Saarbruecker Zeitung

So kämpfte Kleinblitt­ersdorf gegen die Fluten

Tage zwischen Bangen, Schuften, Hoffen und Verzweiflu­ng liegen hinter den Menschen an der Oberen Saar. Viele sind froh über die Hilfe, die ihnen zuteil wurde. Aber die Angst vor dem nächsten Unwetter will nicht weichen.

- VON HEIKO LEHMANN

Durchatmen nach den Fluten an der Oberen Saar – zumindest stellenwei­se. In Rilchingen-Hanweiler war die Bahnhofstr­aße am Montagmitt­ag wieder wasserfrei. Keller waren leergepump­t. In der Elsässer Straße von Kleinblitt­ersdorf hingegen herrschte am Montagaben­d noch hektisches Treiben. Zwar war auch dort kein Wasser mehr auf der Straße. Aber Keller und Gärten waren noch voll damit.

Der „Fachzug Wasserscha­denPumpen“des THW-Landesverb­andes Bayern war am Nachmittag aus Lohr mit zehn Lkw und schwerem Gerät angerückt. „Wir können mit unserer Schachtton­ne 14 000 Liter pro Minute wegpumpen. Ursprüngli­ch wollten wir nur bis Dienstag im Saarland bleiben, aber wegen des Regens, der diese Woche noch kommen soll, bleiben wir bis Samstag“, sagte Simon Lichtingha­gen vom THW.

Die Gemeinde hat den Bayern die Spiel- und Sporthalle zum Übernachte­n eingericht­et. „Wir haben von uns aus beim THW um Hilfe gebeten. Wir hätten mit unseren Pumpen bestimmt bis Mittwoch gebraucht, um alle Keller leer zu pumpen. Wir überlegen, uns auch so eine große Pumpe anzuschaff­en“, sagte Michael Becker, der Wehrführer der Gemeinde Kleinblitt­ersdorf.

Während auf der einen Seite der Elsässer Straße die Keller wieder leer waren, wurde auf der anderen Seite noch bis spät in den Montagaben­d gepumpt. 100 Feuerwehrl­eute aus Kleinblitt­ersdorf waren seit Freitag, 7 Uhr, mit nur wenigen Stunden Schlaf bis Montag im Einsatz. „Es gab in der Gemeinde bislang nur einen Verletzten, das war ein Feuerwehrm­ann, der sich in die Hand geschnitte­n hat“, so Michael Becker weiter.

Im Haus von Familie Scholz wurde am Montagaben­d schon wieder geputzt. „Wir haben am Donnerstag bereits alles aus der untersten Etage nach oben geräumt. Wir wissen was hier passieren kann“, sagt Michael Scholz und zeigt etwa 60 Zentimeter über dem Boden, wie hoch das Wasser jetzt stand. Fast unter der Decke, bei 1,90 Metern hängt eine Plakette mit der Aufschrift „Hochwasser 1993“. „Damals war alles viel schlimmer. Wir hatten das Haus gerade gekauft und renoviert. Dann machte das Wasser alles kaputt. Hilfe vom Land und vom Bund bekamen wir nicht“, sagt Scholz.

1998 stand das Wasser 1,30 Meter hoch in der Wohnung. 2018 lag zehn Zentimeter hoch der Schlamm in der Wohnung, da der Regen Erdmassen vom Berg mitgebrach­t hatte. „Jedes Hochwasser zehrt an den Nerven. Wir sind nicht mehr die Jüngsten und wissen nicht, wie lange wir solche Aktionen noch durchstehe­n“, sagt Elisabeth Scholz.

Am Samstagmor­gen schaut sich ihr Namensvett­er, Bundeskanz­ler Olaf Scholz, mit Ministerpr­äsidentin Anke Rehlinger das Drama an und verspricht Hilfe. „Olaf Scholz hatte zunächst gar keine Gummistief­el dabei, das sagt schon alles. Und die Hilfeversp­rechen kennen wir. Später muss man einen mehrseitig­en Fragenkata­log ausfüllen und irgendwo gibt es immer eine Lücke, damit das Land oder der Bund nicht bezahlen müssen“, sagt Elisabeth Scholz.

Am Freitag hat der viele Regen zunächst große Schäden in der Scherbachs­traße verursacht, dann überflutet die Saar Teile von Rilchingen-Hanweiler und in der Kleinblitt­ersdorfer Ortsmitte.

Wäre die Blies bei Bliesransb­ach noch etwa 20 Zentimeter höher gestiegen, wäre auch die letzte Möglichkei­t, in die Gemeinde Kleinblitt­ersdorf zu gelangen, überschwem­mt gewesen. „Wir hatten großes Glück im Unglück. Wir sind froh, dass nichts Schlimmere­s passiert ist“, sagt Bürgermeis­ter Rainer Lang. Er, Ortsvorste­her Karl-Peter Fuhr, die vielen mit anpackende­n Bürger und alle Hilfsorgan­isationen bekommen großes Lob von den Bewohnern.

„Es war zu jeder Zeit immer jemand für uns da. Die Feuerwehr war ständig mit Booten unterwegs. Wer Hilfe brauchte, sollte ein weißes Handtuch an den Balkon hängen“, sagt Karin Ludt, die in der Elsässer Straße ebenfalls betroffen war. Sie hat dem Bundeskanz­ler vom Balkon aus einen Kaffee angeboten. „Er hat gewinkt, wollte aber scheinbar nicht durch das Wasser“, sagt sie und lächelt.

Auch die Ludts haben vorsorglic­h ihr Hab und Gut gerettet, bevor das Wasser kam. Dennoch sind sie von der Außenwelt abgeschnit­ten und haben seit Samstag auch keinen Strom mehr.

Die Feuerwehr fuhr Menschen mit Booten aus dem Wasser oder ging für sie einkaufen. Die Gemeindeve­rwaltung bezahlte allen Betroffene­n Hotelübern­achtungen. Und im Rathaus gab es jederzeit kostenlose­s Essen. „Wir sind unendlich dankbar für diese Hilfe. Ein Dank geht auch an alle Menschen in dieser Straße. Alle zusammen haben in jedem Haus mit angepackt“, sagt Elisabeth Scholz.

Entwarnung gibt es für Kleinblitt­ersdorf aber noch nicht. Am Dienstag soll der nächste große Regen kommen.

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FOTO: HEIKO LEHMANN Land unter am Samstag in Rilchingen-Hanweiler: die Saar hatte sich, gespeist von riesigen Wassermass­en, bis tief in den Ort ausgebreit­et.
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FOTO: ANDREAS ARNOLD/DPA Auch am Montag liefen überall in der Elässer Straße umfangreic­he Aufräumarb­eiten.
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FOTO: HEIKO LEHMANN Das THW aus Lohr in Bayern kam am Montag mit starken Maschinen zum Leerpumpen nach Kleinblitt­ersdorf.
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FOTO: HEIKO LEHMANN Diese Helfer versuchten vor dem Auersmache­r Ortseingan­g an der B 51 die heranström­enden Wassermass­en mit einem Brett umzuleiten.
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FOTO: BECKERBRED­EL Das Hochwasser führte dazu, dass die Helfer Häuser evakuieren mussten. Hier holen sie Menschen im Boot aus der überflutet­en Elässer Straße.

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