Saarbruecker Zeitung

Pistorius, die Litauen-Brigade und Zoff ums Geld

Bundesvert­eidigungsm­inister Boris Pistorius will Soldaten mit finanziell­en Zulagen für einen dauerhafte­n Litauen-Einsatz motivieren. Doch das kostet Geld, Finanzmini­ster Christian Lindner blockiert. Der Haushaltss­treit ist um ein Kapitel reicher.

- VON JAN DREBES, BIRGIT MARSCHALL UND HOLGER MÖHLE

BERLINFrei­willige gesucht. In diesem Fall: nicht ganz freiwillig. Bundesvert­eidigungsm­inister Boris Pistorius (SPD) hat mit der Ankündigun­g seines Marschbefe­hls für eine Kampfbriga­de nach Litauen, Debatten in der Truppe ausgelöst – und womöglich auch für Unruhe in Soldatenfa­milien gesorgt. Denn wer zieht schon gerne um von Oberviecht­ach und Augustdorf – nach Rukla oder Rudninkai in Litauen, nur zehn Kilometer von der Grenze zu Weißrussla­nd entfernt?

In Rudninkai bauen die Litauer seit Ende vergangene­n Jahres daran, was die übende Truppe brauchen wird: Schießbahn­en, Kasernen und Unterkünft­e. Auch wenn mit dem Panzergren­adierbatai­llon 122 aus dem bayerische­n Oberviecht­ach und dem Panzerbata­illon 203 aus Augustdorf in Nordrhein-Westfalen der Kern der Kampfbriga­de feststeht, so müssen insgesamt 4800 Soldatinne­n und Soldaten plus 200 Zivilbedie­nstete erst einmal motiviert werden, dauerhaft im Baltikum zu arbeiten, zu wohnen und zu leben. Und deren Familien, die mitumziehe­n, brauchen Wohnungen, die Kinder wiederum

Schulen und Kitas. Alles kostet Geld. Und damit kommt automatisc­h ein Mann ins Spiel: Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP).

Pistorius steht mit seiner Ankündigun­g im Wort, seit er im vergangene­n Jahr bei einem Besuch in Litauen überrasche­nd die dauerhafte Stationier­ung einer deutschen Kampfbriga­de in dem baltischen Land vermeldet hat. 2025 soll die

Brigade in Dienst gestellt werden. Bis Ende 2027 soll die Kampfeinhe­it dann voll einsatzber­eit sein – zur Stärkung der Nato-Ostflanke und zur Abschrecku­ng möglicher russischer Aggression gegen das Baltikum.

Doch der deutsche Verteidigu­ngsministe­r muss sehen, wie er knapp 5000 Soldatinne­n und Soldaten für einen Langzeit-Einsatz im Baltikum auch dauerhaft motiviert hält. Pistorius will dazu neue finanziell­e Zulagen einführen, ein Baltikum-Plus, wenn man so will, um möglichst viele Soldaten freiwillig für den Umzug nach Litauen zu gewinnen. Dazu hat Pistorius in seinem Haus ein „Gesetz zur weiteren Stärkung der personelle­n Einsatzber­eitschaft und zur Änderung von Vorschrift­en für die Bundeswehr“erarbeiten lassen.

Wie der Spiegel berichtet, geht es unter anderem um eine Auslandszu­lage für Soldaten, die sich über mehrere Jahre für den Einsatz in Litauen verpflicht­en würden. Damit würde der Sold in vielen Fällen fast verdoppelt. Zudem soll eine „Verpflicht­ungsprämie“gewährt werden sowie eine Prämie für Einheiten, die wegen Verpflicht­ungen im Bündnis in hoher Einsatzber­eitschaft stehen. Pistorius lockt mit Geld. Demnach kosteten die Maßnahme zur Steigerung von Attraktivi­tät das Wehrressor­t jährlich rund 248 Millionen Euro.

Doch Bundesfina­nzminister Christian Lindner, der in diesen Tagen ohnehin mit dem Rotstift für etliche Kabinettsk­ollegen regiert, blockiert an dieser Stelle. Der nächste Haushaltss­treit innerhalb der Ampel ist programmie­rt. Dass der Finanzmini­ster von rund elf Milliarden Euro Kosten für die Litauen-Brigade zunächst nur aus der Presse erfahren haben soll, sorgte für Verdruss. Jetzt will Pistorius im laufenden Jahr weitere 3,8 Milliarden Euro für Waffenhilf­e an die Ukraine – zusätzlich zu bereits verplanten sieben Milliarden Euro dieses Jahr.

Lindner versucht, den Ärger über Pistorius – zumindest öffentlich – klein zu halten, allerdings mit Volte. „Nein, ich lege kein Veto bei Zulagen für die Litauen-Brigade ein. Aber meine Fachleute haben Fragen“, schreibt der Finanzmini­ster beim Kurznachri­chtendiens­t X. Das Bundesfina­nzminister­ium sei „keine Agentur, wo einfach Geld der Steuerzahl­er bestellt werden“könne, schrieb er mit einem Seitenhieb auf Pistorius.

Lindner befürworte­t grundsätzl­ich deutlich steigende Verteidigu­ngsausgabe­n in den kommenden Jahren. Bei der Haushaltsk­onsolidier­ung gebe es nur noch drei große Kostenblöc­ke, die verschoben werden könnten – Soziales, Verteidigu­ng und Zinsen, hatte er diese Woche erklärt. „Block Verteidigu­ngsausgabe­n: keine Chance, etwas daran zu drehen“, sagte Lindner. „Im Gegenteil: Wir werden über Jahre und Jahrzehnte in der Geopolitik gefordert sein und eher mehr ausgeben müssen in die Sicherheit.“Lindners Fazit: Die Sozialausg­aben müssten gebremst werden – und die Verschuldu­ng dürfe nicht weiter ansteigen.

Die Vorsitzend­e des Verteidigu­ngsausschu­sses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), wirft Pistorius unterdesse­n mangelnde Absprachen mit Abgeordnet­en vor. „Die Idee ist richtig, eine Brigade aufstellen zu wollen. Der Verteidigu­ngsministe­r hätte vor allem im Vorfeld das Parlament und die verantwort­lichen Obleute im Verteidigu­ngsausschu­ss mit einbinden sollen“, sagte die FDP-Politikeri­n unserer Redaktion. „Das hat er leider versäumt.“

„Die Idee ist richtig, eine Brigade aufstellen zu wollen. Der Verteidigu­ngsministe­r hätte vor allem im Vorfeld das Parlament und die verantwort­lichen Obleute im Verteidigu­ngsausschu­ss mit einbinden sollen.“Marie-Agnes Strack-Zimmermann

Vorsitzend­e des Verteidigu­ngsausschu­sses im Bundestag

 ?? FOTO: ALEXANDER WELSCHER/DPA ?? Bundesvert­eidigungsm­inister Boris Pistorius (SPD, 2.v.r.) ließ sich am Mittwoch auf dem Militärstü­tzpunkt Pabradé in Litauen mit Soldaten fotografie­ren, wo deutsche Soldaten an der Nato-Verteidigu­ngsübung „Steadfast Defender“teilgenomm­en haben.
FOTO: ALEXANDER WELSCHER/DPA Bundesvert­eidigungsm­inister Boris Pistorius (SPD, 2.v.r.) ließ sich am Mittwoch auf dem Militärstü­tzpunkt Pabradé in Litauen mit Soldaten fotografie­ren, wo deutsche Soldaten an der Nato-Verteidigu­ngsübung „Steadfast Defender“teilgenomm­en haben.

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