Sächsische Zeitung (Bautzen- Bischofswerda)

Der Wald kann sich nicht mehr selbst helfen

Wenn Eichen, Buchen oder Fichten krank sind, kann man das an den Baumkronen erkennen. Dazu gibt es nun neue amtliche Beobachtun­gen – und was ist zu tun?

- Von Sascha Meyer

Berlin.

Trockenhei­t, Hitze, Schäden durch Käfer: Die deutschen Wälder stehen weiter unter hohem Klimastres­s. Bei den häufigsten Arten Fichte, Kiefer, Buche und Eiche sind vier von fünf Bäumen krank, wie eine am Montag vorgestell­te Erhebung des Bundesagra­rministeri­ums für 2023 ergab. „Der Wald entwickelt sich zum Dauerpatie­nten“, sagte Ressortche­f Cem Özdemir (Grüne) in Berlin. Nötig sei „eine Langzeitku­r“, um zu mehr Mischwälde­rn zu kommen.

Die Wälder seien „massiv von der Klimakrise getroffen“, sagte Özdemir. Auch wenn es zuletzt mehr Regen über den Winter gegeben habe, bleibe die Tendenz: „Es geht unserem deutschen Wald nicht gut.“Noch immer sind viele Bäume demnach auch von trockenen Jahren seit 2018 geschwächt.

„Insgesamt befinden sich die Schäden weiterhin auf einem sehr hohen Niveau“, heißt es in der neuen Erhebung für 2023. Im Vergleich zu 2022 hätten sich „keine deutlichen Verbesseru­ngen des Waldzustan­ds eingestell­t, aber auch keine deutlichen Verschlech­terungen“. Die jährliche Untersuchu­ng wird seit 1984 von den Ländern über ein Netz von Stichprobe­n vorgenomme­n. Dabei wird jeweils von Mitte Juli bis Mitte August die Blattmasse der Kronen taxiert und vier „Schadstufe­n“zugeordnet. Diesmal waren es 9.688 Bäume an 402 Punkten. Das bundeseige­ne Thüneninst­itut rechnet die Daten dann zu einem deutschlan­dweiten Ergebnis hoch.

Wie dicht Laub oder Nadeln sind, gilt als ein Indikator für den Gesundheit­szustand. Und die neuen Befunde zeigten nur geringe Änderungen. „Deutliche“Schäden hatten demnach im vergangene­n Jahr über alle Arten hinweg 36 Prozent der Bäume – nach 35 Prozent im Jahr 2022. Bei ihnen war verglichen mit gesunden Bäumen schon mehr als ein Viertel der Krone kahl. Zur „Warnstufe“mit einer schwachen Kronenverl­ichtung von 11 bis 25 Prozent gehörten weiterhin 44 Prozent der Bäume. Volle Kronen hatten noch 20 Prozent, nach zuvor 21 Prozent.

„Vor allem unsere älteren Bäume über 60 Jahre sind von Schadersch­einungen betroffen, doch auch bei den jüngeren Bäumen zeigt sich ein negativer Trend“, heißt es in der Erhebung. Besonders im Blick stehen vier Hauptarten, die zusammen drei Viertel aller Bäume ausmachen. Nur bei Kiefern wurden leichte Verbesseru­ngen festgestel­lt. Der Anteil mit deutlichen Schäden sank von 28 Prozent auf 24 Prozent. Bei Fichten stieg er um drei Prozentpun­kte auf 43 Prozent, bei Buchen um einen Punkt auf 46 Prozent und bei Eichen um vier Prozentpun­kte auf 44 Prozent.

Den Wald besser für den Klimawande­l zu wappnen, sei ein Generation­enprojekt, machte Özdemir klar – und Waldbesitz­er sollten bei dieser „Mammutaufg­abe“nicht allein gelassen werden. In diesem Jahr seien daher 250 Millionen Euro an Förderung vorgesehen. Generell geht es vor allem darum, Monokultur­en in gemischte Wälder zu verwandeln und so Risiken zu verringern. Sie seien stabiler und weniger anfällig, erläuterte Expertin Nicole Wellbrock vom Thünen-institut. Unter anderem könne das Nährstoffa­ngebot im Boden durch verschiede­ne Wurzeltief­en besser genutzt werden. Bei Monokultur­en könnten sich etwa Borkenkäfe­r schnell hindurchfr­essen. Özdemir bereitet eine Reform des fast 50 Jahre alten Bundeswald­gesetzes vor, die mehr Klimaschut­z mit wirtschaft­lichen Perspektiv­en für Waldbesitz­er vereinen soll. Fdp-fraktionsv­ize Carina Konrad sagte, der Wald sei ein Patient, der dringend Hilfe benötige. „Ihn sich selbst zu überlassen, wäre eine unterlasse­ne Hilfeleist­ung.“Dafür gelte es, Waldbauern mehr Freiraum zu geben. Ein resiliente­r Wald müsse auch nichtheimi­sche Baumarten integriere­n, denn nicht alle einheimisc­hen Arten könnten zunehmende­n Extremwett­erlagen standhalte­n. (dpa)

 ?? Foto: Silas Stein/dpa ?? „Schäden auf sehr hohem Niveau“: Die Bäume in Deutschlan­d leiden unter den Folgen der Klimakrise.
Foto: Silas Stein/dpa „Schäden auf sehr hohem Niveau“: Die Bäume in Deutschlan­d leiden unter den Folgen der Klimakrise.

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