Wie das Hochwasser die Saar-Kultur traf
Wie sieht die HochwasserBilanz der Kulturinstitutionen aus, die an der Saar liegen? Man erfährt, warum selbst das TheaterSchiff Probleme hatte und warum das Staatstheater den Spielbetrieb nicht einstellte.
SAARBRÜCKEN Wie schön wäre es gewesen, wenn alle Anfragen der Saarbrücker Zeitung mit diesem Satz beantwortet worden wären: „Wir hatten Glück und hatten keinerlei Hochwasser-Schäden“, diese Kurz-Mail schickte uns die CinestarTheaterleiterin Selina Sueß. Das Groß-Kino liegt in Flussnähe am Innenstadt-Rand, also nicht an der Saarbrücker „Kulturmeile“im Umfeld des Tbilisser Platzes. Dort sah und sieht die Hochwasser-Bilanz anders aus, allerdings von Institution zu Institution überraschend unterschiedlich, trotz der räumlichen Nähe.
Über die rundum erfolgreiche Rettungsaktion für einige, im Keller der Modernen Galerie gelagerte Kunstwerke hat die SZ bereits berichtet. Dort drang Wasser über Ritzen in der Bodenplatte des SchöneckerAltbaus ein. Und auch im ebenfalls in den 70er Jahren erbauten und seit über 15 Jahren als sanierungsbedürftig eingestuften Gebäude der Hochschule für Musik (HfM) blieb zwar zunächst alles ungefährdet, doch am Dienstag drang das Wasser dann doch ins Untergeschoss ein, wo sich die Übungsräume und Studios befinden, auch Spinde mit teuren Privatinstrumenten der Studierenden. Doch auch diese späte Notsituation geriet weniger dramatisch als befürchtet, denn die Untergeschoss-Räume hatten Mitarbeiter, Dozenten und Studenten bereits am Freitag in einer vorsorglichen „Hauruck-Aktion“weitgehend leer geräumt. Das war von der Pressechefin der HfM, Alexandra Raetzer, zu erfahren. Alle transportablen Instrumente, vorrangig alle nicht fest eingebauten Flügel und Cembalos, sowie die Tontechnik seien mit Hilfe des Bühnenaufzugs ins Obergeschoss gehoben und geschoben worden. Wie viele, kann sie nicht beziffern, aber: „Der gesamte Konzertsaal stand irgendwann voll mit Flügeln“. Das war nur bis Mittwochmorgen so, dann kehrten die Instrumente in die Studios zurück.
Ein teurer Schadensfall ist aber doch zu melden: Die Orgel, die sich im Orgel-Übe-Raum befindet, konnte nicht evakuiert werden, denn sie ist fest installiert und jetzt zerstört. Ausgerechnet in diesen Raum war am Dienstag noch Wasser eingedrungen. Es kam, anders als im Museum, nicht aus dem Boden, sondern drückte laut Raetzer von der voll durchtränkten Wiese aus durch das Mauerwerk nach innen.
„Unsere Situation war über die Tage nicht wirklich kritisch“, meint Raetzer, allerdings sei es zu Beginn nervenaufreibend gewesen, zu beobachten, wie sich die Einfahrt zur Q-Park-Tiefgarage direkt nebenan nach und nach mit Wasser füllte.
Auch das Staatstheater liegt in direkter Nachbarschaft zum Parkhaus, doch dort blieben Keller und Wände unberührt von den Wassermassen. Warum hielt diese Architektur – sie stammt aus den 30er Jahren – stand? Dafür hat auch SST-Sprecherin Monika Liegmann keine Erklärung. Sie kann nur sichtlich froh für das große Haus verkünden: „Wir hatten keinerlei Schäden.“Lediglich in ein Bühnenbild-Lager im Stadtteil Rußhütte sei Wasser eingedrungen, was dabei kaputt ging, sei noch nicht genau ermittelt.
Auf Grund der für das SST-Gebäude sicheren Situation habe man auch nur eine einzige Vorstellung am Freitagabend abgesagt und habe über Pfingsten den Theaterbetrieb aufrechterhalten. War das nun – im Hinblick auf die vielen persönlichen Katastrophen im Land – kritikwürdig? Darauf antwortet Intendant Bodo Busse: Die Lage habe sich am Wochenende „zum Glück an vielen Orten der Saarbrücker City (...) schnell entspannt, am St. Johanner Markt herrschte bereits am Samstag reger Betrieb. Einige Restaurants und Kneipen waren geöffnet, viele Veranstaltungen wie beispielsweise das Festival Perspectives oder die zwei Shows des Comedians Bülent Ceylan am Samstag und Sonntag in der ausverkauften Saarlandhalle mit insgesamt 8000 Besuchern fanden statt. Auch Sportveranstaltungen wie das Heimspiel der SV Elversberg oder das Internationale Pfingstsportfest in Rehlingen wurden wie geplant durchgeführt. Warum hätten wir da nicht spielen sollen? Das hätte doch niemandem genützt. Wir wollten unseren Kundinnen und Kunden signalisieren, dass wir für sie da sind und auch beim Kartenumtausch wegen der Unwetterfolgen selbstverständlich kulant sind. Es gab beim Saarländischen Staatstheater am Wochenende übrigens nur sieben Besucher, die der Vorverkaufskasse mitteilten, dass sie wegen erschwerter Anreise ihr Theaterticket umtauschen müssen.“Busse verweist auf die Solidarität des SST: Man helfe der Freien Szene, deren Lager durch das Hochwasser zerstört wurde, mit technischem Equipment und Bühnenelementen. Außerdem würden an allen Spielstätten und der Vorverkaufskasse Spendenboxen aufgestellt, um für Betroffene zu sammeln. Das Geld gehe an den Caritasverband.
Dass das Hochwasser auch Kultur-„Locations“getroffen hat, an die man im ersten Moment nicht denkt, zeigt ein Blick auf das Theaterschiff Maria Helena, das am Saarufer festgemacht ist. „Aber es schwimmt doch, das Theaterschiff?“, diese Frage hörten Barbara Bruhn und Frank Lion (Compagnie Lion) in den vergangenen Tagen derart oft, dass sie eine Pressemitteilung verfassten: Die Saar verwandele sich bei Hochwasser in einen reißenden Fluss: „Die größte Herausforderung ist, zu kontrollieren, wohin sich dass 40 Meter lange Schiff bewegt und zu verhindern, dass die 70 Tonnen Stahl auf Land geraten, wenn das Wasser sinkt.“Hauptsorge habe dem Treibgut gegolten, darunter auch Container und Tanks, die an das Schiff knallten und den Druck auf die Leinen massiv verstärkt hätten. Doch alles verlief ohne Schäden für die Maria Helena, aber das Umfeld ging zu Bruch. Laut Bruhn/Lion wurde die Brücke demoliert, auch Sitzgelegenheiten für die Zuschauer am Ufer, Technik und Bühnenmaterial, das sich im Lagercontainer befand. Ein wirtschaftlicher Schaden entstehe wegen der Absagen von Vermietungen. Denn die Stromversorgung am gesamten Willi-GrafUfer sei abgesoffen und müsse erst einmal komplett erneuert werden.
Und last but not least grenzt auch das Völklinger Weltkulturerbe direkt an die Saar. Die Presseabteilung teilt mit: „In der Ausstellung ‚Der deutsche Film` mussten einzelne Installationen im Tiefgeschoss abgeschaltet werden, da im Untergeschoss der Gebläsehalle an einigen Stellen Wasser eingedrungen war. Das Wasser wurde abgepumpt. Aufgrund des schnellen und professionellen Einsatzes unseres Technik-Teams konnten Schäden an Beamern und anderem technischen Material verhindert werden.“Außerdem sei das Urban-Art-Kunstwerk „Torches of freedom“, die Riesen-Zigarette in der Hochofengruppe, aufgrund des Starkregens beschädigt worden.