammt von Friedrich Hollaender.
Privat ist Bervingas keine Krimileserin.