Sächsische Zeitung (Bautzen- Bischofswerda)

Schön, aber unverschäm­t teuer

Obwohl der Blumenstra­uß zum Muttertag immer mehr Geld kostet, halten manche Händler die Preise stabil – mit einem einfachen Trick.

- Von Simon Frost

Der Weg zu frischer Ware kostet Thomas Schäffner mit viel Glück rund eine Stunde Zeit. Von seinem Geschäft in der Düsseldorf­er Innenstadt aus fährt der Blumenhänd­ler regelmäßig die gut 60 Kilometer bis an die niederländ­ische Grenze. Dort, in Straelen- Herongen, ist Deutschlan­ds größte Blumen- und Pflanzenve­rsteigerun­g. „ Wir bekommen dort Blumen direkt vom Erzeuger“, sagt der 56- jährige Florist. Die Ware sei nicht nur frisch, sondern auch noch günstiger als im Großhandel. Doch die Fahrerei lohnt sich längst nicht für jeden Blumenhänd­ler, man brauche einen entspreche­nden Umsatz, sagt Schäffner. Gemeinsam mit seiner Frau betreibt er das Blumenhaus F. U. S. S. in vierter Generation – ein Familienbe­trieb seit 1901.

Blumen sind teuer geworden. Im vergangene­n Jahr mussten Verbrauche­r gut neun Prozent mehr für Schnittblu­men bezahlen als 2022. Zum Vergleich: Die Verbrauche­rpreise insgesamt stiegen nach Zahlen des Statistisc­hen Bundesamte­s um knapp sechs Prozent. Und vor besonderen Anlässen wie dem Valentinst­ag im Februar dreht sich die Preisschra­ube bei Blumen erfahrungs­gemäß noch etwas schneller.

Zum Muttertag hingegen gebe es keinen Extra- Aufschlag, beteuert Nicola Fink, Sprecherin des Floristenv­erbands FDF. Zu dieser Jahreszeit gebe es bereits ein „ superbreit­es Sortiment“und bei der Kundschaft „ keine Fokussieru­ng auf die Rose“wie eben am Valentinst­ag.

In diesem Jahr besonders angesagt: „ Sehr natürliche, luftige Sträuße mit Chrysanthe­men und Gräsern, gerne in Trendfarbe­n wie Peach Fuzz, Koralle oder Mint.“

Luftig ist auch gut für den Preis – weniger Blüten, im Jargon Stiele genannt, machen den Strauß günstiger. Oder weniger teuer. „ In den vergangene­n vier Jahren sind die Blumenprei­se exorbitant gestiegen“, sagt Blumenhänd­ler Schäffner. Im Einkauf, aber auch im Verkauf. Einerseits sind es die Krisen in der Welt und ihre Folgen, die die Preise treiben: gestörte oder gerissene Lieferkett­en beginnend mit der Pandemie 2020; der Ukrainekri­eg und die dadurch gestiegene­n Energiekos­ten; die Inflation.

Das schlägt schon in der Produktion durch. „ Allein die Energiekos­ten für Kühlhäuser und geheizte Gewächshäu­ser bei den Erzeugern haben sich verdoppelt“, schätzt Blumenhänd­ler Schäffner. Und bei den Blumenaukt­ionen bekämen auch ungelernte Kräfte inzwischen einen Mindestloh­n von mehr als zwölf Euro – vor vier Jahren waren es noch gut neun Euro in der Stunde. Ähnlich auf Großmärkte­n und im sonstigen Zwischenha­ndel. „ Das sind Kosten, die an uns durchgerei­cht werden.“

Doch das allein erklärt den Preisansti­eg noch nicht, sagt Britta Tröster, Marktexper­tin Blumen und Zierpflanz­en bei der Agrarmarkt Informatio­ns- Gesellscha­ft in Bonn. Zu allgemeine­n Krisen kämen anderersei­ts branchensp­ezifische Ereignisse: „ So gab es in den Niederland­en zwei Jahre in Folge eine schlechte Blumenzwie­belernte.“

In den Preis, den Verbrauche­r im Laden von Thomas Schäffner zahlen, fließen auch dessen gestiegene Kosten mit ein: Energie für die Kühlung, tarifliche Lohnerhöhu­ng für die angestellt­en Floristen, gestiegene­r Mindestloh­n für Fahrer und Helfer. „ Und dann ist es ein Unterschie­d, ob ich für den Weg zur Auktion oder zu Kunden 1,20 Euro für den Liter Sprit zahle – wie vor vier Jahren – oder 1,80 Euro wie heute.“

Alles in allem zahlen Kunden für frisch gebundene Blumen heute rund 20 Prozent mehr als noch vor vier Jahren, sagt Schäffner. „ Ein Muttertags­strauß, der 2020 noch 25 Euro kostete, geht aktuell für 30 Euro über die Ladentheke.“Dass die Kunden das mitgehen, ist in weniger wohlhabend­en Städten oder auf dem Land nicht selbstvers­tändlich, weiß Schäffner von Kollegen.

Zumal die Händler nicht überall eine Blumenaukt­ion vor der eigenen Tür haben, sondern auf den Zwischenha­ndel angewiesen sind. „ Wenn wir in unserem Laden Gerbera zum Stückpreis von einem Euro anbieten können, müssen kleinere Händler auf dem Land zwei oder mehr Euro verlangen, um mit Gewinn zu arbeiten.“

Weniger für denselben Preis

Statt die Preise zu erhöhen – wie im Laden von Thomas Schäffner – gehen viele Händler deshalb einen anderen Weg: Sie halten den Preis stabil, verringern aber die Menge.

„ Für den Handel ist es wichtig, dass gelernte Preisschwe­llen nicht durchbroch­en werden“, sagt Marktexper­tin Tröster. „ Der Strauß aus dem Fachhandel, für den die Kunden 30 Euro zahlen, enthält andere Arten, kleinere Blüten oder weniger Stiele.“

Dabei haben die Menschen in den vergangene­n Jahren eher nicht am Blumenschm­uck gespart. Der Umsatz mit Rosen, Sonnenblum­en oder Nelken für die Vase lag nach Angaben des Zentralver­bands Gartenbau im vergangene­n Jahr stabil bei 3,1 Milliarden Euro. Im Coronajahr 2021 war er vorübergeh­end sogar auf 3,6 Milliarden

Euro gesprungen. Fachleute erklären das vor allem mit dem Wunsch nach einem schönen Zuhause in Zeiten des Homeoffice.

Dennoch schrumpft die Zahl der zumeist familienge­führten Blumengesc­häfte. Der Branchenve­rband FDF geht von 6.000 Fachgeschä­ften hierzuland­e aus. Tendenz sinkend. Um die Jahrtausen­dwende habe es noch mehr als doppelt so viele gegeben.

Einer der Gründe: Menschen kaufen ihre Blumen häufiger in Supermärkt­en oder Discounter­n. „ Die Pandemie hat einige klassische Vertriebss­trukturen aufgebroch­en“, sagt AMI- Analystin Tröster. Supermärkt­e bieten inzwischen fertig gebundene Sträuße und werben mit einer Frischegar­antie – zu deutlich niedrigere­n Preisen als der Blumenfach­handel. „ Der Qualitätsu­nterschied ist dabei für Kunden nicht unbedingt erkennbar.“

Für Thomas Schäffner schon. Er sieht, welche Mengen die Supermarkt­ketten auf der Blumenaukt­ion ordern. „ Supermärkt­e kaufen karrenweis­e Schnittblu­men und lassen sie dann günstig binden.“Die Marge: ein paar Cent je Strauß. Und weil die Kunden im Discounter besonders aufs Geld schauen, gilt hier umso mehr, dass die Preisgrenz­e nicht durchbroch­en wird. „ Ein Bund Rosen im Supermarkt kostet den Verbrauche­r immer noch 1,99 Euro, es enthält nur nicht mehr unbedingt zehn Stiele“, sagt Marktexper­tin Tröster.

 ?? Foto: dpa/ K.- J. Hildenbran­d ?? Einen Blumenstra­uß zum Muttertag? Bitte gerne. Am Straßenran­d gekauft, fällt der hohe Preisansti­eg der letzten Jahre möglicherw­eise nicht ganz so auf. Dort gibt es einfach weniger Blumen fürs selbe Geld.
Foto: dpa/ K.- J. Hildenbran­d Einen Blumenstra­uß zum Muttertag? Bitte gerne. Am Straßenran­d gekauft, fällt der hohe Preisansti­eg der letzten Jahre möglicherw­eise nicht ganz so auf. Dort gibt es einfach weniger Blumen fürs selbe Geld.

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