„Es bleibt immer Jazz, wird aber auch immer anders klingen“
Jazzpianist Christian Pabst hat seine Wurzeln im Saarland, seine Heimat in der Musik und in Italien gefunden. Über einen Mann, der Grenzen verwischt.
So ganz als verlorenen Sohn kann man ihn nicht bezeichnen: Der in Großrosseln aufgewachsene Jazzpianist Christian Pabst lebt zwar mittlerweile in Italien, nimmt aber einen Lehrauftrag an der Hochschule für Musik wahr. Somit ist er dann doch des Öfteren in Saarbrücken anzutreffen. Am 23. Mai kann man ihn auch als Solisten erleben, wenn das Jazzorchester der HfM im Studio eins des Saarländischen Rundfunks ein Konzert mit dem Titel „To the Other Side“gibt.
Wobei, Jazzorchester, das stimmt nicht so ganz. „Das ist ein Projekt, das wir von der Jazzabteilung initiiert haben, aber in Zusammenarbeit mit der Klassikabteilung. Das Motto ,To the Other Side' rührt von daher, dass wir versuchen stilistische Grenzen aufzubrechen“, erklärt Pabst. Und zwar nicht nur die zwischen Jazz und Klassik, sondern auch jene zur Rock- und Popmusik. Stücke von Pabst selbst, von Jimi Hendrix, The Doors, Björk, Weather Report und
Emerson, Lake and Palmer stehen auf dem Programm.
Die Arrangements schrieben der saarländische Pianist und der HfMProfessor Nicolai Thärichen, der die Leitung des Orchesters innehat. Für den saarländischen Pianisten bestehen die Genre-Grenzen ohnehin nicht. „Ich will eigentlich Musik machen fürs Herz und fürs Hirn gleichzeitig“, sagt er, oder: „Mir geht es darum, Musik zu machen, die komplex ist, sich aber nicht komplex anhört.“
Für Pabst verbindet sich der Jazz immer wieder neu mit Pop, Weltmusik oder elektronischer Musik. „Es bleibt immer Jazz, wird aber auch immer anders klingen.“Die eigene
Initialzündung in Sachen Jazz erlebt er als Jugendlicher, als sein Vater ihn zu einem Konzert der Landesschülerbigband mitnimmt. „Das fand ich total spannend. Daraufhin hat er mich einfach dort angemeldet.“Pabst hat mit 15 schon acht Jahre Keyboard- und Klavierunterricht hinter sich. Das Improvisieren lernt er dann in der Landesschülerbigband, später durchläuft er auch die gute Schule des Jugendjazzorchesters. Nach dem Abitur muss er als einer der letzten Jahrgänge zum Zivildienst.
Davor, Musiker zu werden, habe er gehörigen Respekt gehabt, sagt er heute. Trotzdem setzt er anschließend alles auf diese Karte, indem er ein Jahr lang immer wieder Konzerte spielt, Unterricht gibt und vor allem übt für die Aufnahmeprüfung an einer Musikhochschule. Zuerst probiert er es am Konservatorium in Amsterdam. „Ich hatte mich damals mit zwei Freunden beworben, mit denen ich eine Band hatte, dachte aber eigentlich, dass das ein bisschen zu hoch gegriffen ist.“
Für Pabst selbst überraschend wird er dort angenommen. Er bleibt ganze 14 Jahre in der niederländischen Hauptstadt, unterbrochen durch kurze Abstecher nach Paris und Kopenhagen. Nach dem Master in Jazzpiano studiert Pabst Filmmusik; anschließend unterrichtet er am Konservatorium und spielt zahlreiche Konzerte. „Das ist der Vorteil an der Hochschule in Amsterdam: Dahin kommen Leute aus ganz Europa und darüber hinaus. Ich konnte da sehr gute Kontakte knüpfen und dann mit vielen Projekten durch die Welt tingeln.“
In den Niederlanden lernt er auch seine Frau kennen, eine italienische Sängerin; 2020 erfolgt deshalb der Umzug nach Perugia. Pabsts Italienisch sei fließend, sagt er. Er lerne aber noch mal mit, wenn jetzt seine zweieinhalbjährigen Zwillinge sich dieser Sprache bemächtigen. In der dortigen Jazzszene hat er längst Fuß gefasst. In Italien, dem Geburtsland der Oper, gebe es einen stärkeren Bezug zur Melodie als woanders.
Das komme ihm mit seinem melodiösen Spiel sehr entgegen, freut er sich. In regelmäßigen Abständen veröffentlicht er Alben, das letzte im Quintett mit Francesco Pierotti (Bass), Lorenzo Brilli (Schlagzeug), dem Akkordeonisten Federico Gili und seiner Frau Ilaria Forciniti. Eine neue CD im Trio-Format sei auch schon aufgenommen.
Stilistisch orientiere er sich „auf jeden Fall“an den Größten der Jazzgeschichte. Einer dieser Legenden hörte Pabst zu, als er letztes Jahr ein Solo-Klavierkonzert beim Luxemburger Festival „My Urban Piano“spielte: „Die hatten auf dem Platz mitten in der Stadt eine Bühne aufgebaut und einen Flügel hingestellt. Ich war gerade total in der Musik versunken und hab dann die Augen aufgemacht. Da stand plötzlich Wynton Marsalis an der Bühne und hat mich angeguckt. Der hat an dem Abend in der Philharmonie gespielt. Da bin ich natürlich erstmal erschrocken. Er hat aber ein bisschen zugehört, dann den Daumen hoch, ein bisschen gelacht und ,Yeah man!' gesagt.“