Sächsische Zeitung (Bautzen- Bischofswerda)
„Ich bin zweimal um die Welt gelaufen!“
Seit 24 Jahren geht Heiner Müller zweimal am Tag auf den Kamenzer Hutberg. Inzwischen hat der 80-Jährige 80.150 Kilometer zurückgelegt – zweimal um den Äquator.
Frisch ist es an diesem Mittwoch. Der 24. April 2024 gehört nicht zu den wärmsten. Heiner Müller aus Kamenz könnte sofort in einem seiner zahlreichen Kalender nachschauen, wie das Wetter an diesem Datum vor zehn oder 20 Jahren war. Denn der Senior läuft zweimal täglich auf den Kamenzer Hutberg - und neben der taggenauen Aufzeichnung aller gelaufenen Touren und der Kilometer schreibt er akribisch das Wetter ein beziehungsweise malt es auf. Sonne, Regen, Wolken – die Symbole sind eindeutig.
„Ich habe gerade meinen 24. Taschenkalender begonnen“, sagt der 80-Jährige. Alles Unikate, reich bebildert mit gekonnten Kuli-zeichnungen. Er hofft, das noch viele dazukommen. Jetzt aber hat er wieder einen besonderen Meilenstein erreicht: Am 24. April 2024, auf seiner 16.030. Hutberg-besteigung, hat er exakt die 80.150 Kilometer vollgemacht – das entspricht zwei Äquator-umrundungen.
Am 4. Mai 2012 feierte Heiner Müller zum ersten Mal „um die ganze Welt“. „Das war eine große Sache, aber dass ich es zweimal schaffe, ahnte ich nicht“, blickt er zurück. In Kamenz ist Müller längst ein Vorbild für alle, die ihren Hutberg lieben und sich gern bewegen. Einige Wegbegleiter sind schon verstorben, neue kamen hinzu. Manchmal begegnet er ihnen. Wie heute Klaus Krah, der ihm zuruft: „Wir treffen uns dann oben!“Oben ist an einem bestimmten Punkt, der immer erreicht wird: die Bongsel-bank. Doch dazu später. Wir stapfen los. Es geht nicht mehr so schnell wie vor 24 Jahren und ohne Walkingstöcke erst recht nicht. Schließlich feierte Heiner Müller letztes Jahr 80. Geburtstag.
Im Jahr 2000 erkrankte er schwer, kämpfte mit einer Krebserkrankung. Die Diagnose schockte ihn und die Familie. Aber das Ende war es nicht! Eher ein Anfang. Müller lief damals los - und ein bisschen dem Krebs davon. Mitte November 2000, erinnert er sich, habe er sein Leben umgekrempelt. Schlagartig hörte er mit dem Rauchen auf, ernährte sich gesünder, wollte sich nun täglich bewegen.
Lange in der Gastronomie gearbeitet
Der Kamenzer war vorher jahrzehntelang in der Gastronomie beschäftigt. Kamenzer Milchbar, Haus der Armee, Schwarzes Ross in Elstra, Goldene Sonne, Ho-gaststätte in Schwepnitz, Stadtcafé und Stadt Dresden – er hat sie alle einmal geleitet. Auf Zeit, als Urlaubs- und Krankenvertretung oder zuletzt über einen langen Zeitraum hinweg. Ein ganzes Leben investierte Heiner Müller in seine Arbeit. Zeit für anderes blieb selten. Aber er habe die Arbeit nicht nur notgedrungen erfüllt, um Geld zu verdienen, sondern wahrhaft geliebt, sagt Müller.
Dass er vor 24 Jahren aus gesundheitlichen Gründen berufsunfähig wurde, traf ihn hart. Doch es war auch ein Neuanfang, wie er heute weiß. Bei fast jedem Wetter stapft Heiner Müller noch immer zweimal täglich auf den Hutberg. Vormittags und nachmittags, dazwischen liegen Mittagsschlaf und Mittagessen, das seine liebe Frau für ihn kocht.
„Diese wunderbare Natur gleich vor der Haustür ist einzigartig. Ich gehe nur ein paar hundert Meter und bin mitten im
Wald“, sagt er dankbar. Die Entscheidung für den Hutberg als Laufstrecke sei ihm nicht schwergefallen. „Ich möchte meinen Körper auch ein bisschen fordern. Der Aufstieg bringt den Kreislauf in Wallung. Ich bestimme mein Tempo dabei selbst“, sagt Heiner Müller. Des Öfteren bleibt er unterwegs stehen, denn ständig kommt ihm was in die Quere: Das Singen eines Vogels, das Klopfen eines Spechtes, die herrlich blühenden Terzetten und Narzissen, die der Hutbergförderverein mit den Kindern der Gickelsbergschule in den letzten Jahren in die Erde brachte.
Und aktuell die duftenden Azaleen und Rhododendren. „Die kürzliche Kälte war für diese Pflanzen gut, das verzögert ihre Blüte. Und wir haben länger was davon“, meint der Hutberg-freund. Laut seinen Aufzeichnungen ist die Natur 2024 bereits vier Wochen weiter als in anderen Jahren. „Nun hat sie stagniert, das wird vor allem die Touristen zu den Feiertagen freuen“, sagt Heiner Müller mit Blick auf die vielen Besucher, die im Mai wieder auf den Hutberg strömen werden, um sich an der Blütenpracht zu erfreuen.
Eine Wandertruppe spaziert vorbei. Heiner Müller grüßt freundlich. Das muss sein. Immer! Und sofort ist der Kamenzer
So liebevoll hält der zeichenbegabte Heiner Müller alles rund um seine Aufstiege auf den Hutberg fest. Hier das Motiv vom 4. Mai 2012, als er seine ersten Äquatorumrundung vollmachte. ins Gespräch verwickelt. Die Spaziergänger aus Sachsen-anhalt kommen von der Spitze des Berges, bleiben an Schautafeln und den alten Mammutbäumen an der Hauptallee stehen. Und Müller kann einiges erzählen. Vom Bismarck-denkmal zum Beispiel. Seit Jahren bietet er Führungen über den Hutberg an. Viele Geschichten habe er sich im Laufe der Zeit erlesen, die meisten kenne er aber noch von früher. „Hier stand mal ein alter Bunker aus dem 2. Weltkrieg, den der Kamenzer Gauleiter für seine Familie und den Ernstfall gebaut hatte. Deswegen heißt das hier Bunkerwiese. Nach dem Krieg haben Kinder darin gespielt, da ließ man ihn abreißen. Der Nazibeton ging aber einfach nicht kaputt“, erzählt Müller eine davon.
Eine Bank zum Ausruhen
Weiter geht es, vorbei an der Schüler-kanzel, einem Ausblick mit Bank, wo sich einst die Pennäler trafen zum heimlichen Stelldichein. Vorbei an neuen Pflanzquartieren, an Fallen für den Borkenkäfer, an uralten exotischen Bäumen, die Hofgärtnermeister Wilhelm Weiße noch in einem anderen Jahrhundert pflanzte. An Vogelnistkästen, die Naturschützer aufgehängt haben, vorbei an wunderbaren Weitsichten ins Land.
Bitte ein Selfie! Heiner Müller lernt auf seinen Aufstiegen immer Leute kennen, mit denen er schnell warm wird. Und die Interessantes von ihm erfahren. Hier eine Wandergruppe aus Sachsen-anhalt.
Vieles sei hier passiert in den letzten Jahren, lobt Heiner Müller. „Zu Ddr-zeiten verließ man sich nur auf den Bestand!“
Und dann geht’s hin zu seiner Bongselbank. Denn auf seinen Touren braucht Müller ab und zu ein Bonbon. Das schnabuliert er immer an dieser Stelle. Schon seit 2007 weist sogar ein Messingschild an der Bank darauf hin. Das bekam er damals von seinem Bruder Lutz zu Weihnachten geschenkt. „Dem hatte ich die Bank bei einem Besuch gezeigt. Er hat sich fast kaputt gelacht.“Der Hutbergverein erlaubte das Anbringen des Schildes. „Ich habe es vor Kurzem extra fürs Jubiläum polieren lassen“, verrät der Senior.
An der Bank warten auf ihn heute Klaus Krah und seine ehemalige Hausärztin Birgit Kreische. Heiner Müller hat extra Sekt eingepackt. „Zweimal um die ganze Welt wer kann das schon von sich sagen“, meint er ein bisschen gerührt. Krah verbeugt sich vor seinem Vorbild, Birgit Kreische hat eine Geschenkbox Bonbons dabei.
Am Nachmittag geht Heiner Müller dann noch einmal los. Ordnung muss sein! „Nur bei über 30 Grad oder Dauerregen verkneife ich es mir mittlerweile“, sagt er. Ansonsten ruft der Hutberg Tag für Tag. Und hoffentlich noch sehr lange...
Heiner Müller (r.) wird bei seiner 16.030. Hutberg-besteigung von Klaus Krah, der sich von ihm inspiriert fühlt, und seiner ehemaligen Hausärztin Birgit Kreische schon an der Bongsel-bank erwartet.
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