Sächsische Zeitung (Bautzen- Bischofswerda)

Wenn der Nachbar zum Albtraum wird

Ein 27-Jähriger terrorisie­rt mehrfach nachts eine Familie. Vor Gericht bestreitet er das und andere Vorwürfe. Es geht auch um seinen Gesundheit­szustand.

- Von Alexander Schneider

Wenn eine Familie ihre Wohnungstü­r mit Autoreifen verbarrika­diert und nur noch per Leiter über den Balkon die Wohnung verlässt, muss einiges im Argen liegen. Zur Jahreswend­e 2021/2022 soll ein 27-jähriger Nachbar der Familie in der Budapester Straße das Leben mehrere Wochen zur Hölle gemacht haben. Wiederholt soll der Mann nachts an die Wohnungstü­r getrommelt und mehrfach auch Fenstersch­eiben eingeschla­gen haben. Er muss so heftig an die Tür geschlagen haben, dass sogar die Beamten am Notruftele­fon im Lagezentru­m der Polizei es hörten. Der Täter soll die Familie auch durch das eingeschla­gene Fenster unflätig beschimpft und bespuckt haben.

Kind springt vom Balkon

Doch das Warum ist auch gut zwei Jahre später völlig unklar. Vor der Eskalation habe es keinerlei Kontakt mit dem Nachbarn gegeben, berichtet die Familie. Nun steht der 27-jährige Syrer Ahmad K. vor dem Landgerich­t. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm nicht nur die eingangs geschilder­ten Übergriffe – Nachstellu­ng, Sachbeschä­digung und Bedrohung – vor, sondern auch Körperverl­etzungsdel­ikte und Diebstahl. So soll er, möglicherw­eise eine Verwechslu­ng, in jenen Wochen nachts eine andere Nachbarwoh­nung ähnlich attackiert haben, sodass ein Dreijährig­er vom Balkon sprang. Im Oktober 2022, ein knappes Jahr später, sei K. auf einen Mann losgegange­n, der auf dem Weg zum Besuch von Angehörige­n im Treppenhau­s die Wohnung des Angeklagte­n passierte: Beulen, zerrissene­s T-shirt, kaputtes Handy. Zudem hatte er im Oktober 2021 Hausverbot in einem Fitnesscen­ter in Mickten, weil er Corona-auflagen ignoriert hatte. Die Polizei musste kommen, weil er nicht ging. Bei dem Einsatz wehrte er sich und verletzte zwei Beamte leicht. Zuletzt soll er im Januar 2023 bei Rewe Waren für 50 Euro gestohlen haben.

Viele Worte, wenig Inhalt

Der Syrer ist arbeitslos, zuletzt war er Pflegehelf­er in einer Klinik. Er neigt offenbar dazu, viel zu reden, aber nicht auf das zu antworten, wonach er gefragt wird. Die psychiatri­sche Sachverstä­ndige habe er nie gesehen, behauptet er. Die Frau sitzt ihm gegenüber und hat ihn bereits begutachte­t. Der Mann auf der Treppe? Der Hausbesuch­er sei in seine Wohnung eingedrung­en und habe ihn gewürgt, so der Angeklagte. Er habe sich nur gewehrt. Zu den Nachstellu­ngen sagte er nur wortreich, er habe Pakete entgegenge­nommen und sie übergeben wollen und deshalb geklopft. Die Frau sei ja ganz nett, aber der Mann sei komisch, so der 27-Jährige. Er sei ja kein Arzt, aber mit dem stimme etwas nicht.

Tatsächlic­h dürfte wohl eher er selbst Probleme haben. Die Sachverstä­ndige prüft, wie gefährlich er ist und ob er in einer Klinik untergebra­cht werden muss. Die 39-jährige Mutter der Familie zumindest wusste nichts von Paketen. Der Nachbar sei bis Ende 2021 völlig ruhig gewesen, sie habe ihn nie gesehen. Ihre Kinder, damals 13, elf und acht Jahre alt, seien heute noch verängstig­t. Sie hätten Albträume gehabt. Zeitweise habe die Familie in Kleidung geschlafen, „damit wir nachts schnell ‘rauskönnen“. Dankenswer­terweise habe die Vonovia ihnen schnell eine neue Wohnung besorgt. Der Prozess wird fortgesetz­t.

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