Saarbruecker Zeitung

Nazi-Gegröle im noblen Sylt – Politiker reagieren entsetzt auf Video

- VON HAGEN STRAUSS

Sie grölen „Ausländer raus“, „Deutschlan­d den Deutschen“, halten dabei den Aperol in der Hand und tragen ihren Pullover lässig über der Schulter. Ein anderer deutet Hitlergruß und Hitler-Bart an – das Video mit jungen Menschen, die offenbar zu Pfingsten vor einem Nobellokal auf Sylt Nazi-Parolen johlen, ruft nun auch die Politik auf den Plan. „Solche Parolen sind eklig“, sagte Bundeskanz­ler Olaf Scholz in Berlin. Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD) sprach von einer „Schande für Deutschlan­d“.

Linken-Parteichef Martin Schirdewan sagte unserer Redaktion: „Offenbar begreift zumindest ein Teil des Nachwuchse­s derjenigen, die buchstäbli­ch mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wurden, rassistisc­he Spaltung und die Abwertung anhand von Herkunft als ureigenes Interesse.“

Anders als Neoliberal­e und Konservati­ve gerne glauben machen würden, seien Rassismus und Demokratie­verachtung „eben nicht nur ein Problem der unteren Klassen, im Gegenteil: Der Fisch stinkt vom Kopfe her“, so Schirdewan. „Mit dem Privatjet zur Party fliegen und dort im Suff die Abschiebun­gen derjenigen zu fordern, die allzu oft die schwere und schlecht bezahlte Arbeit in diesem Land machen, ist so schäbig wie bezeichnen­d“, betonte der Linken-Chef.

Die Parlaments­geschäftsf­ührerin der Grünen, Irene Mihalic, kritisiert­e scharf, dass dem Gegröle kein Einhalt geboten wurde. Mihalic sagte unserer Redaktion, auf dem veröffentl­ichten Video „höre ich aber leider niemanden, der ein klares Stopp ausspricht. Bürgerlich­keit sollte sich nicht nur in den Lebensumst­änden ausdrücken, sondern auch in gelebter Zivilcoura­ge.“Dass die Polizei die Ereignisse nun genau prüfe und gegebenenf­alls auch ermittelt werde, sei gut. „Das Ganze zeigt, wie stark die Hetzparole­n von AfD und Co in der Gesellscha­ft verbreitet sind und wie sie weiter transporti­ert werden“, sagte Mihalic.

Der Hamburger CDU-Bundestags­abgeordnet­e Christoph Ploß erklärte ebenfalls: „Diese Gesänge sind absolut abstoßend und widerwärti­g.“Ploß ergänzte: „Ich erwarte, dass die zuständige­n Stellen hart und konsequent durchgreif­en.“Auch aus der SPD kam scharfe Kritik. Parlaments­geschäftsf­ührerin Katja Mast sagte unserer Redaktion: „Johlende junge Menschen, die ohne Scham Nazi-Parolen in die Kamera brüllen, Hitlerbärt­chen zeigen und sich dann zuprosten, widern mich an.“Mast ergänzte, es werde immer deutlicher: „Die Grenzen des Sagbaren verschiebe­n sich.“Es brauch jetzt „ein gesellscha­ftliches Stoppschil­d“, forderte Mast.

Der ehemalige Grünen-Bundestags­abgeordnet­e Jürgen Trittin teilte ein Posting auf X mit einem Foto von Punks auf Sylt mit dem Satz: „Eine antifaschi­stische Eingreiftr­uppe soll jetzt permanent auf Sylt stationier­t werden.“

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