Welche Intention hatten die Väter und Mütter des Grundgesetzes?
Der richtige Nährboden für eine Demokratie?
Das Ende des Krieges in Europa bedeutete nicht das Ende des Leids. Während am 6. August und 9. August in Japan zwei Atombomben niedergingen, bot sich in Europa eine Bild des Chaos. Allein in Deutschland befanden sich bei Kriegsende rund elf Millionen Displaced Persons, Menschen, die von ihrer Heimat vertrieben, deportiert wurden oder geflohen. In Osteuropa sahen sich die überlebenden Juden dem Hass der Bevölkerung ausgesetzt und es kam auch nach dem Krieg zu weiteren Pogromen, sodass viele Juden sich gezwungen sahen, ausgerechnet nach Deutschland fliehen zu müssen. Auch in Deutschland waren Rassismus und Hass nicht mit dem 8. Mai beendet. Mit Kriegsende machte sich auch der Hunger in Deutschland breit und der Kampf um einen vollen Magen wurde für viele Menschen zur bitteren Realität. Der Aufbau einer politischen Infrastruktur rückte in den Hintergrund. So notierte die Kölner Rundschau: „Nicht Parteien oder Gewerkschaften bestimmen unser Leben […] sondern einfach der
Hunger, nichts als Hunger“. Die „Zusammenbruchsgesellschaft“war bittere Realität geworden.
Die Ausarbeitung des Grundgesetzes
Um so bemerkenswerter ist, dass auf diesem Boden Bestrebungen entstehen konnten, eine Verfassung zu entwerfen, die auch noch 75 Jahre später der Demokratie in eben jenem Land den Rücken freihält. Der demokratische Aufbruch in Deutschland fand im Rahmen einer internationalen Demokratisierungswelle statt. In Deutschland war das Konzept einer demokratischen Republik kein Fremder, die meisten Menschen konnten auf ihre Erfahrung aus der Weimarer Republik zurückgreifen. Allerdings war in der Nachkriegszeit auch klar, dass der Demokratisierungsprozess von außen angestoßen werden musste. Ohne die Alliierten wäre der Prozess nicht initiiert worden. Am 1. Juli 1948 in Frankfurt übergaben die Alliierten die „Frankfurter Dokumente“mit dem Auftrag, eine Verfassung für die westlichen Besatzungszonen zu entwerfen.
Dieser Auftrag wurde stark diskutiert, da mit einer Verfassung für die westlichen Länder die Spaltung Deutschlands Realität wäre, weshalb sich der Vorschlag durchsetze, lediglich ein „Grundgesetz“auszuarbeiten. Als am 1. September 1948 der Parlamentarische Rat eröffnet wurde, vermied man bewusst die Bezeichnung „Verfassungsgebende Versammlung“. Zu ihrem Präsidenten wurde der ehemalige Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer, die eigentliche Arbeit fand in den Fachausschüssen statt. Den Hauptausschuss leitete der sozialdemokratische Justizminister von Württemberg-Hohenzollern und Professor für Öffentliches Recht Carlo Schmid.
Lehren der Vergangenheit
Im Artikel 1 „Die Würde des Menschen ist unantastbar“kristallisierten sich die Lehren aus den
Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands heraus.
Nicht nur unveräußerliche und universale Werte prägen das Grundgesetz, sondern auch der Wunsch nach der Wiederaufnahme in die internationale Gemeinschaft. Die
ser Gedanke, der sich gegen die großspurige und feindselige Isolierung der Staaten Europas richtete, war so zentral, dass er sich bereits in der Präambel wiederfindet, in der vom „vereinten Europa“die Rede ist. Dass ein vereintes Europa eine Garantiebedingung für den Frieden in Europa ist, ist eine durch unverstellbares Leid im Ersten und Zweiten Weltkrieg resultierende Lehre, die 75 Jahre später am Erodieren ist. Der Rückfall in die Nationalismen ist von einer gefährlichen Geschichtsblindheit befallen. Zu den Lehren gehört ebenso die schwache Stellung des Präsidenten oder das konstruktive Misstrauensvotum konkrete Lehren aus dieser Zeit sind.
Natürlich gibt es unzählige weitere Werkzeuge, die aus konkreten Erfahrungen der Vergangenheit entwickelt wurden, doch liegt dem Entwurf eines GGs ein Gedanke der inneren Überzeugung zu Grunde, den Carlo Schmid auf den Punkt brachte: „Demokratie ist nur dort mehr als ein Produkt einer bloßen Zweckmäßigkeit, wo man den Mut hat, an sie als etwas für die Menschen Notwendiges zu glauben. Wenn man aber diesen Mut hat, dann muss man auch den Mut zur Intoleranz denen gegenüber aufbringen, die die Demokratie missbrauchen wollen, um sie aufzuheben.“