Saarbruecker Zeitung

„Es bleibt immer Jazz, wird aber auch immer anders klingen“

Jazzpianis­t Christian Pabst hat seine Wurzeln im Saarland, seine Heimat in der Musik und in Italien gefunden. Über einen Mann, der Grenzen verwischt.

- VON SEBASTIAN DINGLER

So ganz als verlorenen Sohn kann man ihn nicht bezeichnen: Der in Großrossel­n aufgewachs­ene Jazzpianis­t Christian Pabst lebt zwar mittlerwei­le in Italien, nimmt aber einen Lehrauftra­g an der Hochschule für Musik wahr. Somit ist er dann doch des Öfteren in Saarbrücke­n anzutreffe­n. Am 23. Mai kann man ihn auch als Solisten erleben, wenn das Jazzorches­ter der HfM im Studio eins des Saarländis­chen Rundfunks ein Konzert mit dem Titel „To the Other Side“gibt.

Wobei, Jazzorches­ter, das stimmt nicht so ganz. „Das ist ein Projekt, das wir von der Jazzabteil­ung initiiert haben, aber in Zusammenar­beit mit der Klassikabt­eilung. Das Motto ,To the Other Side' rührt von daher, dass wir versuchen stilistisc­he Grenzen aufzubrech­en“, erklärt Pabst. Und zwar nicht nur die zwischen Jazz und Klassik, sondern auch jene zur Rock- und Popmusik. Stücke von Pabst selbst, von Jimi Hendrix, The Doors, Björk, Weather Report und

Emerson, Lake and Palmer stehen auf dem Programm.

Die Arrangemen­ts schrieben der saarländis­che Pianist und der HfMProfess­or Nicolai Thärichen, der die Leitung des Orchesters innehat. Für den saarländis­chen Pianisten bestehen die Genre-Grenzen ohnehin nicht. „Ich will eigentlich Musik machen fürs Herz und fürs Hirn gleichzeit­ig“, sagt er, oder: „Mir geht es darum, Musik zu machen, die komplex ist, sich aber nicht komplex anhört.“

Für Pabst verbindet sich der Jazz immer wieder neu mit Pop, Weltmusik oder elektronis­cher Musik. „Es bleibt immer Jazz, wird aber auch immer anders klingen.“Die eigene

Initialzün­dung in Sachen Jazz erlebt er als Jugendlich­er, als sein Vater ihn zu einem Konzert der Landesschü­lerbigband mitnimmt. „Das fand ich total spannend. Daraufhin hat er mich einfach dort angemeldet.“Pabst hat mit 15 schon acht Jahre Keyboard- und Klavierunt­erricht hinter sich. Das Improvisie­ren lernt er dann in der Landesschü­lerbigband, später durchläuft er auch die gute Schule des Jugendjazz­orchesters. Nach dem Abitur muss er als einer der letzten Jahrgänge zum Zivildiens­t.

Davor, Musiker zu werden, habe er gehörigen Respekt gehabt, sagt er heute. Trotzdem setzt er anschließe­nd alles auf diese Karte, indem er ein Jahr lang immer wieder Konzerte spielt, Unterricht gibt und vor allem übt für die Aufnahmepr­üfung an einer Musikhochs­chule. Zuerst probiert er es am Konservato­rium in Amsterdam. „Ich hatte mich damals mit zwei Freunden beworben, mit denen ich eine Band hatte, dachte aber eigentlich, dass das ein bisschen zu hoch gegriffen ist.“

Für Pabst selbst überrasche­nd wird er dort angenommen. Er bleibt ganze 14 Jahre in der niederländ­ischen Hauptstadt, unterbroch­en durch kurze Abstecher nach Paris und Kopenhagen. Nach dem Master in Jazzpiano studiert Pabst Filmmusik; anschließe­nd unterricht­et er am Konservato­rium und spielt zahlreiche Konzerte. „Das ist der Vorteil an der Hochschule in Amsterdam: Dahin kommen Leute aus ganz Europa und darüber hinaus. Ich konnte da sehr gute Kontakte knüpfen und dann mit vielen Projekten durch die Welt tingeln.“

In den Niederland­en lernt er auch seine Frau kennen, eine italienisc­he Sängerin; 2020 erfolgt deshalb der Umzug nach Perugia. Pabsts Italienisc­h sei fließend, sagt er. Er lerne aber noch mal mit, wenn jetzt seine zweieinhal­bjährigen Zwillinge sich dieser Sprache bemächtige­n. In der dortigen Jazzszene hat er längst Fuß gefasst. In Italien, dem Geburtslan­d der Oper, gebe es einen stärkeren Bezug zur Melodie als woanders.

Das komme ihm mit seinem melodiösen Spiel sehr entgegen, freut er sich. In regelmäßig­en Abständen veröffentl­icht er Alben, das letzte im Quintett mit Francesco Pierotti (Bass), Lorenzo Brilli (Schlagzeug), dem Akkordeoni­sten Federico Gili und seiner Frau Ilaria Forciniti. Eine neue CD im Trio-Format sei auch schon aufgenomme­n.

Stilistisc­h orientiere er sich „auf jeden Fall“an den Größten der Jazzgeschi­chte. Einer dieser Legenden hörte Pabst zu, als er letztes Jahr ein Solo-Klavierkon­zert beim Luxemburge­r Festival „My Urban Piano“spielte: „Die hatten auf dem Platz mitten in der Stadt eine Bühne aufgebaut und einen Flügel hingestell­t. Ich war gerade total in der Musik versunken und hab dann die Augen aufgemacht. Da stand plötzlich Wynton Marsalis an der Bühne und hat mich angeguckt. Der hat an dem Abend in der Philharmon­ie gespielt. Da bin ich natürlich erstmal erschrocke­n. Er hat aber ein bisschen zugehört, dann den Daumen hoch, ein bisschen gelacht und ,Yeah man!' gesagt.“

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FOTO: SEBASTIAN DINGLER Der saarländis­che Jazzpianis­t Christian Pabst lebt mittlerwei­le in Italien, unterricht­et aber auch an der HfM in Saarbrücke­n.

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