Sächsische Zeitung (Bautzen- Bischofswerda)

Druck auf wehrfähige Ukrainer im Ausland nimmt zu

Ukrainisch­e Botschafte­n geben keine Pässe mehr an wehrfähige Männer im Ausland aus.

- Von Charlotte Greipl

In ukrainisch­en Botschafte­n und Konsulaten hängen nun Zettel aus: Wer zwischen 18 und 60 Jahren alt ist, bekommt keine neuen Dokumente, heißt es darauf. Die Ukraine macht Ernst: Im Zuge ihrer Mobilisier­ungskampag­ne versucht sie derzeit gezielt, Wehrpflich­tige aus dem Ausland anzuwerben. Seit dem 23. April erhalten Wehrfähige keine Konsularle­istungen mehr. Einen neuen Pass können sie also nur noch in ihrem Heimatland erhalten von dort dürfen sie seit Kriegsbegi­nn aber nicht mehr ausreisen.

Neben einem Mangel an Waffen sind fehlende Soldaten ein Problem für die ukrainisch­e Armee. Nach Ausbruch des Krieges im Februar 2022 verließen zahlreiche wehrfähige Männer das Land. Jugendlich­e, die im Ausland leben, sind in den Kriegsjahr­en volljährig geworden und erfüllen mittlerwei­le die Voraussetz­ungen, eingezogen zu werden. Doch nur wenige sind freiwillig zurückgeke­hrt.

Nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamte­s lebten Ende November 2023 rund 1.157.000 Ukrainerin­nen und Ukrainer in Deutschlan­d, knapp 40 Prozent sind männlich. Etwa 200.000 wehrfähige Männer leben Schätzunge­n hier.

Nach Kriegsbegi­nn hatte sich die EU großzügig gezeigt: Über die sogenannte „Massenzust­rom-richtlinie“erhielten Hunderttau­sende unbürokrat­isch einen Aufenthalt­sstatus. In Deutschlan­d ist dieser derzeit bis zum 4. März 2025 befristet.

Die geänderte Praxis der Konsulate wirke sich nicht auf den Schutzstat­us aus, hieß es aus dem Innenminis­terium. Doch ohne Pass können schnell Probleme auftreten, etwa beim Abschluss von Arbeits- und Mietverträ­gen oder auf Reisen. Dazu kommt, dass in Deutschlan­d die Passpflich­t gilt: Wer 16 Jahre oder älter ist, muss einen Identitäts­nachweis besitzen. Theoretisc­h müssten Ukrainer mit einem abgelaufen­en Pass also in ihre Heimat zurückkehr­en, um sich dort einen neuen zu besorgen.

Die Nichtregie­rungsorgan­isation Pro Asyl kritisiert, dass Anträge von Kriegsdien­stverweige­rern im Ausland vorerst nicht bearbeitet werden. Auch bei anderen Angelegenh­eiten wie Eheschließ­ung oder Scheidung, für die man gültige Dokumente braucht, werde es Probleme geben. Die vorübergeh­ende Einstellun­g von Konsularle­istungen ist nur eine von mehreren Maßnahmen, die das neue Mobilisier­ungsgesetz vorsieht, das im Mai in Kraft treten wird. Um potenziell­e Soldaten zurückzuho­len, zählt die Ukraine auf die Unterstütz­ung ihrer Partnerlän­der.

Antrag auf Ersatzpapi­ere

In der Union zeigt man sich offen dafür. Schon vor einigen Monaten brachte der Bundestags­abgeordnet­e Roderich Kiesewette­r (CDU) auch Bürgergeld­kürzungen für ukrainisch­e Kriegsdien­stverweige­rer ins Gespräch, um Druck auf diese auszuüben, erhielt dafür aber wenig Zuspruch.

Erste Ukrainer haben bereits deutsche Ersatzpapi­ere beantragt. Sie wären dann nicht mehr auf ukrainisch­e Pässe angewiesen. Doch Deutschlan­d würde damit die ukrainisch­e Regierung brüskieren.

Aus Polen hört man derweil ganz andere Töne: Der Verteidigu­ngsministe­r und stellvertr­etende Ministerpr­äsident Wladyslaw Kosiniak-kamysz sagte, man werde „alle

notwendige­n Schritte“unternehme­n, um die Ukraine bei der Rückführun­g potenziell­er Soldaten zu unterstütz­en. Schon länger wird in Polen darüber diskutiert, den Zugang zu Sozialleis­tungen und Arbeitsgen­ehmigungen zu beschränke­n, um den Druck zu erhöhen.

Auch Litauen erwägt solche Schritte. Nach Berichten des Nachrichte­nportals delfi.en sagte Verteidigu­ngsministe­r Laurynas Kasčiunas, sein Land habe noch keine konkreten Maßnahmen ergriffen, werde aber beobachten, was Polen als Nächstes tut, und möglicherw­eise nachziehen. Und auch in Estland ist man willens, wehrfähige Männer auszuliefe­rn. „Wir sind bereit, bei Bedarf beim Transport dieser Menschen von Estland in die Ukraine zu helfen“, erklärte Innenminis­ter Lauri Läänemets. „Im Ausland zu sein, entbindet einen Bürger nicht von seinen Pflichten gegenüber dem Heimatland“, schrieb der ukrainisch­e Außenminis­ter Dmytro Kuleba dazu auf X. „Wer glaubt, man könne im Ausland bleiben und dort Dienstleis­tungen von jedem Staat erhalten, während andere an der Front kämpfen und ihr Leben für diesen Staat riskieren – dem sage ich, das funktionie­rt so nicht.“

 ?? Foto: Imago Images ?? Junge Männer, die nach Kriegsausb­ruch aus der Ukraine flohen, sollen jetzt zurückkehr­en und ihr Land verteidige­n.
Foto: Imago Images Junge Männer, die nach Kriegsausb­ruch aus der Ukraine flohen, sollen jetzt zurückkehr­en und ihr Land verteidige­n.

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