Saarbruecker Zeitung

Wie Todkranken im Saarland geholfen wird

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In Luxemburg ist aktive Sterbehilf­e straffrei, Frankreich diskutiert darüber, in Deutschlan­d gibt es kein Gesetz. Ein Palliativm­ediziner und eine Hospizleit­erin aus dem Saarland erklären, wie die Situation abseits dieser Fakten ist. Für sie muss Suizid für Schwerstkr­anke nicht der letzte Ausweg sein.

Dietrich Wördehoffs großes Anliegen seit Jahren ist die Palliativm­edizin. Sie sei in der Onkologie, also bei Krebserkra­nkungen, am weitesten verbreitet, sei aber bei allen lebensbegr­enzenden Erkrankung­en wichtig, etwa bei COPD (chronische Lungenerkr­ankung). Seine Erfahrung: Menschen, die Suizid begehen wollen, entscheide­n oft spontan, ohne Rücksicht auf die Angehörige­n. Die wiederum machten sich dann große Vorwürfe.

Palliativ bedeutet für ihn, Menschen trotz Krankheit Lebensqual­ität zu geben. Ute Seibert ergänzt: „Palliativ heißt nicht, nichts zu machen, es bedeutet nicht, Menschen sterben zu lassen, sondern Sterben zuzulassen.“Wenn nichts mehr zu machen sei, gebe es noch viel zu tun. Ziel: Lebensqual­ität, nicht Lebensverl­ängerung.

Wördehoff betont, eine Entscheidu­ng zum assistiert­en Suizid müsse frei verantwort­lich, dauerhaft sein.

Studien wiesen nach, dass viele Menschen, die von der Möglichkei­t des assistiert­en Suizids hörten, sich dazu entschiede­n. Ute Seibert: „Das ist wie eine Ansteckung­sgefahr.“Und für Suizid brauche man keinen Zweiten oder Dritten, das könne man alleine machen.

In Frankreich gibt es seit 1999 ein Gesetz, das den Anspruch auf Palliativv­ersorgung regelt. Doch die Palliativv­ersorgung ist in Frankreich wesentlich schlechter als in Deutschlan­d. Nur 50 Prozent könnten versorgt werden, sagt Wördehoff. In Deutschlan­d sei die Versorgung flächendec­kend. In Frankreich hingegen sei auch die ambulante palliative Versorgung nur „rudimentär“.

Der Palliativm­ediziner plädiert dafür, in Frankreich die Hospizund Palliativv­ersorgung auszubauen, statt Tötung auf Verlangen einzuführe­n. „Wie kann ich Schwerstkr­anken noch ein gutes Leben bieten?“, das sei die zentrale Frage und nicht „wie kann ich sie möglichst schnell um die Ecke bringen“.

Nochmal der Blick nach Luxemburg: Dietrich Wördehoff bietet Weiterbild­ung in Palliativm­edizin an. Ärzte aus Luxemburg nähmen nur selten daran teil. Immerhin gibt es in Luxemburg aber ein stationäre­s Hospiz und Omega 90, einen ambulanten Hospizdien­st.

In Anbetracht der anstehende­n Diskussion um Sterbehilf­e in

Frankreich erneuert Ute Seibert ihre Forderung: „Wir brauchen eine Kultur des Sterbenzul­assens.“Palliativm­ediziner Dietrich Wördehoff ergänzt: „Wir müssen uns um die vielen Menschen kümmern, die Angst haben.“Auch als Palliativm­ediziner habe er Respekt davor, wenn sich jemand bewusst für Suizid entscheide.

Allerdings, ergänzt Ute Seibert, die Menschen dürften sich nicht in einer psychische­n Akutsituat­ion befinden. Ihre generelle Forderung: In Deutschlan­d sollte die Suizidpräv­ention unbedingt ausgebaut werden.

„Palliativ heißt nicht, nichts zu machen, es bedeutet nicht, Menschen sterben zu lassen, sondern Sterben zuzulassen.“Ute Seibert Leiterin des Paul-Marien-Hospizes in Saarbrücke­n

Menschen, die unter Depression­en leiden und Suizidgeda­nken haben, finden bei der Telefonsee­lsorge online oder kostenlos telefonisc­h rund um die Uhr Hilfe: Telefon (0800) 1 01 11 und (08 00) 1 02 22. Die Beratungsg­espräche finden anonym und vertraulic­h statt.

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SYMBOLFOTO: KAHNERT/DPA Laut Palliativm­edizinern ist die Versorgung in Deutschlan­d flächendec­kend, während sie in Frankreich nur „rudimentär“sei.

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