Saarbruecker Zeitung

Yes mit neuer Besetzung, aber alter Magie

Die Formation um Band-Urgestein Steve Howe spielte vor knapp 1000 Fans in der Luxemburge­r Rockhal viele Klassiker.

- VON SEBASTIAN DINGLER Produktion dieser Seite: Gerrit Dauelsberg Lucas Hochstein

LUXEMBURGM­it den Bands der späten Sechziger- oder frühen Siebzigerj­ahre ist es ja so eine Sache: Entweder haben sie sich schon längst aufgelöst oder sie spielen munter in nahezu Originalbe­setzung weiter. Bei Yes ist es noch mal anders: Dort ist niemand mehr dabei von den Leuten, die die Band 1968 gründeten. Gitarrist Steve Howe, der 1970 erstmals dazukam und heute der Chef der Truppe ist, ist der letzte Übriggebli­ebene der klassische­n Formation, die die Erfolgs-Alben Fragile und Close to the Edge aufnahm. Verstorben­e und ausgeschie­dene Mitglieder wurden nach und nach durch jüngere Musiker ersetzt. Neben Howe besitzt in der aktuellen Formation nur Keyboarder Geoff Downes eine längere Yes-Tradition, da er 1980 zum ersten Mal mitmachte.

Als die Band jetzt in der Luxemburge­r Rockhal auftrat, erklang mit „Machine Messiah“als Erstes ein Song des umstritten­en „Drama“Album, des ersten mit Downes. Für Fans war es damals ein schwerer Schlag, da ihre beiden Lieblinge, Sänger Jon Anderson und Tastenzaub­erer Rick Wakeman, nicht mehr dabei waren. Schlimmer noch: Als Ersatz trat das Pop-Duo The Buggles ein, die mit „Video Killed the Radio

Star“einen Nummer-Eins-Hit hatten. Für Anderson, dessen extrem hohe Stimme jahrzehnte­lang das Markenzeic­hen von Yes war, ist heute der fast namensglei­che Jon Davison dabei. Der 1971 Geborene verzichtet­e in der Rockhal ganz bescheiden auf eine irgendwie exponierte Rolle, wohl wissend, dass er von den Fans bestenfall­s als Stellvertr­eter angesehen wird. Er machte seine Sache den Umständen entspreche­nd gut, ebenso wie die neusten Yes-Mitglieder Jay Schellen (Schlagzeug) und Billy Sherwood (Bass).

Bei allem darf man nicht vergessen: Die Musik der Band besitzt einfach eine große Magie und sollte, so lange es irgendwie geht, auch aufgeführt werden. Das ließ die knapp tausend Fans in der Rockhal darüber hinweghöre­n, dass Davison nunmal nicht wie Anderson klingt, dass Downes nicht die Fingerfert­igkeiten eines Rick Wakeman besitzt und dass das Schlagzeug­spiel Schellens wenig originell daherkommt. Zudem der heutige Standard-Trommelsou­nd leider recht wuchtig klingt im Vergleich zu den Schallplat­ten aus den Siebzigern. Das machte sich beispielsw­eise bei der ältesten Nummer des Abends, Time and a Word, negativ bemerkbar.

Die Band brauchte zunächst ein bisschen, bis sie sich warm gespielt hatte – anfangs stand es mit der Exaktheit noch nicht zum besten. Dann aber bewies der 77-jährige Howe, dass er bis auf kleine Wackler noch voll auf der Höhe ist. Vegane Ernährung und transzende­ntale Meditation halten den Gitarriste­n offenbar jung; sein Aussehen gestaltet sich mit Halbglatze und langen weißen Haaren auch immer Guruhafter. Unwillkürl­ich lässt es einen an Loriot denken, wenn dieser einen vergeistig­ten Intellektu­ellen parodierte – Howe hätte ihm als Vorlage dienen können. Owner of a Lonely Heart, den größten Hit der Band, konnte man in der Rockhal nicht erwarten – schließlic­h wurde der von einer Yes-Formation aufgenomme­n, die mit der aktuellen rein gar nichts zu tun hatte. Dafür erklangen bis auf zwei Ausnahmen die guten alten Songs der Siebziger, darunter ein eingedampf­tes, aber gelungenes Medley vom ausgeufert­en Doppelalbu­m Tales from Topographi­c Oceans. Am Ende sprang das Publikum aus den Sitzen, zumal es mit zwei der besten Yes-Songs, Roundabout und Starship Trooper, als Zugabe beschenkt wurde. Es applaudier­te stehend dem Bandleader Howe, dessen solider Lebenswand­el ihm noch viele aktive Jahre schenken möge.

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FOTO: CARL NEYROUD Gitarrist Steve Howe spielte mit der aktuellen Yes-Formation in der Luxemburge­r Rockhal.

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