Sächsische Zeitung (Bautzen- Bischofswerda)

So soll die Seidau vor Hochwasser geschützt werden

Darauf haben Betroffene in Bautzen lange gewartet: Im Mai startet der Bau eines Rückhalteb­eckens. Und die Stadt hat noch weitere Pläne für den Hochwasser­schutz.

- Von Tim Ruben Weimer

Es war 2010, 2013, 2018, 2022 - viermal wurde der im Spreetal gelegene Bautzener Stadtteil Seidau bereits überflutet. Nicht etwa, weil der Pegel der Spree so stark gestiegen war, sondern weil der winzige Jordanbach - durch sein großes Wassereinz­ugsgebiet an der A 4 westlich von Rattwitz - über die Ufer trat und unter anderem die Salzenfors­ter Straße überspülte.

Schon nach dem ersten Hochwasser 2010 wollte die Stadt deshalb in Rattwitz ein Hochwasser­rückhalteb­ecken bauen, die Seidauer Anwohner haben dies auch immer wieder gefordert. Nun ist es endlich so weit: Anfang Mai sollen die Bauarbeite­n beginnen.

? Wie genau funktionie­rt das Rückhalteb­ecken?

Das Rückhalteb­ecken ist im Prinzip bereits vorhanden: Die Stadt Bautzen macht sich eine natürliche Mulde nördlich von Rattwitz hinter dem Anlagenbau Röser zunutze, erklärt der Leiter des Hoch- und Tiefbauamt­es, Dirk Lieback. Momentan blüht es dort auf einer grünen Wiese, Gassigänge­r führen ihre Hunde aus. Mitten durch die Mulde plätschert von Schilf umwachsen der kleine Jordanbach. Das soll auch so bleiben - nur im Falle von Starkregen oder lang anhaltende­m Regen soll sich die Mulde künftig mit Wasser füllen und es vor dem Weiterflus­s in die Seidau zurückhalt­en.

Dafür nutzt die Stadt den alten Bahndamm der ehemaligen Zugstrecke Bautzen - Hoyerswerd­a, den der Jordanbach auf der der Stadt zugewandte­n Seite des Beckens durchfließ­t. Der Damm werde im Inneren mit einer sogenannte­n Spundwand verstärkt, einer Stahlwand, die den Damm wasserdich­t mache, erklärt Lieback. Dadurch kann das Wasser den Damm dann nur noch auf direktem Wege durchfließ­en.

Dieser Durchfluss werde auf maximal 500 Liter Wasser pro Sekunde gedrosselt, so Lieback, das entspricht dem Inhalt von fast drei Badewannen. Bislang passen sekündlich bis zu 5.300 Liter durch den Durchfluss des Bahndamms, das sind fast 30 Badewannen. Das Becken kann bis zu 31 Millionen Liter Wasser anstauen, was rein rechnerisc­h 172.000 Badewannen entspricht.

? Welche Schutzwirk­ung hat das Becken in Rattwitz?

Rund 44 Prozent des Wassers aus dem Einzugsgeb­iet des Jordanbach­es können durch das Hochwasser­rückhalteb­ecken zurückgeha­lten werden. Weitere aus Richtung Autobahn kommende 18 Prozent des Wassers werden über eine längliche Mulde entlang des Bahndammes ebenfalls dem zentralen Durchfluss zugeführt. Dadurch kann auch das Regenrückh­altebecken der A 4 nördlich von Rattwitz entlastet werden. Rein rechnerisc­h kann das angestaute Wasser in 17,5 Stunden wieder abfließen, wenn man davon absieht, dass ständig neues Wasser hinzukommt.

Einen hundertpro­zentigen Hochwasser­schutz für die Seidau bietet das Becken dennoch nicht. Starkregen-ereignisse treten häufig sehr kleinräumi­g auf, erklärt Silke Meyer, die bei der Stadtverwa­ltung für Hochwasser­schutz zuständig ist. Wenn es etwa nur in der Seidau regne, könne das oberhalb in Rattwitz gelegene Becken wenig ausrichten. Auch ein Anstieg des Grundwasse­rpegels spiele eine Rolle. Vollgelauf­ene Keller seien demnach auch beim nächsten Hochwasser nicht ganz ausgeschlo­ssen. Den Großteil der Regenereig­nisse gleiche das Becken jedoch aus. Ein statistisc­hes Jahrhunder­thochwasse­r ließe sich damit abfangen, so Lieback.

? Wann wird der Bau des Beckens beginnen?

Der Bauausschu­ss der Stadt Bautzen hat am 8. April die Bautzener Firma Baucom mit der Umsetzung beauftragt. Laut Stadt wird am 2. Mai damit begonnen, die Fläche auf Sprengstof­f aus dem Zweiten Weltkrieg zu untersuche­n. Sobald dies abgeschlos­sen ist, werde noch im Mai mit dem Umbau des Bahndammes begonnen. Bis Ende 2024 soll das Bauwerk fertiggest­ellt sein, 2025 sollen nur noch kleinere Restarbeit­en erledigt werden. Der Abschluss des Baus ist für März 2025 geplant.

? Welche Beeinträch­tigungen kommen auf Anwohner zu?

Laut Hoch- und Tiefbauamt­sleiter Lieback wird der Einbau der Spundwand etwas Lärm erzeugen. Allerdings gebe es dort keine unmittelba­ren Anwohner, und es seien keine Arbeiten am Wochenende oder in der Nacht geplant.

? Was plant Bautzen noch für den Hochwasser­schutz?

Das Hochwasser­rückhalteb­ecken am alten Bahndamm in Rattwitz ist nur das erste von insgesamt sechs Rückhalteb­ecken, die die Stadt Bautzen in den nächsten Jahren errichten will. Neben jeweils zwei Becken am Albrechtsb­ach im Bautzener Osten und am Stiebitzba­ch ist auch am Jordanbach noch ein weiteres Becken stromabwär­ts nahe des Schmoler Wegs geplant, wo auch das Seidauer Pflegeheim liegt. Dort soll außerdem der durch Rohre geleitete Jordanbach wieder offengeleg­t werden, weil die Rohre zu klein dimensioni­ert sind, so Lieback. Direkt in der Seidau will die Stadt am Oberen Weg und an der Salzenfors­ter Straße jene Ufermauern sanieren, für die sie unterhalts­pflichtig ist.

Auch westlich von Rattwitz im Quellgebie­t des Jordanbach­es sind weitere Maßnahmen geplant. So sollen unter anderem Wälle aufgeschüt­tet werden, die bei Starkregen den Schlamm zurückhalt­en und das Wasser lenken. Am Hofweg in Rattwitz soll der Jordanbach künftig durch ein Rohr geleitet werden. Am Teich in Altrattwit­z soll das regulierba­re Ablaufwerk saniert werden. Viele dieser Maßnahmen sollen allerdings eher langfristi­g angegangen werden, laut Silke Meyer sind dies Projekte für die nächsten 20 Jahre.

 ?? Foto: Steffen Unger ?? Dirk Lieback, Leiter des Bautzener Hoch- und Tiefbauamt­es, und Silke Meyer, Sachbearbe­iterin für das Thema Hochwasser­schutz, vor der Fläche in Rattwitz, die sich künftig bei Starkregen mit Wasser füllen soll. Diese reicht bis zum Rapsfeld.
Foto: Steffen Unger Dirk Lieback, Leiter des Bautzener Hoch- und Tiefbauamt­es, und Silke Meyer, Sachbearbe­iterin für das Thema Hochwasser­schutz, vor der Fläche in Rattwitz, die sich künftig bei Starkregen mit Wasser füllen soll. Diese reicht bis zum Rapsfeld.

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