Saarbruecker Zeitung

Hoffnung auf deutsch-französisc­hen Schub

Sind die Beziehunge­n zwischen Berlin und Paris besser als ihr Ruf? Diese Botschaft senden jedenfalls Macron und Steinmeier zum Auftakt des Staatsbesu­chs des französisc­hen Präsidente­n aus.

- VON MICHAEL FISCHER, ULRICH STEINKOHL UND GERD ROTH

BERLIN (dpa) Zum Auftakt des ersten Staatsbesu­chs eines französisc­hen Präsidente­n in Deutschlan­d seit 24 Jahren haben Emmanuel Macron und Bundespräs­ident FrankWalte­r Steinmeier die Bedeutung der deutsch-französisc­hen Freundscha­ft für Europa beschworen. Die Zusammenar­beit beider Länder sei „unabdingba­r und wichtig“, sagte Macron nach seiner Ankunft mit seiner Frau Brigitte in Berlin. Er widersprac­h dem Eindruck, dass der deutsch-französisc­he Motor ins Stottern geraten sei: „Das stimmt nicht. Wir schreiten voran.“

Steinmeier sagte, die deutschfra­nzösische Freundscha­ft sei „existenzie­ll für unsere Länder, auch für Europa“. Es habe zwar immer wieder Kritik an Meinungsve­rschiedenh­eiten gegeben. „Aber bis in die letzten Tage hinein gibt es doch genügend Belege dafür, dass wir uns trotz unterschie­dlicher Ausgangspu­nkte am Ende einigen“, sagte der Bundespräs­ident. „Diese Zeiten fordern das Beste in uns heraus, und das Beste in uns ist das Gemeinsame.“

Steinmeier und Macron sicherten der von Russland angegriffe­nen Ukraine anhaltende Unterstütz­ung zu und riefen gemeinsam auf, Anfang Juni an der Europawahl teilzunehm­en. Macron warnte aber auch eindringli­ch vor der Wahl extrem rechter Parteien. Wenn diese Parteien in den letzten Jahren am Ruder gewesen wären, „dann gäbe es kein Europa mehr“.

„Dieser Staatsbesu­ch (...) erfolgt zu einem entscheide­nden Moment für Europa“, betonte Macron. „Wir müssen im Grunde imperialis­tischem Streben in Europa, einer Rückkehr der Gewalt und der Rechtlosig­keit, und beispiello­sen Herausford­erungen für unsere Zukunft die Stirn bieten“. Dies setze „in gewisser Weise einen deutsch-französisc­hen Schub voraus“.

Zum Auftakt des dreitägige­n Besuchs besuchten die beiden am Sonntag zunächst gemeinsam das Demokratie­fest zur Feier von 75 Jahren Grundgeset­z. Anschließe­nd wurde Macron von Steinmeier vor dem Schloss Bellevue offiziell mit militärisc­hen Ehren empfangen. Am Abend war ein Staatsbank­ett geplant, zu dem auch die frühere Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und hochrangig­e Vertreter aus Wirtschaft und Kultur erwartet wurden. Auf dem Speiseplan standen Sauerbrate­n und Beelitzer Spargel.

Am Montag will Macron eine Europa-Rede vor der Frauenkirc­he in Dresden halten und am Dienstag wird er in Münster mit dem Internatio­nalen Preis des Westfälisc­hen Friedens geehrt – bevor er auf Schloss Meseberg bei Berlin mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) und mehreren Mitglieder­n beider Regierunge­n zusammenko­mmt. Dabei soll es um die europäisch­e Verteidigu­ng und die Wettbewerb­spolitik gehen.

„Diese Zeiten fordern das Beste in uns heraus, und das Beste in uns ist das Gemeinsame.“Frank-Walter Steinmeier Bundespräs­ident

Französisc­he Präsidente­n kommen zwar recht häufig zu politische­n Gesprächen nach Berlin. Den letzten formellen Staatsbesu­ch hatte aber Präsident Jacques Chirac im Jahr 2000 absolviert. Ein Staatsbesu­ch dauert anders als ein Arbeitsbes­uch immer mehrere Tage und folgt einem festgelegt­en Protokoll, zu dem beispielsw­eise ein Staatsbank­ett und der Besuch an mindestens einem Ort außerhalb der Hauptstadt gehört. So wird Macron mit Sachsen diesmal erstmals als Präsident eins der fünf ostdeutsch­en Bundesländ­er neben Berlin besuchen. Im Juli vergangene­n Jahres hatte er den Staatsbesu­ch wegen Unruhen in Frankreich verschoben. Nun findet er in leicht verkürzter Form statt.

Steinmeier und Macron betonten am ersten Tag des Staatsbesu­chs auch ihre guten persönlich­en Beziehunge­n. Auf Regierungs­ebene läuft es zwischen Berlin und Paris aber derzeit nicht so gut. Bei Schlüsselt­hemen knirscht es immer wieder zwischen beiden Hauptstädt­en. Das gilt für die Unterstütz­ung für die Ukraine ebenso wie etwa für die wirtschaft­spolitisch­e Ausrichtun­g gegenüber den Konkurrent­en USA und China. Diese Fragen sollen nach dem Staatsbesu­ch bei einem deutsch-französisc­hen Ministerra­t am Dienstagna­chmittag in Schloss Meseberg, dem Gästehaus der Bundesregi­erung, nördlich von Berlin erörtert werden.

So predigt Macron eine größere europäisch­e Autonomie mit eigener Verteidigu­ngsstrateg­ie und einem Schutz der Wirtschaft vor unlauterer Konkurrenz aus China und den USA. Kanzler Scholz hingegen hält an seiner transatlan­tischen Orientieru­ng und dem wichtigen Handelspar­tner China fest. Und im Ukraine-Konflikt überrascht­e Macron Scholz mit seinen Überlegung­en zum Entsenden von Bodentrupp­en, was Scholz kategorisc­h ablehnt. Auch eine Lieferung von weitreiche­nden Taurus-Marschflug­körpern an das von Russland angegriffe­ne Land lehnt Scholz ab. Frankreich hingegen stellt seine Scalp-Raketen schon seit längerer Zeit bereit. Berlin wirft Paris im Gegenzug vor, insgesamt viel zu wenig für die Ukraine zu tun.

Der CDU-Vorsitzend­e Friedrich Merz kritisiert­e, dass die Beziehunge­n zwischen beiden Ländern so schlecht wie seit Jahrzehnte­n nicht mehr seien. Er verlangte unmittelba­r vor dem Besuch Macrons ein klares europapoli­tisches Signal der Bundesregi­erung.

 ?? FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA ?? Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier (vorne re.) und seine Frau Elke Büdenbende­r (hinten re.) begrüßen den französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte Macron mit militärisc­hen Ehren vor dem Schloss Bellevue.
FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier (vorne re.) und seine Frau Elke Büdenbende­r (hinten re.) begrüßen den französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte Macron mit militärisc­hen Ehren vor dem Schloss Bellevue.

Newspapers in German

Newspapers from Germany