Grandiose Krause, flotte Mihambo
Deutschlands Vorzeige-Leichtathletinnen überzeugen beim Pfingstsportfest in Rehlingen beim „Fremdgehen“.
Werner Klein stand in seinem gelben Regenparka auf der Tartanbahn des Bungertstadions in Rehlingen, schaute zum wolkenverhangenen Himmel und zuckte mit den Schultern. „Das hatten wir anders bestellt“, sagte der Meetingdirektor des Leichtathletik-Pfingstsportfestes, das der LC Rehlingen am Pfingstsonntag zum 59. Mal ausrichtete, „jetzt gilt es, Entscheidungen zu treffen.“Sprach`s und verlegte den Start des Stabhochsprung-Wettbewerbs der Männer kurzerhand um 45 Minuten nach hinten, während im Hintergrund der Donner eines gerade vorbeigezogenen Gewitters zum Abschied noch einmal kräftig nachgrollte. Mit leiser Hoffnung in der Stimme schob Klein nach: „Nachher soll`s ein bisschen besser werden.“
Es waren alles andere als gute Bedingungen an diesem trüben Sonntag – und doch bei Weitem natürlich nicht so schlimm wie die Regen-Apokalypse, die am Freitag durch das Saarland gezogen war und für Schäden in bisher noch nicht bezifferter Zig-Millionen-Höhe sorgte und viele Tausend Saarländer vor große Probleme bei der Bewältigung der Schäden stellte und stellen wird. Irgendwie wirkte auch deswegen die Stimmung unter den gut 1500 Zuschauern, die der unwirtlichen Witterung trotzten und mit Regenschirmen bewaffnet das Rund des Bungertstadions füllten, etwas gedämpft. Ministerpräsidentin Anke Rehlinger und Innen-, Bau- und Sportminister Reinhold Jost (beide SPD), beide aktuell eher als Krisenmanager der Hochwasser-Katastrophe gefordert, ließen es sich trotz kurzer Nächte und vieler Termine nicht nehmen, wenigstens kurz vorbeizuschauen.
„Ein bisschen abschalten“wollte Jost im Bungertstadion, Top-Leichtathletik in seiner Heimatgemeinde
genießen – und den Ehrenamtlern von Veranstalter LC Rehlingen, gut 200 an der Zahl, „den Respekt erweisen, den sie verdient haben“, wie es Jost formulierte. Und als sechs, sieben dieser 200 mit Schrubbern und Abziehern bewaffnet die Tartanbahn rund um die Hochsprunganlage und den Speerwurf-Anlauf vom Wasser befreiten, da hatte sich das letzte Gewitter endgültig verzogen. Der Himmel riss an einer Ecke auf, ein erster blauer Fleck erschien – und die Wettkämpfe konnten beginnen.
Aufgrund der Umstände war klar, dass mit herausragenden Leistungen gerade in den technischen Wettbewerben nicht wirklich zu
rechnen war. Und so war es kein Wunder, dass im Speerwurf der Frauen keine der Athletinnen einen Wurf über 60 Meter hinlegen konnte. Trotzdem konnten sich die knapp 59 Meter, die 2016-Olympiasiegerin Sara Kolak bei ihrem Sieg erreichte, sehen lassen. Christin Hussong vom LAZ Zweibrücken erreichte auf ihrem Weg zurück in die Weltspitze 55,94 Meter. „Ich habe noch viel Arbeit vor mir“, konstatierte die 30-Jährige, die im Bungertstadion mit 66,96 Metern den Stadionrekord hält und 2018 Europameisterin wurde, „das Einwerfen war ganz gut, aber ich muss noch einiges an Training absolvieren, bis es passt.“
Etwas besser passte es bei den Männern – als das Wetter schon deutlich besser und die Anlaufbahn trockener war. Max Dehning, der aktuell immer noch Weltjahresbeste mit 90,20 Metern, kam immerhin auf 81,08 Meter und war damit der Beste. Schade: Zehnkampf-Ex-Weltmeister Niklas Kaul musste einen Tag vor der Veranstaltung absagen.
Je länger das Pfingstsportfest dauerte, umso ansprechender wurden die Leistungen – vor allem in den Lauf-Wettbewerben. Ganz stark präsentierte sich Publikumsliebling Gesa Felicitas Krause. Die 3000-Meter-Hindernisläuferin ging im Bungertstadion „fremd“, nahm
die 1500 Meter in Angriff. Und wie: In einem fulminanten Rennen lief die 31-Jährige nach ihrer Babypause auf den dritten Platz und verbesserte ihre persönliche Bestzeit über diese Distanz aus dem Jahr 2016. Die 4:06,71 Minuten waren sogar nur gut anderthalb Sekunden über der Norm für die Europameisterschaft in Rom (7. bis 12. Juni). „Ich bin sehr happy, bin sehr hungrig“, sagte die zweifache WM-Dritte, „ich hatte eine lange Vorbereitung, fühle mich mental sehr erfrischt und habe Bock, an meine Grenzen zu gehen.“Die Frühform ist ansprechend und macht Hoffnung auf Krauses ersten Saisonhöhepunkt in Rom.
In Italien will auch Malaika Mihambo glänzen. Die 30-Jährige, die im Weitsprung alles gewonnen hat, was man gewinnen kann, stellte in zwei Rennen über 100 Meter ihre exzellente Grundschnelligkeit unter Beweis. Vor allem die 11,60 Sekunden im zweiten Lauf beeindruckten auch ihren saarländischen Trainer Uli Knapp. „Super glücklich“, fühlte sich Mihambo und blickte schon auf die kommende Woche, wo sie ihren letzten Weitsprung-Auftritt vor Rom absolvieren wird.
Nicht ganz so flott unterwegs wie gewünscht war Robert Farken. Der Mittelstreckler aus Leipzig lief zwar Saisonbestzeit über 1500 Meter in 3:34,04 Minuten, zur OlympiaNorm (3:33,50 Minuten) fehlte dem Vorjahressieger aber gut eine halbe Sekunde. „Ich bin doch schon sehr enttäuscht“, sagte Farken, „aber ich bin zuversichtlich, dass es in den nächsten Wochen noch deutlich schneller wird.“Olympia-Norm knapp verpasst hieß es auch für Frederik Ruppert in 8:17,46 Minuten über 3000 Meter Hindernis. Zweieinhalb Sekunden fehlen dem Tübinger noch – machbar scheint es.
Für einen deutschen Tagessieg sorgte Majtie Kolberg (LG Kreis Ahrweiler). Die 24-Jährige legte über die 800 Meter einen famosen Endspurt hin und gewann in 2:01,08 Minuten vor der Olympia-Siebten Alexandra Bell aus Großbritannien. Ebenfalls nicht zu schlagen war Hochspringerin Imke Onnen, die mit stabilen 1,92 Metern die Konkurrenz dominierte und bei der EM durchaus um die Medaillen mitspringen könnte.
Dass zum Ende des Tages, als es mittlerweile komplett trocken war, der Türke Ersu Sasma mit 5,77 Metern einen neuen Stadionrekord im Stabhochsprung aufstellte, rundete die 59. Auflage des Pfingstsportfestes ab – und bewies, dass Meeting-Direktor Klein, mittlerweile nur noch im T-Shirt, mit seiner Verlegung das richtige Näschen hatte.