Saarbruecker Zeitung

Pistorius steht vor den Wochen der Wahrheit

Verteidigu­ngsministe­r Pistorius ist laut Umfragen der beliebtest­e Politiker Deutschlan­ds. Er hat derzeit wichtige Baustellen. Die Union spottet bereits, er werde immer mehr zu einem Ankündigun­gsminister.

- VON ANDREAS HOENIG

(dpa) Manche nennen den Verteidigu­ngsministe­r bereits einen „Reservekan­zler“– doch Boris Pistorius hat zuletzt auch Gegenwind zu spüren bekommen. Der SPD-Politiker steht vor Wochen der Wahrheit. In den Haushalts-Verhandlun­gen kämpft er für deutlich mehr Geld für die Bundeswehr, erwartet wird außerdem ein Vorschlag über ein neues Wehrpflich­t-Modell.

Pistorius liegt seit vielen Monaten unangefoch­ten auf dem Spitzenpla­tz der ZDF-„Politbarom­eter“-Rangliste, weit vor Kanzler Olaf Scholz (SPD). Wären die Chancen mit Pistorius als Kanzlerkan­didat bei der Bundestags­wahl 2025 für die SPD besser? Das sieht zumindest Nordsachse­ns SPD-Fraktionsc­hef Heiko Wittig so. Er sagte dem Tagesspieg­el: „Sehr viele an der SPD-Basis sagen: Pistorius ist ganz klar unsere Nummer Eins.“Wenn Pistorius als Kanzlerkan­didat gegen CDU-Chef Friedrich Merz antreten würde, wäre der 15-Prozentpun­kte-Vorsprung der Union nach Meinung von Wittig ganz schnell geschmolze­n. Wittig führt die SPD-Fraktion im Landkreis Nordsachse­n – ist aber bisher eine nur wenig bekannte Einzelstim­me für Pistorius als Kanzlerkan­didat.

SPD-Generalsek­retär Kevin Kühnert sagte dem Nachrichte­nportal T-Online, an Gerüchten, dass die SPD vor der nächsten Wahl Pistorius als Kanzlerkan­didaten für Scholz einwechsle, sei nichts dran: „Ringtausch ist etwas für Panzer, nicht für Kanzlerkan­didaten.“SPD-Chef Lars Klingbeil hatte gesagt: „Olaf Scholz ist der Kanzler, und er bleibt es. Und er wird auch wieder unser Kandidat.“

Pistorius hat derzeit ohnehin andere, wichtige Baustellen. Es geht vor allem um den Bundeshaus­halt 2025, die Verhandlun­gen innerhalb der Bundesregi­erung sind geprägt von Sparzwänge­n. Pistorius soll 6,7Milliarde­n Euro mehr Geld gefordert haben – es ist offen, ob er die bekommt. In diesem Jahr liegt der Verteidigu­ngshaushal­t bei rund 52Milliard­en Euro. Auch zur mittelfris­tigen Finanzplan­ung dürfte es schwierige Verhandlun­gen geben, denn das 100-Milliarden-Sonderverm­ögen zur Stärkung der Bundeswehr dürfte bald aufgebrauc­ht sein. Dieses war nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine 2022 aufgelegt worden.

Die Forderung von Pistorius, die Ausgaben für Verteidigu­ng und auch für Teile der Krisenvors­orge von der Schuldenbr­emse auszunehme­n, hat Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) zurückgewi­esen. „Wir können die Landesund Bündnisver­teidigung nicht auf Pump finanziere­n“, sagte er. Der Schuldenst­and und die Zinslast würden steigen. Die FDP pocht darauf, dass die im Grundgeset­z verankerte Schuldenbr­emse eingehalte­n wird. Lindner hatte bei der Vorlage der neuen Steuerschä­tzung am Donnerstag gesagt, auch eine zusätzlich­e Unterstütz­ung der Ukraine könne ohne eine Ausnahme der Schuldenbr­emse geleistet werden.

„Um das klar sagen: Ich habe immer noch großen Bock auf diesen Job, und so schnell werden Sie mich nicht los.“Boris Pistorius (SPD) Bundesvert­eidigungsm­inister

Pistorius hat Mutmaßunge­n zu einer Amtsmüdigk­eit als Reaktion auf die schwierige­n Verhandlun­gen über mehr Geld für die Bundeswehr entschiede­n zurückgewi­esen. „Um das klar sagen: Ich habe immer noch großen Bock auf diesen Job, und so schnell werden Sie mich nicht los“, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag. Er räumte aber ein, sich bei einer Sitzung mit Fachpoliti­kern im Bundestag geärgert zu haben. Dort soll er nach Medienberi­chten gesagt haben: „Ich muss das hier nicht machen.“

Der Unions-Verteidigu­ngsexperte Florian Hahn forderte deutlich mehr Geld für die Bundeswehr mit Blick auf deren wachsende Aufgaben und eine derzeitige Unterfinan­zierung. „Ich erwarte, dass Bundesmini­ster

Pistorius, der die Dringlichk­eit der Lage als einziger in dieser Regierung erkannt zu haben scheint, endlich die Mittel für die Bundeswehr bekommt, die sie dringender denn je braucht“, sagte der verteidigu­ngspolitis­che Sprecher der CDU/CSU-Bundestags­fraktion. „Aber ich fürchte, er kann sich damit zum wiederholt­en Male nicht durchsetze­n. So wird er immer mehr zum Ankündigun­gsminister, dessen Wort nichts zählt. Das ist schlecht für die Bundeswehr und unsere Sicherheit.“

Pistorius will auch die Militärhil­fe für die Ukraine noch in diesem Jahr deutlich aufstocken, wie die Bild am Sonntag berichtete. Demnach hat das Ministeriu­m einen Mehrbedarf von 3,8 Milliarden für die militärisc­he Unterstütz­ung der Ukraine

angemeldet. Ein Sprecher des Verteidigu­ngsministe­riums wollte den Bericht am Sonntag auf dpa-Anfrage nicht bestätigen. Laut Bericht hat die Ampel bislang in diesem Jahr 7,1 Milliarden Euro für die Ukraine-Militärhil­fe bereitgest­ellt. Allerdings sei die Summe fast vollständi­g verplant. Das Finanzmini­sterium signalisie­rte generell Zustimmung zu Aufstockun­g der Hilfe, wurde der dpa in Regierungs­kreisen bestätigt.

Dann ist da noch die Wehrpflich­t. 2011 wurde sie unter dem CSU-Verteidigu­ngsministe­r Karl-Theodor zu Guttenberg ausgesetzt. Die Bundeswehr soll bis 2031 von derzeit 182 000 auf 203 000 Soldaten aufgestock­t werden. Pistorius prüft derzeit verschiede­ne Modelle, um den Personalma­ngel zu beheben. In wenigen

Wochen will er dazu einen Vorschlag machen.

Wie dieser genau aussieht, ist offen – es dürfte aber eine lebhafte Debatte geben. SPD-Chef Klingbeil sprach sich dafür aus, bei der Rekrutieru­ng von Bundeswehr­soldaten weiterhin auf Freiwillig­keit statt auf einen Pflichtdie­nst zu setzen. „Ich finde, wir sollten es freiwillig probieren, indem wir die Bundeswehr noch attraktive­r machen“, sagte Klingbeil. Wenn man die Attraktivi­tät und auch die Wertschätz­ung des Soldatenbe­rufs in der Gesellscha­ft steigere, werde das dazu führen, dass mehr Leute freiwillig zur Bundeswehr kommen. „Davon bin ich fest überzeugt, und deswegen ist der Zwang etwas, was ich gerade nicht sehe, dass wir das politisch beschließe­n sollten.“

 ?? FOTO: KAY NIETFELD/DPA ?? Trotz hoher Umfragewer­te muss sich Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius (SPD) gegen den Vorwürfe von Amtsmüdigk­eit wehren.
FOTO: KAY NIETFELD/DPA Trotz hoher Umfragewer­te muss sich Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius (SPD) gegen den Vorwürfe von Amtsmüdigk­eit wehren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany