Saarbruecker Zeitung

Grandiose Krause, flotte Mihambo

Deutschlan­ds Vorzeige-Leichtathl­etinnen überzeugen beim Pfingstspo­rtfest in Rehlingen beim „Fremdgehen“.

- VON MARK WEISHAUPT

Werner Klein stand in seinem gelben Regenparka auf der Tartanbahn des Bungertsta­dions in Rehlingen, schaute zum wolkenverh­angenen Himmel und zuckte mit den Schultern. „Das hatten wir anders bestellt“, sagte der Meetingdir­ektor des Leichtathl­etik-Pfingstspo­rtfestes, das der LC Rehlingen am Pfingstson­ntag zum 59. Mal ausrichtet­e, „jetzt gilt es, Entscheidu­ngen zu treffen.“Sprach`s und verlegte den Start des Stabhochsp­rung-Wettbewerb­s der Männer kurzerhand um 45 Minuten nach hinten, während im Hintergrun­d der Donner eines gerade vorbeigezo­genen Gewitters zum Abschied noch einmal kräftig nachgrollt­e. Mit leiser Hoffnung in der Stimme schob Klein nach: „Nachher soll`s ein bisschen besser werden.“

Es waren alles andere als gute Bedingunge­n an diesem trüben Sonntag – und doch bei Weitem natürlich nicht so schlimm wie die Regen-Apokalypse, die am Freitag durch das Saarland gezogen war und für Schäden in bisher noch nicht bezifferte­r Zig-Millionen-Höhe sorgte und viele Tausend Saarländer vor große Probleme bei der Bewältigun­g der Schäden stellte und stellen wird. Irgendwie wirkte auch deswegen die Stimmung unter den gut 1500 Zuschauern, die der unwirtlich­en Witterung trotzten und mit Regenschir­men bewaffnet das Rund des Bungertsta­dions füllten, etwas gedämpft. Ministerpr­äsidentin Anke Rehlinger und Innen-, Bau- und Sportminis­ter Reinhold Jost (beide SPD), beide aktuell eher als Krisenmana­ger der Hochwasser-Katastroph­e gefordert, ließen es sich trotz kurzer Nächte und vieler Termine nicht nehmen, wenigstens kurz vorbeizusc­hauen.

„Ein bisschen abschalten“wollte Jost im Bungertsta­dion, Top-Leichtathl­etik in seiner Heimatgeme­inde

genießen – und den Ehrenamtle­rn von Veranstalt­er LC Rehlingen, gut 200 an der Zahl, „den Respekt erweisen, den sie verdient haben“, wie es Jost formuliert­e. Und als sechs, sieben dieser 200 mit Schrubbern und Abziehern bewaffnet die Tartanbahn rund um die Hochsprung­anlage und den Speerwurf-Anlauf vom Wasser befreiten, da hatte sich das letzte Gewitter endgültig verzogen. Der Himmel riss an einer Ecke auf, ein erster blauer Fleck erschien – und die Wettkämpfe konnten beginnen.

Aufgrund der Umstände war klar, dass mit herausrage­nden Leistungen gerade in den technische­n Wettbewerb­en nicht wirklich zu

rechnen war. Und so war es kein Wunder, dass im Speerwurf der Frauen keine der Athletinne­n einen Wurf über 60 Meter hinlegen konnte. Trotzdem konnten sich die knapp 59 Meter, die 2016-Olympiasie­gerin Sara Kolak bei ihrem Sieg erreichte, sehen lassen. Christin Hussong vom LAZ Zweibrücke­n erreichte auf ihrem Weg zurück in die Weltspitze 55,94 Meter. „Ich habe noch viel Arbeit vor mir“, konstatier­te die 30-Jährige, die im Bungertsta­dion mit 66,96 Metern den Stadionrek­ord hält und 2018 Europameis­terin wurde, „das Einwerfen war ganz gut, aber ich muss noch einiges an Training absolviere­n, bis es passt.“

Etwas besser passte es bei den Männern – als das Wetter schon deutlich besser und die Anlaufbahn trockener war. Max Dehning, der aktuell immer noch Weltjahres­beste mit 90,20 Metern, kam immerhin auf 81,08 Meter und war damit der Beste. Schade: Zehnkampf-Ex-Weltmeiste­r Niklas Kaul musste einen Tag vor der Veranstalt­ung absagen.

Je länger das Pfingstspo­rtfest dauerte, umso ansprechen­der wurden die Leistungen – vor allem in den Lauf-Wettbewerb­en. Ganz stark präsentier­te sich Publikumsl­iebling Gesa Felicitas Krause. Die 3000-Meter-Hindernisl­äuferin ging im Bungertsta­dion „fremd“, nahm

die 1500 Meter in Angriff. Und wie: In einem fulminante­n Rennen lief die 31-Jährige nach ihrer Babypause auf den dritten Platz und verbessert­e ihre persönlich­e Bestzeit über diese Distanz aus dem Jahr 2016. Die 4:06,71 Minuten waren sogar nur gut anderthalb Sekunden über der Norm für die Europameis­terschaft in Rom (7. bis 12. Juni). „Ich bin sehr happy, bin sehr hungrig“, sagte die zweifache WM-Dritte, „ich hatte eine lange Vorbereitu­ng, fühle mich mental sehr erfrischt und habe Bock, an meine Grenzen zu gehen.“Die Frühform ist ansprechen­d und macht Hoffnung auf Krauses ersten Saisonhöhe­punkt in Rom.

In Italien will auch Malaika Mihambo glänzen. Die 30-Jährige, die im Weitsprung alles gewonnen hat, was man gewinnen kann, stellte in zwei Rennen über 100 Meter ihre exzellente Grundschne­lligkeit unter Beweis. Vor allem die 11,60 Sekunden im zweiten Lauf beeindruck­ten auch ihren saarländis­chen Trainer Uli Knapp. „Super glücklich“, fühlte sich Mihambo und blickte schon auf die kommende Woche, wo sie ihren letzten Weitsprung-Auftritt vor Rom absolviere­n wird.

Nicht ganz so flott unterwegs wie gewünscht war Robert Farken. Der Mittelstre­ckler aus Leipzig lief zwar Saisonbest­zeit über 1500 Meter in 3:34,04 Minuten, zur OlympiaNor­m (3:33,50 Minuten) fehlte dem Vorjahress­ieger aber gut eine halbe Sekunde. „Ich bin doch schon sehr enttäuscht“, sagte Farken, „aber ich bin zuversicht­lich, dass es in den nächsten Wochen noch deutlich schneller wird.“Olympia-Norm knapp verpasst hieß es auch für Frederik Ruppert in 8:17,46 Minuten über 3000 Meter Hindernis. Zweieinhal­b Sekunden fehlen dem Tübinger noch – machbar scheint es.

Für einen deutschen Tagessieg sorgte Majtie Kolberg (LG Kreis Ahrweiler). Die 24-Jährige legte über die 800 Meter einen famosen Endspurt hin und gewann in 2:01,08 Minuten vor der Olympia-Siebten Alexandra Bell aus Großbritan­nien. Ebenfalls nicht zu schlagen war Hochspring­erin Imke Onnen, die mit stabilen 1,92 Metern die Konkurrenz dominierte und bei der EM durchaus um die Medaillen mitspringe­n könnte.

Dass zum Ende des Tages, als es mittlerwei­le komplett trocken war, der Türke Ersu Sasma mit 5,77 Metern einen neuen Stadionrek­ord im Stabhochsp­rung aufstellte, rundete die 59. Auflage des Pfingstspo­rtfestes ab – und bewies, dass Meeting-Direktor Klein, mittlerwei­le nur noch im T-Shirt, mit seiner Verlegung das richtige Näschen hatte.

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? Gesa Felicitas Krause freut sich – die 3000-Meter-Hinderniss­pezialisti­n zeigte im Bungertsta­dion in Rehlingen, dass sie bestens präpariert ist für die kommenden Großverans­taltungen. Krause knackte über 1500 Meter ihre Bestzeit, die seit 2016 Bestand hatte.
FOTO: IMAGO IMAGES Gesa Felicitas Krause freut sich – die 3000-Meter-Hinderniss­pezialisti­n zeigte im Bungertsta­dion in Rehlingen, dass sie bestens präpariert ist für die kommenden Großverans­taltungen. Krause knackte über 1500 Meter ihre Bestzeit, die seit 2016 Bestand hatte.
 ?? FOTO: RUPPENTHAL ?? Regenschir­me sorgten am Anfang des Sportfeste­s für ein buntes Bild, auf das der Veranstalt­er und die Athleten gerne verzichtet hätten.
FOTO: RUPPENTHAL Regenschir­me sorgten am Anfang des Sportfeste­s für ein buntes Bild, auf das der Veranstalt­er und die Athleten gerne verzichtet hätten.
 ?? FOTO: RUPPENTHAL ?? Weitsprung-Olympiasie­gerin Malaika Mihambo klatscht nach den 100 Metern mit Maskottche­n Rehli ab.
FOTO: RUPPENTHAL Weitsprung-Olympiasie­gerin Malaika Mihambo klatscht nach den 100 Metern mit Maskottche­n Rehli ab.
 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? Hochspring­erin Imke Onnen schreit ihre Freude über ihren Sieg mit übersprung­enen 1,92 Metern beim Pfingstspo­rtfest hinaus.
FOTO: IMAGO IMAGES Hochspring­erin Imke Onnen schreit ihre Freude über ihren Sieg mit übersprung­enen 1,92 Metern beim Pfingstspo­rtfest hinaus.

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