Ausländische Ärzte im deutschen Behörden-Stau
In Deutschland fehlen viele Ärzte. Da trifft es sich gut, dass es Bewerber aus dem Ausland gibt. Doch sie müssen enorme Hürden überwinden.
(dpa) Die Bewerber kommen aus der Türkei, aus Syrien, der Ukraine und vielen anderen Ländern. Sie alle wollen als Ärztin oder Arzt in Deutschland arbeiten. Viele Kommunen und Krankenhäuser sind darüber froh. Regionaler Ärztemangel reißt längst Lücken in die Versorgung. Doch vor dem Einsatz der ausländischen Mediziner in deutschen Praxen, Versorgungszentren oder Kliniken stehen langwierige Verfahren. In den Behörden, die für Anerkennung und Arbeitserlaubnis zuständig sind, stauen sich derzeit viele Anträge.
Im badischen Bad Säckingen zum Beispiel schien die Suche nach einem Nachfolger für die gynäkologische Praxis im örtlichen Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) schon erfolglos. Dabei wurde schon ein Arbeitsvertrag mit einem türkischen Bewerber geschlossen – doch die Zulassung ließ auf sich warten. Medizinischen Fachangestellten wurde bereits gekündigt. Nach bangen Wochen fand das MVZ laut Badischer Zeitung doch noch einen Gynäkologen aus der Region. Unterdessen kämpft in Aalen auf der Ostalb ein Mediziner aus Venezuela seit Monaten um seine Anerkennung, um als Hausarzt zu arbeiten.
In Eisenach in Thüringen wartet eine Ukrainerin, die schon seit 27 Jahren als Kinderärztin in ihrer Heimat gearbeitet hatte, auf die Anerkennung ihres Studienabschlusses.
Für sie blieb in der Kinderstation zunächst nur der Einsatz als Hospitantin.
Dabei ist die Zahl ausländischer Ärzte vergangenes Jahr auf eine neue Höchstmarke gestiegen – auf knapp 64 000. Nach einer verlangsamten Zuwanderung während der Corona-Pandemie steigt ihr Zuzug wieder, wie die Vizepräsidentin der Bundesärztekammer, Ellen Lundershausen, sagt. „Seit rund eineinhalb Jahren erleben wir einen großen Anstieg aus der Türkei“, berichtet die Leiterin der Gutachtenstelle für Gesundheitsberufe, Carola Dörfler. Seit rund einem Jahr steigen auch die Bewerberzahlen ukrainischer Kriegsflüchtlinge.
In Dörflers Einrichtung überprüfen unter anderem Ärzte, Therapeuten und Dokumentare im Auftrag der Bundesländer die eingereichten Abschlüsse und Dokumente auf ihre Gleichwertigkeit in Deutschland. „Der Anstieg der Bewerberzahlen aus der Türkei und der Ukraine hat zu einem Stau geführt“, räumt Dörfler ein. „Die Personalausstattung der Behörden hinkt der Entwicklung hinterher.“Die Dauer der Gleichwertigkeitsprüfung in ihrem Haus: ein halbes Jahr, acht Monate oder vereinzelt bis zu einem Jahr. Ärztekammer-Vizepräsidentin Lundershausen sagt: „Zweifelsohne besteht aufgrund des komplexen Anerkennungsverfahrens die Gefahr langer Wartezeiten oder Hängepartien.“Häufig erschienen die Abläufe der verschiedenen Behörden widersprüchlich.
Die Zusammenarbeit der Behörden sei ausbaufähigen, findet Ärztekammer-Vize Lundershausen. Elitsa Seidel, die mit ihrer Mainzer Agentur „Inmed Personal“Bewerbern bei der Anerkennung hilft, sagt: „Es wäre wichtig, bürokratische Hürden zu senken – im Gegensatz zu den sprachlichen und fachlichen Voraussetzungen, die einfach gegeben sein müssen.“Doch sind die fachlichen Qualifikationen für den Einsatz an den Patienten auch immer gegeben? „Wir haben es mit einem sehr heterogenen Feld an Bewerbern und Bewerberinnen zu tun“, mahnt der Leiter des Instituts für Ausbildung und Studienangelegenheiten an der Medizin-Fakultät in Münster, Bernhard Marschall. „Dass jemand sehr versierte Erfahrungen mitbringt, ist sehr selten.“Zum Schutz der Patientinnen und Patienten seien gründliche Anerkennungsverfahren unabdingbar.