Saarbruecker Zeitung

Theaterstü­ck macht Schüler stärker

Den Jugendlich­en der Saarbrücke­r Gemeinscha­ftsschule Bruchwiese brachte ihr Theaterpro­jekt im Theater im Viertel vieles: wachsende Spielfreud­e, Selbstvert­rauen, vielfältig­e Erfahrunge­n. Und die Erkenntnis: „Was wichtig ist: Wir.“

- VON EVELYN BIELEFELD

„Wann hast du dich das letzte Mal an einen berührende­n Moment erinnert?“Es ist still im kleinen Aufführung­ssaal des Theaters im Viertel, als diese Frage ins Publikum gestellt wird. Etwa 50 Schul- und Familienan­gehörige verfolgen gebannt das Stück, das 41 Neuntkläss­ler der Gemeinscha­ftsschule Bruchwiese aufführen. Das Ergebnis monatelang­er Teamarbeit war am Freitagabe­nd auf der Theaterbüh­ne zu sehen.

Alles begann mit der Wahl einer Lektüre für die beiden Deutschkur­se der Lehrerinne­n Constanze Witt-Jung und Kathrin Djahazi. „Uns war wichtig, dass es eine Lektüre ist, die etwas aussagt“, so Djahazi. Und das tut das Buch „Nichts – Was im Leben wichtig ist“der dänischen Autorin Janne Teller. Es behandelt die (von der Hauptfigur postuliert­e) Bedeutungs­losigkeit des Lebens und bietet damit reichlich Raum für existenzie­lle Fragen: Was hat im Leben eigentlich Bedeutung? Was ist mir wirklich wichtig?

Ein komplexes Sujet, zu dem das eigene darstellen­de Spiel einen Zugang ermögliche­n sollte. Für die Schüler, die aus unterschie­dlichen Klassen

des Jahrgangs zusammenka­men, war es das erste gemeinsame Projekt dieser Größenordn­ung: „Ich war unsicher, wusste nicht, ob die Gruppe das schafft. Wir kannten uns ja noch nicht richtig“, erinnert sich Schülerin Zoe Rominger an den Projektbeg­inn im Februar.

Für die Umsetzung als Theaterstü­ck gab es aber noch eine weitere Motivation: Die Spuren, die die Corona-Pandemie bei vielen Kindern hinterlass­en hat, machten sich für Constanze Witt-Jung auch im Deutschunt­erricht bemerkbar: „Viele trauen sich gar nicht mehr nach vorne, um einen Vortrag zu halten, haben sogar Ängste.“Es ging also auch darum, Präsenz einzuüben. Das trainierte Theaterpäd­agogin Cäcilia Dragonat mit den Schülern

immer wieder auf unterschie­dliche Weise: Sich selbst präsentier­en, die Blicke der anderen aushalten. Sich ausdrücken ohne sprechen, gemeinsam ein Standbild formen. Nach und nach verlor sich die Scheu der

Jugendlich­en vor der Darstellun­g. Der Gewinn für die Schüler, die zum Teil schwierige Biografien bis hin zu Kriegserfa­hrungen mitbringen, war nicht zu übersehen: „Sicherheit, Selbstbewu­sstsein und vor allen

Dingen Spielfreud­e. Und was am Anfang noch ein gelesener Text war, ist am Ende ein verstanden­es Wort“, so Cäcilia Dragonat. Kathrin Djahazi erinnert sich an Schülerinn­en, die anfangs kaum ernst bleiben konnten, „die jetzt aber ganz ernsthaft auf der Bühne gestanden sind, auch selbst so stolz darauf waren, wie konzentrie­rt sie eigentlich arbeiten können.“

Doch Bühnenpräs­enz war nur die eine Seite des Projekts, das Geld vom Land, vom Bund, vom Caritas-Verband Saarbrücke­n und vom LionsClub Saarbrücke­n-Halberg bekam. Die Schüler reflektier­ten in unterschie­dlichen Schreibpro­zessen auch für sich persönlich die grundlegen­de Frage des Stücks: Was hat für mich wirklich Bedeutung? Die Ergebnisse dieser Schreibpha­sen fanden wiederum ihren Weg ins Stück und machen es berührend persönlich.

Mehr und mehr wuchs der Wille der Schüler, das Theaterstü­ck auf die Beine zu stellen. „Ich bin froh, dass unsere Klasse das so hinbekomme­n hat, dass alle sich so engagiert haben“, sagt Zoe Rominger bei einer der Proben.

Als es schließlic­h hieß, dass ein Theater für die Aufführung gefunden war, bekamen manche der Jugendlich­en aber doch kalte Füße. Einige Rollen mussten umverteilt werden. „Aber bei anderen Schülern haben wir gesagt: ‚Ihr habt das Zeug dazu.` Und die sind jetzt so aufgeblüht, haben gesagt: ‚Ich bin so gut, und wenn am Freitag die Aufführung kommt, dann mach ich`s noch besser`“, erinnert sich Constanze Witt-Jung. „Wenn wir als Lehrer das Zutrauen haben und sagen: ‚Kommt, geht noch einen Schritt mit uns mit und vertraut uns`, dann kann sich das für die Schüler sehr lohnen.“

Und es hat sich gelohnt – für die Zuschauer, die drei Projektlei­terinnen, aber vor allem für die Schülerinn­en und Schüler selbst, die nach dem langen Applaus eine fast euphorisch­e Stimmung überkam. Wie sie sich jetzt fühlen? „Einfach gut!“„Super!“„Erleichter­t“. „Am Anfang hatte man Angst, aber am Ende hat es Spaß gemacht!“

Von der düsteren Vorlage ist das Projekt letztlich deutlich abgewichen. „Das Stück hat ein anderes Ende bekommen, das war uns ganz wichtig. Die Schüler haben es geschriebe­n“, verrät Constanze Witt-Jung. Denn „einfach glücklich sein“, so hieß es auf der Bühne, ist von Bedeutung. Und so schloss das Stück mit einem Happy End und der stärkenden Erkenntnis: „Was wichtig ist: Wir.“

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Sie haben die Theaterauf­führung mit den Schülerinn­en und Schülern intensiv vorbereite­t: Constanze Witt-Jung, Cäcilia Dragonat, Kathrin Djahazi (von links).
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FOTOS: EVELYN BIELEFELD Eine Impression aus der gelungenen Aufführung der Gemeinscha­ftsschule Bruchwiese im Saarbrücke­r Theater im Viertel.

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