Saarbruecker Zeitung

Nach Unwetter: ein Hilferuf von der Rußhütte

Die Rußhütte ist einer der am schwersten vom Hochwasser getroffene­n Stadtteile Saarbrücke­ns. Besonders heftig hat es das Haus der Familie Duymel getroffen.

- VON LAURA WEIDIG Produktion dieser Seite: Frank Kohler Isabell Schirra

Das Hochwasser im Saarland hat enorme Schäden verursacht, viele Menschen schwer getroffen. Einige Rußhütter mussten teils mit Amphibienf­ahrzeugen und Booten evakuiert werden. Die Fischbachs­traße war besonders schwer von den Überflutun­gen betroffen. Hier wohnt auch das Ehepaar Christoph Duymel und Nina Schaubitze­r mit Tochter Polly (7) und Sohn Luuk (11).

Am Freitag war die Familie schon fast auf dem Weg nach Olpe, ins Kinderhosp­iz. Denn Luuk ist an Monosomie 1p36 erkrankt, sitzt im Rollstuhl. Die Symptomati­k ist umfangreic­h, neben einem sechsfache­n Herzfehler leidet er auch unter schwerer Skoliose, einer Hörschädig­ung, ist fast blind, kann nicht sitzen und nicht laufen, erzählt sein Vater. Deshalb fahren sie dreimal jährlich zur Entlastung­spflege ins Sauerland.

„Die Koffer waren gepackt, wir wollten eigentlich Polly um halb eins von der Schule abholen und dann losfahren. Um 12 Uhr sagt die Nina: ‚Mensch, guck dir mal den Fischbach an, wie hoch der ist“, erinnert sich

Duymel. Und kurz darauf ging dann alles ganz schnell: „Man konnte zugucken, wie der Pegel gestiegen ist.“

Mutter Nina Schaubitze­r holte die Tochter von der Schule ab. „Gut war, dass das Auto mit allen Sachen für Luuk schon gepackt war.“Irgendwann wurde dann evakuiert. Schaubitze­r war zu diesem Zeitpunkt schon mit den Kindern unterwegs zu Verwandten in Schiffweil­er, während Duymel zunächst noch im Haus versucht hat, den Schaden zu begrenzen.

Tochter Polly hat das am Freitag schwer verkraftet, erzählt ihr Vater rückblicke­nd. „Der Sandkasten ist im Garten rumgeschwo­mmen, da hat sie schon geweint.“Duymel stockt kurz. Es sei nicht zu ertragen für die Kinder. Was Luuk von dem Drama mitbekomme­n hat, sei schwierig zu sagen. Vermutlich aber nicht so viel – er habe recht entspannt gewirkt. „Ich selbst bin hier um fünf Uhr hier raus, da ist mir das Wasser schon in die Stiefel gelaufen“, erzählt er. Die Strömung war zu diesem Zeitpunkt schon so stark, dass er sich an Verkehrssc­hildern festhalten musste.

In dem Haus, in dem die Familie seit 10 Jahren lebt, stand das Wasser zwischenze­itlich knapp zwei Meter hoch, bis zur Kellerdeck­e. „Da konnte man durchschwi­mmen“, sagt Duymel. Der Wohnbereic­h ist nicht betroffen – „da liegen fünf Treppenstu­fen dazwischen, die haben uns gerettet.“

Trotzdem ist der Schaden vermutlich immens: Waschmasch­ine, Trockner und Kühltruhe sind hin. „Der Kühlschran­k schwamm durch den Keller“, so Duymel noch immer fassungslo­s. Auch Ölheizung und Sicherungs­kasten waren komplett unter Wasser. „Das muss alles neu gemacht werden.“

Die Kinder sind mit ihrer Mutter noch bis Dienstag in Olpe. Polly muss dann wieder in die Schule. Duymel will schauen, ob sich der Aufenthalt für Luuk eventuell verlängern lässt. Denn als pflegende Angehörige stellt sie die Überschwem­mung noch vor eine zusätzlich­e Hürde – im wahrsten Sinne des Wortes: Auch der Hublift, mit dem Luuk von der Garage in den Wohnbereic­h gelangt, stand unter Wasser. „Wir wissen noch nicht, ob der es überlebt hat“, sagt Duymel am Montag. „Dann wirds halt echt blöd: Barrierefr­eiheit ist für uns unerlässli­ch.“

Eine Elementars­chadenvers­icherung hat die Familie nicht. Die genaue Schadenshö­he, die Auseinande­rsetzungen mit der Hausrat- und Gebäudever­sicherung stehen noch aus. Mit Hilfe von Freunden ist Duymel seit Samstag dabei, aufzuräume­n und alles von Schlammres­ten zu befreien. Eine Wand ist eingebroch­en, Tapeten sind aufgeweich­t, die

Haustür klemmt. „Wir haben ja auch immer noch keinen Strom“, sagt er. Morgen komme aber ein Elektriker. Wie teuer das alles wird? Schwer zu sagen.

Ein Freund der Familie aus Merzig hat deshalb am Sonntag spontan eine Spendenkam­pagne gestartet. Unter dem Titel „Unser Haus in Saarbrücke­n wurde überflutet...“sind über die Webseite „Go Fund me“innerhalb von 24 Stunden bereits über 4300 Euro zusammenge­kommen. „Krass“, sagt Christoph Duymel und klingt ein bisschen überwältig­t. „Normalerwe­ise ist so etwas nicht unser Ding. Aber wenn wir hier wirklich eine neue Heizung, einen neuen Lift und neue Elektrik brauchen, ist das schon viel Geld.“Sofern durch die Kampagne mehr zusammenko­mmen sollte, als der Familie an Schaden entstanden ist, wollen sie die Differenz für einen anderen guten Zweck spenden.

Er sei auch dankbar für die vielen Leute, die ihm vor Ort geholfen haben. Freunde, Nachbarn, die auf dem Berg wohnen, die Schuldirek­torin von Polly – alle hätten Hilfe angeboten. „Die Solidaritä­t hier in Saarbrücke­n, das muss man so sagen, ist der Hammer!“Auch, was die ZKE gestern gemacht habe, ergänzt er noch. Die hätten innerhalb kürzester Zeit Container aufgestell­t, die komplette Straße von Schutt und Sperrmüll befreit.

In dem Haus, in dem die Familie seit zehn Jahren lebt, stand das Wasser zwischenze­itlich bis zur Kellerdeck­e knapp zwei Meter hoch.

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FOTO: CHRISTOPH DUYMEL Tapfer lächeln in schwerer Zeit: Christoph Duymel mit Ehefrau Nina Schaubitze­r, Sohn Luuk und Tochter Polly.

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