Yes mit neuer Besetzung, aber alter Magie
Die Formation um Band-Urgestein Steve Howe spielte vor knapp 1000 Fans in der Luxemburger Rockhal viele Klassiker.
LUXEMBURGMit den Bands der späten Sechziger- oder frühen Siebzigerjahre ist es ja so eine Sache: Entweder haben sie sich schon längst aufgelöst oder sie spielen munter in nahezu Originalbesetzung weiter. Bei Yes ist es noch mal anders: Dort ist niemand mehr dabei von den Leuten, die die Band 1968 gründeten. Gitarrist Steve Howe, der 1970 erstmals dazukam und heute der Chef der Truppe ist, ist der letzte Übriggebliebene der klassischen Formation, die die Erfolgs-Alben Fragile und Close to the Edge aufnahm. Verstorbene und ausgeschiedene Mitglieder wurden nach und nach durch jüngere Musiker ersetzt. Neben Howe besitzt in der aktuellen Formation nur Keyboarder Geoff Downes eine längere Yes-Tradition, da er 1980 zum ersten Mal mitmachte.
Als die Band jetzt in der Luxemburger Rockhal auftrat, erklang mit „Machine Messiah“als Erstes ein Song des umstrittenen „Drama“Album, des ersten mit Downes. Für Fans war es damals ein schwerer Schlag, da ihre beiden Lieblinge, Sänger Jon Anderson und Tastenzauberer Rick Wakeman, nicht mehr dabei waren. Schlimmer noch: Als Ersatz trat das Pop-Duo The Buggles ein, die mit „Video Killed the Radio
Star“einen Nummer-Eins-Hit hatten. Für Anderson, dessen extrem hohe Stimme jahrzehntelang das Markenzeichen von Yes war, ist heute der fast namensgleiche Jon Davison dabei. Der 1971 Geborene verzichtete in der Rockhal ganz bescheiden auf eine irgendwie exponierte Rolle, wohl wissend, dass er von den Fans bestenfalls als Stellvertreter angesehen wird. Er machte seine Sache den Umständen entsprechend gut, ebenso wie die neusten Yes-Mitglieder Jay Schellen (Schlagzeug) und Billy Sherwood (Bass).
Bei allem darf man nicht vergessen: Die Musik der Band besitzt einfach eine große Magie und sollte, so lange es irgendwie geht, auch aufgeführt werden. Das ließ die knapp tausend Fans in der Rockhal darüber hinweghören, dass Davison nunmal nicht wie Anderson klingt, dass Downes nicht die Fingerfertigkeiten eines Rick Wakeman besitzt und dass das Schlagzeugspiel Schellens wenig originell daherkommt. Zudem der heutige Standard-Trommelsound leider recht wuchtig klingt im Vergleich zu den Schallplatten aus den Siebzigern. Das machte sich beispielsweise bei der ältesten Nummer des Abends, Time and a Word, negativ bemerkbar.
Die Band brauchte zunächst ein bisschen, bis sie sich warm gespielt hatte – anfangs stand es mit der Exaktheit noch nicht zum besten. Dann aber bewies der 77-jährige Howe, dass er bis auf kleine Wackler noch voll auf der Höhe ist. Vegane Ernährung und transzendentale Meditation halten den Gitarristen offenbar jung; sein Aussehen gestaltet sich mit Halbglatze und langen weißen Haaren auch immer Guruhafter. Unwillkürlich lässt es einen an Loriot denken, wenn dieser einen vergeistigten Intellektuellen parodierte – Howe hätte ihm als Vorlage dienen können. Owner of a Lonely Heart, den größten Hit der Band, konnte man in der Rockhal nicht erwarten – schließlich wurde der von einer Yes-Formation aufgenommen, die mit der aktuellen rein gar nichts zu tun hatte. Dafür erklangen bis auf zwei Ausnahmen die guten alten Songs der Siebziger, darunter ein eingedampftes, aber gelungenes Medley vom ausgeuferten Doppelalbum Tales from Topographic Oceans. Am Ende sprang das Publikum aus den Sitzen, zumal es mit zwei der besten Yes-Songs, Roundabout und Starship Trooper, als Zugabe beschenkt wurde. Es applaudierte stehend dem Bandleader Howe, dessen solider Lebenswandel ihm noch viele aktive Jahre schenken möge.