Sächsische Zeitung (Bautzen- Bischofswerda)
Wissing will Verkehrsfonds mit privatem Kapital aufstellen
Der Bundes-verkehrsminister will die deutsche Infrastruktur sanieren, ohne dafür ein Sondervermögen aufzunehmen.
Die Bahn braucht Geld. Mehr, als im Haushalt eingeplant ist oder die Schuldenbremse hergibt. 17,2 Milliarden Euro beträgt die Finanzierungslücke bis 2027. Sonst drohen Ausbau und Digitalisierung der Schiene vielerorts auf der Strecke zu bleiben.
Seit Wochen liebäugelt Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) deshalb mit einem Infrastrukturfonds, mit dem der Modernisierungsstau der Bahn, aber auch bei Autobahnen und Landstraßen aufgelöst werden kann. Auf einer Veranstaltung der Stiftung Marktwirtschaft warb er in der vorigen Woche nun erneut dafür. Wenn notwendige Investitionen künftig nicht im Haushalt abgebildet werden könnten, müsse man andere Wege gehen, bevor man Investitionen
kürze, sagte der Verkehrsminister. Wissing greift damit eine Idee aus der Verkehrsbranche auf. Dem Tagesspiegel liegt ein Konzeptpapier der Branche für ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro vor, das mit Krediten finanziert wird. Vorbild ist das Sondervermögen für die Bundeswehr. Nötig wäre dafür eine Ausnahme von der Schuldenbremse. Bisher schließen Finanzminister Christian Lindner (FDP) und die Union einen solchen Fonds, der für die Bahn schon lange diskutiert wird, aus.
Um den Autofan Lindner zu überzeugen, schlägt die Verkehrsbranche deshalb nun einen breiter aufgestellten Fonds vor. 25 Milliarden Euro sollen in die Bahnsanierung fließen, 25 Milliarden Euro ins Autobahnnetz und 50 Milliarden Euro in Landstraßen und kommunale Verkehrswege. Der letzte Punkt ist als Köder für die Cduministerpräsidenten gedacht, die schon lange für eine Aufweichung der Schuldenbremse werben.
Doch auch ein Sondervermögen für alle Verkehrswege passt dem Finanzminister nicht ins Konzept, will er seine Liberalen in den anstehenden Wahlkämpfen doch als Hüter der Schuldenbremse inszenieren. Seinen Infrastrukturfonds möchte Wissing deshalb auch nicht als Sondervermögen sehen. „Es geht nicht um konkrete Projekte. Es geht auch nicht um ein Sondervermögen und auch nicht darum, Schulden aufzunehmen“, sagte Wissings Sprecherin.
Stattdessen will Wissing den Fonds nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung mit privaten Geldern speisen. Demnach kann er sich vorstellen, dass Versicherungen oder Pensionsfonds investieren. Auch öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) seien denkbar. Über den Infrastrukturfonds hat Wissing nach Tagesspiegel-informationen
auch schon mit den Verkehrspolitikern der Ampel gesprochen. Einen breit angelegten Verkehrsfonds, von dem auch die Straße profitiert, hält man in Spdkreisen für den richtigen Ansatz. Öpp-projekte sehen viele allerdings skeptisch, lieber wäre den Sozialdemokraten, wenn der Fonds über Kredite und Mauteinnahmen finanziert würde.
Einen Infrastrukturfonds auch für die Straße lehnen die Grünen ab. „Ansonsten ist es richtig, dass die Bahninfrastruktur massiv auf Verschleiß gefahren wurde von der Union“, sagte deren verkehrspolitischer Sprecher Stefan Gelbhaar dem Tagesspiegel. Für die Schiene sei ein Fonds schon länger und richtigerweise in der Debatte. Sparpotenzial sieht Gelbhaar beim Autobahnausbau. „Bei ernsthafter Priorisierung ist genug Geld für den Erhalt der Infrastruktur und den Ausbau der Schiene da“, sagte er.
In Grünenkreisen zweifeln viele allerdings ohnehin daran, dass der Verkehrsminister seine Fonds-idee bei Lindner durchsetzen kann.