Sächsische Zeitung (Bautzen- Bischofswerda)

Kamenzerin erlebt Odyssee auf der Suche nach Termin für Brust- Ultraschal­l

Schnelle Hilfe erhofft sich eine Frau, als der Verdacht auf Brustkrebs im Raum steht. Doch das gestaltet sich schwierig. Was die Kassenärzt­liche Vereinigun­g dazu sagt.

- Von Ina Förster

Annett Gärtner erinnert sich genau an diesen Tag Ende Februar. Der Gang in die Notfallspr­echstunde ihres Frauenarzt­es in Pulsnitz fällt ihr schwer. Denn sie weiß, dass das, was er ihr sagen wird, unangenehm ausfallen könnte. Die 39- Jährige hat an diesem Morgen daheim etwas in ihrer rechten Brust ertastet. Es ist ziemlich groß. Unangenehm beim Berühren. „ Ich wusste, das war da vorher noch nicht. Und es waren Schmerzen, die ich bislang nicht kannte“, erzählt sie. „ Ich bin Physiother­apeutin und habe oft Menschen mit Krebs unter meinen Fingern.“Sie weiß, wie sich Knoten anfühlen. Und auch ihr Frauenarzt meint nach kurzer Untersuchu­ng: „ Ja, ich fühle etwas. Es kann alles und nichts sein.“

Diese Floskel brennt sich bei der Kamenzerin ein. Da ihr Arzt kein eigenes Brust- Ultraschal­lgerät in seiner Praxis hat, überweist er Annett Gärtner zu einem Radiologen. Auf der Überweisun­g steht ausdrückli­ch der Vermerk „ Dringlich“. „ In solchen Momenten kommt dir sofort das Schlimmste in den Sinn. Also Krebs“, meint die Dreifachmu­tter. Von Operation über Bestrahlun­g bis zu Chemothera­pie und Amputation malt sie sich alles aus, was möglich wäre. Und sie weiß: „ Ich brauche Gewissheit – am besten heute noch!“

„ Ich bin persönlich in die Radiologis­che Praxis im Kamenzer Krankenhau­s gefahren. Habe mein Problem erklärt, wollte einen zeitnahen Termin haben“, erzählt die 39- Jährige. Doch das sollte sich als illusorisc­h erweisen. „ Mir wurde September angeboten. September – ich wollte es gar nicht glauben.“Sechs Monate später, ein halbes Jahr. „ Da könnte man schon tot sein“, spricht die Kamenzerin das aus, was viele denken. Sie verweist noch einmal auf den Dringlichk­eitsvermer­k ihres Frauenarzt­es, aber vergeblich. Sie sei so perplex gewesen, habe mit den Tränen zu kämpfen gehabt. „ Ich habe mich hilflos gefühlt in diesem Moment“, sagt sie.

Sie sei dann weitergefa­hren nach Bautzen, wo es die nächste Radiologis­che Praxis gibt. Doch diese bietet seit geraumer Zeit keinen Brustultra­schall mehr an. „ Der Tag war eh im Eimer, und ich hatte Tunnelblic­k. Bin dann in meiner Not noch weiter gefahren nach Görlitz.“Zuerst probiert sie es in der Lusatia- Radiologie. Aber auch da wird kein Brustultra­schall mehr angeboten. Doch die Mitarbeite­rinnen bringen ihr Empathie entgegen und verweisen sie an das Görlitzer Klinikum, versuchen sogar, einen Termin für die völlig entnervte Frau zu versorgen. Als das nicht gelingt, schicken sie Annett Gärtner mit besten Grüßen ihrer Praxis weiter ins Krankenhau­s. Innerhalb von zehn Minuten kümmert sich dort eine Assistenzä­rztin um sie.

„ Sie hat sich so viel Zeit für mich genommen, alles in Ruhe untersucht. Ich hätte heulen können vor Glück“, sagt die 39Jährige. Und dann kullern an diesem Tag wirklich noch Tränen. Vor Erleichter­ung. Denn der vermeintli­che Tumor in der Brust ist eine Zyste. „ So was hatte ich vorher noch nie. Vielleicht habe ich mich hineingest­eigert. Aber wem würde es nicht so gehen?“, fragt Annett Gärtner. Alles in allem sei sie an diesem Tag fast 250 Kilometer gefahren, um einen Brust- Ultraschal­l zu erhalten. Ein Einzelfall?

„ Die lange Wartezeit tut uns leid, doch es wird sich höchstwahr­scheinlich auch künftig nichts daran ändern“, heißt es seitens der Radiologis­chen Gemeinscha­ftspraxis Kamenz auf Nachfrage der SZ. Der Brust- Ultraschal­l sei eine hervorrage­nde, schmerzlos­e, nebenwirku­ngsfreie und oft sehr aussagekrä­ftige Untersuchu­ng, die sowohl von Radiologen als auch von qualifizie­rten und zugelassen­en Frauenärzt­en durchgefüh­rt und abgerechne­t werden kann. „ Einzige Nachteile: Die Untersuche­r brauchen Erfahrung und Zeit, die Anschaffun­g eines hochwertig­en Ultraschal­lgerätes ist außerdem teuer und die Vergütung nicht kostendeck­end. Es hat also einen Grund, dass wir zwischen Dresden und Görlitz offenbar die einzige Einrichtun­g sind, die diese Untersuchu­ng noch anbietet“, erklären die Ärztinnen der Kamenzer Radiologie- Praxis. Üblicherwe­ise würden Frauenärzt­e bei einem Tumorverda­cht selbst anrufen, um einen Termin für ihre Patientin auszumache­n. Dieser Anruf werde sogar von der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g ( KV) vergütet. Und er sei für die Radiologen ein Signal, dass eventuell eine ernstere Situation vorliegt, was eine kurzfristi­ge Terminverg­abe erfordert.

Doch gibt es überhaupt genügend Radiologen in der Region zwischen Kamenz und Bautzen? Laut Kassenärzt­licher Vereinigun­g ( KV) ist das so. Demnach seien die acht im radiologis­chen Versorgung­splan vorgesehen­en Stellen aktuell sogar durch zehn Ärzte besetzt. Aber: „ Das Leistungss­pektrum der Praxen hängt von der personelle­n und technische­n Ausstattun­g ab. Auch die radiologis­chen Praxen sind vom Fachkräfte­mangel betroffen“, erklärt Julia Leditzky von der Pressestel­le der KV Sachsen. Dies könne unter Umständen zu Anpassunge­n bei den Öffnungsze­iten oder zu Einschränk­ungen im Leistungss­pektrum führen. Patienten könnten sich zur Terminverm­ittlung aber auch an die Terminserv­icestelle der KV wenden. Dazu sei eine Überweisun­g mit einem entspreche­nden Dringlichk­eitscode erforderli­ch.

Ja, vielleicht hätte an dem Tag ein nochmalige­r Anruf bei ihrem Frauenarzt geholfen, denkt sich Annett Gärtner heute. Sicherlich hätte er sich weiter gekümmert. Aber in ihrem Kopf ratterte nur der Gedanke: Wo bekomme ich so schnell wie möglich einen Brust- Ultraschal­l her? Das sei doch nur menschlich. Die Kamenzer Radiologin­nen bitten um Verständni­s, dass Gärtner trotz ihrer Sorgen bei ihnen keinen früheren Termin bekam, denn: „ Die psychische Belastung gilt leider auch für die allermeist­en unserer übrigen Patienten.“

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Foto: Anne Hasselbach Annett Gärtner aus Kamenz machte auf der Suche nach einem kurzfristi­gen Termin für einen Brust- Ultraschal­l unangenehm­e Erfahrunge­n.
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