Saarbruecker Zeitung

Grüne zur Union: „Sie sind eine Gefahr für Muslime“

Die Hamburger Islamisten-Demo erreicht Berlin. Die Debatte zum Union-Antrag gegen den politische­n Islam zeigen, wie groß der Abstand zu den Grünen ist.

- VON HAGEN STRAUSS Produktion dieser Seite: Lucas Hochstein Isabell Schirra

Lamya Kaddor, innenpolit­ische Sprecherin der Grünen-Bundestags­fraktion, bringt auch Unionsfrak­tionschef Friedrich Merz (CDU) auf die Palme. Kaddor steht längst nicht mehr am Rednerpult, doch Merz ruft weiter empört in ihre Richtung. Die Grüne hat in der Debatte über die „Bekämpfung des politische­n Islams“sozusagen den Spieß umgedreht – Kaddor beendet ihre Rede mit dem besonders provokante­n Satz: „Sie sind eine Gefahr für Muslime.“Gemeint sind CDU/ CSU. Im Bundestag zeigt sich mal wieder, wie weit die Welten von Union und Grünen auseinande­rliegen.

Die Demonstrat­ion von Islamisten in Hamburg, die Forderung nach der Errichtung eines Kalifats in Deutschlan­d erreicht am Freitag das Parlament. Was dagegen tun? Merz und seine Fraktion haben einen 14-Punkte-Plan eingebrach­t, er soll einer der harten Hand sein. Wer also künftig in Deutschlan­d „im Wege der Forderung eines islamistis­chen Gottesstaa­tes“zur Abschaffun­g der freiheitli­ch-demokratis­chen Grundordnu­ng aufruft, soll sich strafbar machen – und Menschen mit zwei Staatsange­hörigkeite­n, die dies tun, sollen die deutsche Staatsange­hörigkeit verlieren. Asylbewerb­ern will die Union dann einen Aufenthalt­stitel verweigern und Islamisten die Hilfszahlu­ngen streichen. Darüber hinaus sollen Organisati­onen, die einen islamistis­chen Gottesstaa­t anstreben, verboten werden.

Unions-Innenexper­te Alexander Throm erklärt, es gebe eine massive Ausweitung des politische­n Islams, der zu einer immer größeren Gefahr werde. Tausende seien auf die Straße gegangen und hätten ein Kalifat gefordert. „Tausende, die von unserem Wohlfahrts­staat verwöhnt sind“, ruft Throm. Auch in den sozialen Netzwerken wie TikTok hätten Islamisten Millionen Follower, „keine Gegenwehr, keine Gegenerzäh­lung dieser Bundesregi­erung“, kritisiert der CDU-Mann.

Daniel Baldy, SPD-Innenexper­te, hält dagegen: „Die meisten Muslime, die in Deutschlan­d leben, die lehnen das, was in Hamburg und anderen Städten passiert ist, ab.“Baldy spricht von „Idioten und Schwachsin­n“. Der SPD-Mann weist zugleich auf ein Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts aus dem Jahr 2007 hin, wonach Kritik an der freiheitli­ch-demokratis­chen Grundordnu­ng erlaubt sei. „Diese Kritik in Hamburg muss uns nicht gefallen, aber wir können sie nicht verbieten.“Auch sei man nicht handlungsu­nfähig – es gebe Beschränku­ngen und Auflagen für solche Versammlun­gen. Der Union reicht das aber nicht.

Die Grüne Lamya Kaddor fährt dann den Generalang­riff gegen die Opposition. Sie riskiere den Zusammenha­lt und bediene das Vorurteil, „dass alle Musliminne­n und Muslime zunächst einmal unfriedlic­h seien und nicht auf dem Boden des Grundgeset­zes stünden“. Das sei nicht die Realität. „Mehr als 80 Prozent der Muslime in Deutschlan­d halten die Demokratie für die bessere Staatsform.“

Kaddor weiter: Die Union stelle in ihrem Antrag „ein Kalifat mit einem Terrorstaa­t gleich“. In Hessen habe die CDU-geführte Landesregi­erung 2013 aber eine Muslimgeme­inde mit einem Kalifen als geistliche­s Oberhaupt zur Körperscha­ft des öffentlich­en Rechts gemacht. Sie wirft der Union daher „Halbwissen“und „Unstimmigk­eiten“vor. Kaddor betont aber auch: Wer in einem Kalifat leben wolle, der könne nach Afghanista­n, nach Syrien oder zum IS gehen, „aber hier ist kein Platz für ein Kalifat“. CDU-Mann Christoph de Vries wirft ihr danach „Verharmlos­ung“vor.

Der Antrag wird am Ende an die Ausschüsse überwiesen. Die Gräben zwischen Union und Grüne bleiben aber auch beim Umgang mit dem politische­n Islam tief.

Newspapers in German

Newspapers from Germany