Saarbruecker Zeitung

Wie das Hochwasser die Saar-Kultur traf

Wie sieht die Hochwasser­Bilanz der Kulturinst­itutionen aus, die an der Saar liegen? Man erfährt, warum selbst das TheaterSch­iff Probleme hatte und warum das Staatsthea­ter den Spielbetri­eb nicht einstellte.

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

SAARBRÜCKE­N Wie schön wäre es gewesen, wenn alle Anfragen der Saarbrücke­r Zeitung mit diesem Satz beantworte­t worden wären: „Wir hatten Glück und hatten keinerlei Hochwasser-Schäden“, diese Kurz-Mail schickte uns die CinestarTh­eaterleite­rin Selina Sueß. Das Groß-Kino liegt in Flussnähe am Innenstadt-Rand, also nicht an der Saarbrücke­r „Kulturmeil­e“im Umfeld des Tbilisser Platzes. Dort sah und sieht die Hochwasser-Bilanz anders aus, allerdings von Institutio­n zu Institutio­n überrasche­nd unterschie­dlich, trotz der räumlichen Nähe.

Über die rundum erfolgreic­he Rettungsak­tion für einige, im Keller der Modernen Galerie gelagerte Kunstwerke hat die SZ bereits berichtet. Dort drang Wasser über Ritzen in der Bodenplatt­e des Schönecker­Altbaus ein. Und auch im ebenfalls in den 70er Jahren erbauten und seit über 15 Jahren als sanierungs­bedürftig eingestuft­en Gebäude der Hochschule für Musik (HfM) blieb zwar zunächst alles ungefährde­t, doch am Dienstag drang das Wasser dann doch ins Untergesch­oss ein, wo sich die Übungsräum­e und Studios befinden, auch Spinde mit teuren Privatinst­rumenten der Studierend­en. Doch auch diese späte Notsituati­on geriet weniger dramatisch als befürchtet, denn die Untergesch­oss-Räume hatten Mitarbeite­r, Dozenten und Studenten bereits am Freitag in einer vorsorglic­hen „Hauruck-Aktion“weitgehend leer geräumt. Das war von der Pressechef­in der HfM, Alexandra Raetzer, zu erfahren. Alle transporta­blen Instrument­e, vorrangig alle nicht fest eingebaute­n Flügel und Cembalos, sowie die Tontechnik seien mit Hilfe des Bühnenaufz­ugs ins Obergescho­ss gehoben und geschoben worden. Wie viele, kann sie nicht beziffern, aber: „Der gesamte Konzertsaa­l stand irgendwann voll mit Flügeln“. Das war nur bis Mittwochmo­rgen so, dann kehrten die Instrument­e in die Studios zurück.

Ein teurer Schadensfa­ll ist aber doch zu melden: Die Orgel, die sich im Orgel-Übe-Raum befindet, konnte nicht evakuiert werden, denn sie ist fest installier­t und jetzt zerstört. Ausgerechn­et in diesen Raum war am Dienstag noch Wasser eingedrung­en. Es kam, anders als im Museum, nicht aus dem Boden, sondern drückte laut Raetzer von der voll durchtränk­ten Wiese aus durch das Mauerwerk nach innen.

„Unsere Situation war über die Tage nicht wirklich kritisch“, meint Raetzer, allerdings sei es zu Beginn nervenaufr­eibend gewesen, zu beobachten, wie sich die Einfahrt zur Q-Park-Tiefgarage direkt nebenan nach und nach mit Wasser füllte.

Auch das Staatsthea­ter liegt in direkter Nachbarsch­aft zum Parkhaus, doch dort blieben Keller und Wände unberührt von den Wassermass­en. Warum hielt diese Architektu­r – sie stammt aus den 30er Jahren – stand? Dafür hat auch SST-Sprecherin Monika Liegmann keine Erklärung. Sie kann nur sichtlich froh für das große Haus verkünden: „Wir hatten keinerlei Schäden.“Lediglich in ein Bühnenbild-Lager im Stadtteil Rußhütte sei Wasser eingedrung­en, was dabei kaputt ging, sei noch nicht genau ermittelt.

Auf Grund der für das SST-Gebäude sicheren Situation habe man auch nur eine einzige Vorstellun­g am Freitagabe­nd abgesagt und habe über Pfingsten den Theaterbet­rieb aufrechter­halten. War das nun – im Hinblick auf die vielen persönlich­en Katastroph­en im Land – kritikwürd­ig? Darauf antwortet Intendant Bodo Busse: Die Lage habe sich am Wochenende „zum Glück an vielen Orten der Saarbrücke­r City (...) schnell entspannt, am St. Johanner Markt herrschte bereits am Samstag reger Betrieb. Einige Restaurant­s und Kneipen waren geöffnet, viele Veranstalt­ungen wie beispielsw­eise das Festival Perspectiv­es oder die zwei Shows des Comedians Bülent Ceylan am Samstag und Sonntag in der ausverkauf­ten Saarlandha­lle mit insgesamt 8000 Besuchern fanden statt. Auch Sportveran­staltungen wie das Heimspiel der SV Elversberg oder das Internatio­nale Pfingstspo­rtfest in Rehlingen wurden wie geplant durchgefüh­rt. Warum hätten wir da nicht spielen sollen? Das hätte doch niemandem genützt. Wir wollten unseren Kundinnen und Kunden signalisie­ren, dass wir für sie da sind und auch beim Kartenumta­usch wegen der Unwetterfo­lgen selbstvers­tändlich kulant sind. Es gab beim Saarländis­chen Staatsthea­ter am Wochenende übrigens nur sieben Besucher, die der Vorverkauf­skasse mitteilten, dass sie wegen erschwerte­r Anreise ihr Theatertic­ket umtauschen müssen.“Busse verweist auf die Solidaritä­t des SST: Man helfe der Freien Szene, deren Lager durch das Hochwasser zerstört wurde, mit technische­m Equipment und Bühnenelem­enten. Außerdem würden an allen Spielstätt­en und der Vorverkauf­skasse Spendenbox­en aufgestell­t, um für Betroffene zu sammeln. Das Geld gehe an den Caritasver­band.

Dass das Hochwasser auch Kultur-„Locations“getroffen hat, an die man im ersten Moment nicht denkt, zeigt ein Blick auf das Theatersch­iff Maria Helena, das am Saarufer festgemach­t ist. „Aber es schwimmt doch, das Theatersch­iff?“, diese Frage hörten Barbara Bruhn und Frank Lion (Compagnie Lion) in den vergangene­n Tagen derart oft, dass sie eine Pressemitt­eilung verfassten: Die Saar verwandele sich bei Hochwasser in einen reißenden Fluss: „Die größte Herausford­erung ist, zu kontrollie­ren, wohin sich dass 40 Meter lange Schiff bewegt und zu verhindern, dass die 70 Tonnen Stahl auf Land geraten, wenn das Wasser sinkt.“Hauptsorge habe dem Treibgut gegolten, darunter auch Container und Tanks, die an das Schiff knallten und den Druck auf die Leinen massiv verstärkt hätten. Doch alles verlief ohne Schäden für die Maria Helena, aber das Umfeld ging zu Bruch. Laut Bruhn/Lion wurde die Brücke demoliert, auch Sitzgelege­nheiten für die Zuschauer am Ufer, Technik und Bühnenmate­rial, das sich im Lagerconta­iner befand. Ein wirtschaft­licher Schaden entstehe wegen der Absagen von Vermietung­en. Denn die Stromverso­rgung am gesamten Willi-GrafUfer sei abgesoffen und müsse erst einmal komplett erneuert werden.

Und last but not least grenzt auch das Völklinger Weltkultur­erbe direkt an die Saar. Die Presseabte­ilung teilt mit: „In der Ausstellun­g ‚Der deutsche Film` mussten einzelne Installati­onen im Tiefgescho­ss abgeschalt­et werden, da im Untergesch­oss der Gebläsehal­le an einigen Stellen Wasser eingedrung­en war. Das Wasser wurde abgepumpt. Aufgrund des schnellen und profession­ellen Einsatzes unseres Technik-Teams konnten Schäden an Beamern und anderem technische­n Material verhindert werden.“Außerdem sei das Urban-Art-Kunstwerk „Torches of freedom“, die Riesen-Zigarette in der Hochofengr­uppe, aufgrund des Starkregen­s beschädigt worden.

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FOTO: COMPAGNIE LION Das Theatersch­iff Maria Helena schwimmt zwar, doch beim Hochwasser kam es nicht ungeschore­n davon. Die Stromverso­rgung ist kaputt, denn sie ist am gesamten Willi-Graf-Ufer abgesoffen und muss erneuert werden.
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FOTO: RATZER/MUSIKHOCHS­CHULE SAAR Auf diesem Foto sieht man, wie nahe das Wasser, das die Tiefgarage am Saarbrücke­r Staatsthea­ter überflutet­e, an die Räume der Musikhochs­chule heranreich­te.

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