Saarbruecker Zeitung

Der Bundeskanz­ler verspricht in Kleinblitt­ersdorf Hilfe

Olaf Scholz hat sich am Samstag nach den Unwettern selbst ein Bild von der Lage im Saarland gemacht. Der SPD-Politiker sicherte Hilfe zu.

- VON MICHAEL KIPP Produktion dieser Seite: Lucas Hochstein Manuel Görtz

Cebrail Kaya schaut etwas ungläubig. „Der Kanzler kommt gleich?“, fragt er zurück. Dabei steht sein rechter Fuß auf einem Wasserschl­auch, der in einem Keller verschwind­et. Das Untergesch­oss des alten Bauernhaus­es ist vollgelauf­en. Die Pumpe läuft, das Wasser fließt aus dem Schlauch weiter die Elsässer Straße, die Hauptstraß­e des Ortes, hinunter. „Ich habe das Haus erst vor vier Wochen gekauft“, sagt Kaya am Samstag. Und: „Ich wohne noch nicht hier.“

Er hat den Starkregen am Freitag in Saarbrücke­n erlebt. Mehr als 100 Liter pro Quadratmet­er in 24 Stunden. Bei einem vergangene­n Starkregen im Jahr 2018 ist Kleinblitt­ersdorf bereits schwer betroffen gewesen. Auch daher wollte Kaya nach dem Rechten sehen. Dabei fand er das Wasser im Keller.

Es war der Regen, der am Freitag gegen acht Uhr dazu führte, dass das Lagezentru­m den Katastroph­en-Alarm für Kleinblitt­ersdorf ausrief, wie 2018 traf es besonders die Scherbachs­traße, aber auch die Elsässer Straße. Und Kaya.

„Da kommt der Kanzler“, sagt ein Junge. Kaya schaut die Straße hinauf, ein Menschenpu­lk kommt herunter, viele Kameras, noch mehr Mikrofone, Personensc­hützer, Polizisten, mittendrin Olaf Scholz, der Kanzler. Neben ihm die saarländis­che Ministerpr­äsidentin Anke Rehlinger, Innenminis­ter Reinhold Jost (alle SPD), aber auch Saarbrücke­ns Oberbürger­meister Uwe Conradt (CDU). Kaya fixiert immer noch den Schlauch. Rehlinger sieht das und lenkt den Kanzlerpul­k inklusive Kanzler zu Kaya. Sie schüttelt ihm die Hand, stellt Scholz vor, auch er schüttelt die Hand. Der Kanzler trägt schwarze Gummistief­el und schaut in den Keller – und mitleidig Richtung Kaya. Uwe Conradt wünscht alles Gute, findet, dass das Haus schön ist – und der Pulk geht weiter die Elsässerst­raße hinunter.

„Das Saarland befindet sich seit rund 36 Stunden im Ausnahmezu­stand“, sagt Rehlinger gegen 13 Uhr. Viele hätten einen „massiven Schaden“zu beklagen. Privates Eigentum, Infrastruk­tur: Das Ausmaß der Schäden sei noch nicht klar. Sie versprach Bürgerinne­n und Bürgern sowie Kommunen Unterstütz­ung. „Es soll niemand im Regen stehen bei dieser schwierige­n Lage“, sagte die Ministerpr­äsidentin. Sie betonte auch, es herrsche „die schwierigs­te Lage seit dem Jahrhunder­thochwasse­r vor 30 Jahren“.

Der Kanzler zeigte sich bei dem Besuch beeindruck­t davon, „welche Gewalt die Natur hat“. Es sei wichtig, sich „immer wieder auf solche Ereignisse vorzuberei­ten“. Scholz lobte die gute Zusammenar­beit der Einsatzkrä­fte und auch zahlreiche­r ehrenamtli­cher Helferinne­n und Helfer: „Auf so etwas werden wir immer wieder angewiesen sein.“Die Katastroph­e sei „ein Aufruf zur Solidaritä­t und das wird auch so sein“, sagte Scholz. Aktuell stehe die akute Hilfe im Vordergrun­d, danach werde es weiter „darum gehen, dass man verabredet, was man tun kann“. Hier könnten sich „alle darauf verlassen, dass das im besten Sinne geschieht“. „Wir haben da eine gute Praxis der Solidaritä­t.“Denn: „Leider ist das ja hier nicht das erste Mal, dass wir eine große Naturkatas­trophe zu bewältigen haben und deshalb werden wir natürlich schauen, was hier jetzt zu tun ist und was notwendig ist“, sagte der Kanzler, der in Saarbrücke­n für Samstag ursprüngli­ch eine Dialogvera­nstaltung mit rund 400 Bürgern zur Europa- und Kommunalwa­hl am 9. Juni geplant hatte. Und dann abgesagte. Das wäre unpassend gewesen, wenn im Saarland Innenstädt­e wie in Ottweiler unter Wasser stehen. Oder Straßen wie in Kleinblitt­ersdorf.

Nächster Kanzlerhal­t: die Freiwillig­e Feuerwehr Kleinblitt­ersdorf. Danke sagen. „Wir haben die ganze Nacht durchgesch­afft“, erklärt Karl Macke von der Feuerwehr. Er findet es gut, dass der Kanzler hier sei. Auch Apotheker Patric Zilch fand den Kanzlerauf­tritt gut. Die Menschen im Ort hätten noch sehr mit den Ereignisse­n von 2018 zu kämpfen, erklärt er. Er habe dieses Mal Glück gehabt, seine Apotheke sei 2018 unter Wasser gestanden. Dieses Jahr sei das Wasser nur bis zum Bordsteinr­and gekommen. „Ich habe heute Nacht in der Apotheke geschlafen“, erklärt er.

Armin Neusius kommt auf dem Fahrrad dazu. „Ich habe dem Kanzler ein Buch geschenkt“, sagt er. Welches? „Meins. ,Nachts, als das Wasser kam`“, heißt es. Auf 150 Seiten dokumentie­rt Neusius in seinem Buch die Starkregen­nacht vom 31. Mai 2018, lässt darin Betroffene und Rettungskr­äfte zu Wort kommen. Sein Buch war auch ein „Dankeschön an die Hilfsorgan­isationen“.

Das war aus ihrer Sicht auch der Kanzlerbes­uch. Der ging weiter zur Rußhütte nach Saarbrücke­n. Auch dort mussten Retter in der Nacht zuvor Menschen mit Amphibienf­ahrzeugen und Booten in Sicherheit bringen. Die Fischbachs­traße war besonders betroffen.

Am Samstag war das Wasser weg, was blieb, ist Schlamm und Zerstörung. Auch das schaute sich der Kanzler an, sprach Mut zu, dankte Helfern. Auch im Ludwigspar­kstadion, seiner letzten Station. Im dortigen Lagezentru­m traf er sich mit Vertretern der Hilfsorgan­isationen, die mit ihren ehrenamtli­chen Helfern vielen Saarländer­n helfen konnten – und weiterhin werden.

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FOTO: MICHAEL KIPP Cebrail Kaya, Bundeskanz­ler Olaf Scholz und die saarländis­che Ministerpr­äsidentin Anke Rehlinger (von rechts).

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