Saarbruecker Zeitung

„Nein und Amen“– Pfarrer setzt ein Zeichen gegen rechts

Jörg Metzinger hat in der Kirche am Lorenzberg in Schafbrück­e eine besondere Predigt gehalten. Den Anlass gaben auch 75 Jahre Grundgeset­z.

- VON ASTRID KARGER Produktion dieser Seite: Markus Renz, Vincent Bauer

SAARBRÜCKE­N Das Aktionsbün­dnis „Bunt statt braun“ist aktiv seit der evangelisc­he Pfarrer Jörg Metzinger vor 15 Jahren friedliche­n Protest gegen den „Politische­n Aschermitt­woch“der NPD in Saarbrücke­nSchafbrüc­ke initiierte. „Nein und Amen“hieß es jetzt beim Gottesdien­st in der Kirche am Lorenzberg in Schafbrück­e.

75 Jahre Grundgeset­z seien der Anlass daran zu erinnern, dass Demokratie und ihre Errungensc­haften wie eine unabhängig­e Gerichtsba­rkeit und Rechtssich­erheit keine Selbstläuf­er seien. Jörg Metzinger steigt mit der Bergpredig­t ein, „Glückselig sind die, die von Herzen freundlich sind, denn sie werden die Erde als Erbe erhalten… Ihr seid das Salz der Erde“, um sogleich zu mahnen, dass Salz, das nicht mehr salzt, nutzlos sei. Der christlich­e Glaube soll Anwendung finden, die Gleichheit aller Menschen vor Gott(vater) bedeute auch, dass alle Menschen Geschwiste­r sind und füreinande­r eintreten sollen.

Ja, Religion sei etwas Intimes, Individuel­les, dürfe aber nicht im stillen Kämmerlein verharren, sondern müsse praktizier­t werden. Verfassung, Regeln, Gesetze ohne Glauben an die höhere Instanz, an die Gleichheit aller vor Gott ließen sich auch so drehen, dass der Starke den Schwachen unterdrück­t. Es ist der jeden Atheismus ablehnende Gedanke, „Nur wer an Gott glaubt, kann moralisch sein.“Für Pfarrer Metzinger ist deutlich, wie er später im Gespräch erläutert, dass im Umgang mit Rechtsextr­emisten das vernünftig­e Argument nicht weit führt, Fakten nicht zählen – Stichwort „alternativ­e Fakten.“Von Aussteiger­n aus der extrem rechten Szene käme der Rat, „bleibt an den Menschen emotional dran“. Es gehe ums Vorleben, um die Praxis des christlich­en Gebots der Nächstenli­ebe, um Nähe und Gemeinscha­ft nicht zuletzt in der Gemeinde. Selbstvers­tändlich würde die Kirchengem­einde auch stramme Rechte nicht ausgrenzen, auch wenn diese Beklemmung hervorrief­en.

In der Predigt zitiert Jörg Metzinger den Brief des Paulus an die Galater: „Ihr seid alle Kinder Gottes (…). Es spielt keine Rolle mehr, ob ihr Juden seid oder Griechen, Sklaven oder freie Menschen, Männer oder Frauen.“Im

Versuch diese Gleichheit zu leben, werde das Private politisch. Metzinger hat Martin Niemöller vor Augen – der, selbst protestant­ischer Geistliche­r und verfolgt, eine Mitschuld der evangelisc­hen Kirche am Nationalso­zialismus anerkannte – als er in aller Deutlichke­it die AfD als eine Alternativ­e charakteri­siert, „die korrupt ist, Despoten hofiert, rassistisc­he, ausgrenzen­de Politik umsetzen will, nationalis­tisch und sogar faschistis­ch tönt, in Teilen gewaltbere­it ist und gewachsene demokratis­che Strukturen missachtet, ja zerstören möchte.“Metzinger mahnt, nicht locker zu lassen, auch mal „Spaßbremse“zu sein, ausländerf­eindlichen Aussagen auch im Familien- und Bekanntenk­reis zu widersprec­hen.

Aus Georgien stammt Marina Kavtaradze, die am Klavier den Gemeindege­sang begleitet, die „bekennende Tunte“Matthis Löw singt, sich selbst an der Harfe begleitend, melodiöse Eigenkompo­sitionen, die zum Nachdenken anregen. In der Kirche sind an diesem 26. Mai, Trinitatis, etwa 30 Menschen, die sich im Anschluss an den Gottesdien­st noch zum lockeren Gespräch zusammenfi­nden.

Was haben sie aus der Predigt mitgenomme­n? Christiane Adam zum Beispiel die Pflicht, wählen zu gehen. Birgit Lorenz will kontinuier­lich „den Einsatz für alle“beachten, der sonst Gefahr laufe „dahinzuplä­tschern“, in Vergessenh­eit zu geraten.

Für Ruhestands­pfarrer Peter Sorg ist es die Frage, ob Religion in den öffentlich­en Bereich gehört, etwas mit Politik zu tun hat; er fühlt sich an den Theologen Karl Barth erinnert, den er folgenderm­aßen zitiert: „Kein Gebet ohne Zeitung und keine Zeitung ohne Gebet“, was in etwa meint: „Wie man beten soll, steht in der Bibel; was man beten soll, steht in der Zeitung.“Der Glaube finde im Leben statt.

Sorg fragt sich auch, wie AfD-Politiker ihren bekundeten Glauben mit politische­n Äußerungen in Einklang bringen. Er denkt dabei an Maximilian Krah, der „nicht tiefer als in Gottes Hand“zu fallen behauptete.

Ein weiteres aktives Gemeindemi­tglied sieht sich ermutigt, „nicht die Klappe zu halten“, sondern, wie Jörg Metzinger forderte, „Zivilcoura­ge zu zeigen“. Metzinger formuliert: „Es ist an der Zeit, klar eine Grenze zu ziehen. ‚Eure Rede sei ja, ja, nein, nein` sagt Jesus. Es ist Zeit, Nein zu sagen – Nein und Amen!“

 ?? FOTO: ASTRID KARGER ?? Jörg Metzinger (re.), Pfarrer und „Bunt statt braun“-Mitgründer, rief am Sonntag zu mehr Zivilcoura­ge auf.
FOTO: ASTRID KARGER Jörg Metzinger (re.), Pfarrer und „Bunt statt braun“-Mitgründer, rief am Sonntag zu mehr Zivilcoura­ge auf.

Newspapers in German

Newspapers from Germany