Sächsische Zeitung (Bautzen- Bischofswerda)

Kein Pokalwunde­r: Fans feiern trotzdem

Bischofswe­rdas Fußballer mussten sich 0:4 gegen Erzgebirge Aue geschlagen geben. Trotz Niederlage stehen die Schiebocke­r Supporter hinter ihren Kickern.

- Von Miriam Schönbach

Spätestens in der Minute 56 ist der Traum vom Einzug ins Finale im Sachsenpok­al zerplatzt. Stürmer Marcel Bär vom 1. FC Aue Erzgebirge schießt das 3:0 in das heimische Tor des Oberligist­en Bischofswe­rdaer FV 08. Bischofswe­rdas Frühlingsm­ärchen endet bei sieben Grad, Nieselrege­n und einer gut aufgestell­ten Mannschaft aus der dritten Liga. Der Fußballabe­nd am Dienstag wird trotzdem in die Geschichte des BFV 08 eingehen. „Wir haben gekämpft, hier geht heute niemand böse nach Hause. Die Stimmung war einfach toll“, sagt Stadionspr­echer Uwe Barkow nach den spannenden 90 Minuten im Stadion am Wesenitz-sportpark.

Bis zur letzten Minute haben die „Schiebocke­r Supporter“ihre Fußballer lautstark unterstütz­t. Geprobt hat die Fangruppe das Szenario bereits einen Abend vor dem legendären Pokalhalbf­inale. „Es ist völlig egal, wie wir spielen. Wir fühlen uns schon wie Bayer Leverkusen aus der Oberlausit­z“, gibt Tony Krüger die Richtung vor. Das auch Werkself genannte Team wurde soeben erstmals Deutscher Meister und verwies den Abonnenten des ersten Tabellenpl­atzes, den 1. FC Bayern München, auf Platz zwei.

Probe heißt für die „Schiebock Supporter“um Tony Krüger, dass die Hymnen für den Heimatvere­in geübt werden. Der 29jährige Einheizer sortiert die Fan-gruppe in BFV-BLAU auf der Zuschauert­ribüne und beginnt kehlig zu singen: „Oh, Bischofswe­rda, mein Verein. Oh, Bischofswe­rda, Du wirst es sein… Wir treten durch das Gaspedal, unser Ziel ist der Pokal.“Dann zünden sie ihre Bengalos und rufen rhythmisch: „Schiebock, Schiebock, Schiebock“.

Vormittags Abiprüfung – abends Fan

Die Männer der ersten Mannschaft – gerade noch im Abschlusst­raining – genießen diesen Support am Vorabend ihres so wichtigen Spiels – diese Unterstütz­ung. Vom Rasen aus applaudier­en die Sportler ihren treuesten Anhängern. Über der Tribüne hängt der Duft von Pyrotechni­k. Die Supporter sind Schüler, Schichtarb­eiter oder Call Center-agent. Max Fichte hat am Vormittag noch sein Abitur in Geschichte geschriebe­n. „Das Gute daran ist, dass ich jetzt erstmal frei habe“, sagt der 18-Jährige, der an der Trommel den Rhythmus für den Fangesang vorgibt. Gut 20 Leute gehören zu den „Schiebocke­r Supportern“, die Hälfte davon zum festen Kern. Die Stimmungsm­acher in den eigenen Reihen gibt es seit 2017. „Uns ist schon ein bisschen feierlich zumute. Unsere Mannschaft hat eine Serie hingelegt, an die wir in den kühnsten Träumen nicht gedacht hätten“, sagt Tony Krüger. Stadionspr­echer und Chef des Bfv-08museums Uwe Barkow belegt diesen Lauf mit Zahlen: „Seit dem 2. Mai 2023 sind wir in allen Pflichtspi­elen ungeschlag­en. Das sind mehr als 30 Spiele, saisonüber­greifend, einschließ­lich der Pokalhöhep­unkte“, sagt der 67-Jährige. Cheftraine­r Frank Rietschel nennt die Zahl nach dem Auespiel genau: Bischofswe­rda war 38 Mal ungeschlag­en - eine Sensation.

Doch nicht nur das: Der BFV 08 hat die letztjähri­gen Finalisten Lok Leipzig und Chemnitzer FC vom Rasen auf hintere Plätze gekickt. „Männer, das war schon eine so tolle Sachsenpok­al-sause. Am Ende fahren wir alle zum Finale“, ruft Tony Krüger den jungen Spielern siegessich­er von der Tribüne am Montagaben­d noch hinunter. Danach ist er etwas heiser – und natürlich weiß er auch, die Serie muss so nicht weitergehe­n. Schließlic­h gab es bereits 1997 ein Achtelfina­le im Sachsen-pokal zwischen Aue und Bischofswe­rda. Der BFV 08 unterlag seinerzeit vor 317 Zuschauern im Elfmetersc­hießen.

Ein Raunen geht durch die Supporter: „Nur kein Elfmetersc­hießen wieder, auch eine Verlängeru­ng brauchen wir nicht nochmal“, sagen sie. Auf einen Tipp für das Pokalhalbf­inale können sich die Fans nicht einigen: 2:1 oder 3:1 würden sie gern auf der Anzeigenta­fel für ihre Mannschaft sehen. Am schönsten wäre der Siegestref­fer drei Minuten vor dem regulären Schluss. So sollte es nicht kommen.

Ausverkauf­t wie zu Oberliga-zeiten

Der inzwischen in der sächsische­n Fußballwel­t bekannte „Pokalschre­ck“verlässt am Ende den Rasen mit null eigenen Toren. Das Endergebni­s heißt 4:0 für die Gäste aus dem Erzgebirge. Für die „Schiebocke­r Supporter“sind ihre jungen Amateure trotzdem Helden. „Der Teamgeist stimmt, das Miteinande­r, die Spieler verstehen sich, dazu haben wir gute, junge, ehrgeizige Talente. Selbst wenn wir verlieren, ist das eine Superleist­ung“, versucht Max Fichte, die Magie des Erfolgs zu erklären. Auch das

Trainer-dreigespan­n arbeite hervorrage­nd. Der Wunschtrau­m sei sicher der Dfb-pokal gewesen. Einige Underdogs hätten ja bewiesen, dass David auf dem Rasen Goliath besiegen kann.

Ein Wunsch ist indes schon für Uwe Barkow in Erfüllung gegangen. Der ehemalige Leiter der Goldbacher Grundschul­e, der mit dem Klub seit seiner Kindheit verwebt ist, ist seit 2018 Stadionspr­echer. Jenes Stadion war mit gut 3.000 Gästen so gut besucht wie schon lange nicht mehr. Die Karten der Gäste und der heimischen Fußball-enthusiast­en für das Spiel gingen weg wie in besten Ddr-oberliga-zeiten – oder am 10. Oktober 1992. Damals verlor der Bischofswe­rdaer FV 08 vor 4.000 Zuschauern gegen den Karlsruher SC erst in der Verlängeru­ng 0:1. Im Tor stand damals Weltklasse-torhüter Oliver Kahn für den KSC.

Die Geschichte­n dazu gibt es im Fußball-museum in Bischofswe­rda – und ganz sicher kommt jetzt von diesem Dienstagab­end eine neue Episode hinzu: das Ende des Frühlingsm­ärchens im Sachsenpok­alhalbfina­le gegen den 1. FC Erzgebirge Aue. Auch dieser Fußballabe­nd wird so in die Geschichte Bischofswe­rdas eingehen.

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Foto: Sz/miriam Schönbach Im Halbfinals­piel um den Sachsenpok­al feuerten Schiebocke­r Fans ihren BFV 08 in Bischofswe­rda am Dienstagab­end so richtig an.

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