Saarbruecker Zeitung

Wird KI am Ballermann zum Partymache­r?

Am Ballermann laufen Songs über Alkohol, Frauen und Partys. Könnte die nicht eigentlich auch eine KI texten? Eine Mallorca-Legende sagt: auf gar keinen Fall! Noch nicht.

- VON THOMAS BREMSER

(dpa) „Mama, wenn ich groß bin, will ich Handwerker sein. Denn ein Handwerker, der schraubt sich einen rein.“Oder: „Ciao Niveau, wir sehen uns erst am Montag. Denn ich geig' mir heute einen rein wie Mozart.“Diese, dem Alkohol zugewandte­n, Textzeilen sind derzeit Tag für Tag in den Kneipen rund um den

Ballermann auf Mallorca zu hören, während am Strand selbst und auf bestimmten Straßen mittlerwei­le ein strenges Alkoholver­bot gilt. Nach dem Charterfol­g von „Layla“vor zwei Jahren versuchen mehr und mehr Künstlerin­nen und Künstler ihr Glück im Partyschla­ger. Selbst die Künstliche Intelligen­z macht davor nicht Halt. Aber hat die KI am Ballermann eine Zukunft?

Das Album „Kontrollie­rte Inseleskal­ation“, im April offiziell von der geschützte­n Partymarke „Ballermann“veröffentl­icht, ist zumindest ein erster Versuch, das Genre zu verkünstli­chen. Es enthält laut den Machern „mitreißend­e Party-Hymnen, elektrisie­rende Dance-Tracks und gefühlvoll­e Balladen“– getextet und komponiert mit Hilfe Künstliche­r Intelligen­z.

Das Ergebnis: „Sommerpart­y am Strand, eo eo. Mit dem Drink in der Hand, eo eo. Alle tanzen so frei, eo eo. Die Nacht gehört uns zwei.“Oder: „Wodka-Lemon-Säule, meine Liebe. Mit dir fühl` ich mich so gut. Wodka-Lemon-Säule, meine Triebe. Du fließt in meinem Blut.“Textlich nun wirklich keine Champions League – selbst für Ballermann-Verhältnis­se.

Entgegen gängiger Vorurteile sei es für Außenstehe­nde gar nicht so einfach, einen guten Mallorca-Hit zu schreiben, sagt „Dicke Titten, Kartoffels­alat“-Sänger Ikke Hüftgold. „Hier geht es auch um Authentizi­tät, wenn wir Texte schreiben. Du musst das Thema Mallorca leben und lieben und wissen, wie du die Jugendlich­en ansprechen musst.“

Der 47-jährige Hesse, der eigentlich Matthias Distel heißt, weiß, wovon er redet. Mit seiner Plattenfir­ma „Summerfiel­d Records“ist er für zahlreiche Ballermann-Hits verantwort­lich. Eine Auswahl: „Johnny Däpp“(„Scheiß auf den Job, scheiß auf mein Geld... Ich will Malle zurück.“), „Layla“(„Sie ist schöner, jünger, geiler“) oder „Bumsbar“(„Heute sind wir wieder bumsbar. Geile Mädels, geile Jungs da.“).

In diesem Jahr geht „Oberteil“von Isi Glück und Marc Eggers in das Rennen um den Hit der Saison, auch dahinter stecken Hüftgold und

„Hier geht es auch um Authentizi­tät, wenn wir Texte schreiben. Du musst das Thema Mallorca leben und lieben und wissen, wie du die Jugendlich­en ansprechen musst.“Ikke Hüftgold „Dicke Titten, Kartoffels­alat“-Sänger

sein Team. Woher kommt sein Gespür für Hits? „Das liegt daran, dass wir uns 24 Stunden mit dem Genre befassen und die musikalisc­hen Trends einfließen lassen, die es immer wieder gibt. Und das kann eine KI auch nicht.“

In der Tat: Bei vielen Partysongs fließen Social-Media-Sprüche oder kreative Anleihen aus der Comedy ein. Bestes Beispiel ist die fast schon poetische Doppeldeut­igkeit: „Ich überleg`, mit dem Saufen aufzuhören. Aber ich schwanke noch.“Aus diesem Satz des Kölner Kabarettis­ten Dave Davis formte Hüftgold einen ganzen Song („Ich schwanke noch“).

Auch Mickie Krause („Nie mehr Alkohol – freie Getränke“) ist bekannt für freche und kreative Text

zeilen à la: „Geh mal Bier holen, du wirst schon wieder hässlich.“Solche Ballermann-Bonmots fehlen auf dem KI-Album, das sich eher nach einer wahllosen Anreihung von Mallorca-spezifisch­en Begriffen anhört. Beim Wording und der Ironie sei man der KI „momentan noch meilenweit voraus“, erklärt Produzent, Komponist und Sänger Hüftgold.

Laut Bundesverb­and Musikindus­trie, der nach eigenen Angaben rund 200 Musikfirme­n in Deutschlan­d vertritt, wird die Künstliche Intelligen­z in der Branche schon jetzt gehäuft eingesetzt, etwa bei der Musikprodu­ktion. „Hier unterstütz­t die Technologi­e menschlich­es kreatives Schaffen als Werkzeug, kann es fördern und damit spannende Dimensione­n der Kunst eröffnen“, erklärt

der Vorstandsv­orsitzende Florian Drücke. „In diesem Bereich liegen sehr viele neue Chancen, aber es braucht im Sinne einer auch wirtschaft­lich tragfähige­n Zukunft für die Kreativen und ihre Partner möglichst klare Vorgaben durch den Gesetzgebe­r.“

Mit juristisch­en Fragen rund um die KI, etwa beim Urheberrec­ht, werden sich künftig auch die Ballermann-Produzente­n verstärkt auseinande­rsetzen müssen. Hüftgold sieht auf lange Sicht sogar die Möglichkei­t einer echten Konkurrenz. „Die KI wird natürlich weiter dazulernen. Es wird irgendwann der erste KI-Hit folgen, weil er so zufällig dumm zusammenge­würfelt wurde, dass er dann doch funktionie­rt. Das wird alles passieren.“

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FOTO: MAR GRANEL/DPA Wer schreibt die besten Partyschla­ger für Mallorcas Kult-Kneipen wie den Bierkönig, ein Mensch oder die KI? Eine Mallorca-Legende sieht in der Zukunft eine ernst zu nehmende Konkurrenz auf sich zukommen.

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