Im Konflikt mit Russland zieht die EU andere Saiten auf
Brüssel sendet neue Botschaften an den Kreml: Zinsen aus eingefrorenen russischen Vermögen steckt die EU nun in die Ukraine-Militärhilfe.
Beeindruckend“lautete am Dienstag in Brüssel das meistgehörte Wort sowohl nach dem Frühstück der 27 Europaminister mit Moldauer Regierungsmitgliedern als auch nach der Sitzung des EU-Moldau-Assoziierungsrates. Die Spitzenvertreter aus Brüssel und Chisinau unterschrieben sogleich ein Abkommen zur Sicherheits- und Verteidigungsgemeinschaft und bekräftigten die Zukunft des von Russland massiv bedrängten Ukraine-Nachbarlandes in der EU. Zugleich unterstrich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) die gleichen Zusagen an die Ukraine bei einem Besuch in Kiew und mahnte intensivere Militärhilfe für das von Russland unter Dauerfeuer stehenden Landes an.
Zur Finanzierung dieser Hilfe gibt es seit diesem Dienstag auch ein neues Werkzeug. Der Ministerrat beschloss eine Reihe von Rechtsakten, um die Nettogewinne aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten für die Ukraine zu verwenden: 90 Prozent der geschätzt drei bis vier Milliarden Euro jährlich sollen in die Europäische Friedensfazilität fließen, aus denen die EU-Staaten ihre Waffenlieferungen refinanzieren, zehn Prozent in Verteidigungs- und Wiederaufbauprogramme der EU. Diese Formel ermöglichte die Zustimmung neutraler EU-Staaten wie Österreich, die sich am Ankauf von Waffen nicht beteiligen wollten.
Insgesamt sind in der EU seit Beginn Angriffskrieges über 200 Milliarden Euro russischer Besitztümer eingefroren – vor allem Reserven der russischen Zentralbank. Die USA und die Ukraine hatten darauf gedrängt, das gesamte Geld Kiew zur Verfügung zu stellen. Die EU sorgte sich in diesem Fall jedoch um Gegenreaktionen und die Berechenbarkeit der europäischen Finanzplätze. Der Griff nach den Sondererträgen geschieht nun mit dem Hinweis, dass die russischen Eigentümer damit ohnehin nicht hätten rechnen können.
Nachdem Erkenntnisse der Nato und der Bundesregierung über das Ausmaß hybrider russischer Attacken auf Deutschland und andere
EU-Länder publik geworden waren, entschied sich der Ministerrat zudem, hybride Krisenreaktionsteams der EU aufzustellen, die dann von den Mitgliedsstaaten angefordert werden können, um Abwehrkampagnen etwa gegen Desinformationsattacken zu starten. Europastaatsministerin Anna Lührmann verwies am Rande des Treffens ergänzend auf EU-Sanktionen, die etwa gegen russische Propagandasender auf den Weg gebracht worden seien. Sie betonte, dass auch die Beitrittskandidatenländer verstärkt in den Blick genommen werden sollten. „Hier sind hybride Attacken auf Demokratie an der Tagesordnung“, erklärte Lührmann.
Am Rande der Konferenzen verdichteten sich zudem Hinweise, dass die Beitrittsgespräche mit Moldau und der Ukraine in Form von intergouvernementalen Konferenzen noch im Juni starten könnten. Der Grundsatzbeschluss zur Aufnahme der Beitrittsverhandlungen war zwar bereits im vergangenen Dezember gefällt worden, der tatsächliche Auftakt ist jedoch noch nicht erfolgt. Bei der Ukraine waren weitere Fortschritte auf verschiedenen Reformfeldern verlangt worden, und auch beim EUMoldau-Treffen wurden erneut drei Felder angesprochen, in denen letzte Reformschritte noch ausstünden: Justiz, Korruptionsbekämpfung und Entoligarchisierung. Moldaus Regierungschef Dorin Recean zeigte sich nach der Konferenz am Nachmittag in Brüssel zuversichtlich, das Tempo auf dem europäischen Pfad seines Landes beschleunigen zu können. EU-Außenbeauftragter Josep Borrell würdigte die schon erfolgten Reformen und sagte weitere Unterstützung der EU zu. Die anstehenden Weichenstellungen durch EU-Referendum und Präsidentschaftswahlen werde Russland voraussichtlich zu weiteren Versuchen der Destabilisierung des Landes bringen. Umso mehr betonte Borrell an die Adresse der Moldauer: „Sie gehören zur europäischen Familie.“Die Beziehungen zwischen Moldau und der EU seien „noch nie so eng gewesen“.