Sächsische Zeitung (Bautzen- Bischofswerda)

Kadershow als Statement

Das Nominierun­gs-schauspiel geht weiter. Der ehemalige Dynamo-spieler Robert Andrich wird beispielsw­eise von Toni Kroos im Podcast ins deutsche Team für die EM berufen. Jetzt fehlt nur noch die finale Botschaft des Bundestrai­ners.

- Von Arne Richter und Klaus Bergmann

Jetzt gehört die Bühne nur noch Julian Nagelsmann. Nach dem kuriosen und unterhalts­amen Nominierun­gs-feuerwerk mit Kaderpaten von Dachdecker­in Chiara bis Showmaster Günther Jauch richten sich alle Blicke auf den Bundestrai­ner. Und nichts liebt Nagelsmann mehr als das. 29 Tage vor dem Eröffnungs­spiel der Nationalma­nnschaft bei der Heim-em gegen Schottland wird er in der Vw-location im Zentrum von Berlin am Donnerstag um 13 Uhr referieren können, wie und mit wem er als jüngster Bundestrai­ner in der Dfb-geschichte zum Macher eines neuen Fußballsom­mermärchen­s werden will. Die allermeist­en Personalie­n sind geklärt. Jetzt ist Zeit und Raum für sein Em-statement.

Natürlich wollen die Fans weiterhin wissen, was das Problem mit Mats Hummels und Leon Goretzka ist. Warum ihre Namen bei der Häppchen-show nicht fielen. Natürlich bleibt der Plan mit jungen Backups wie Aleksandar Pavlovic oder Chris Führich gewagt. Aber die Kernbotsch­aft des Bundestrai­ners bleibt nach dem Zündfunken im März mit den Testsiegen gegen Turnierfav­orit Frankreich (2:0) und dem ewigen Erzrivalen Niederland­e (2:1) unveränder­t. „Wenn du an einem Turnier teilnimmst, an einem Spiel teilnimmst, sollte die Grundidee sein, Selbiges zu gewinnen“, sagte der 36-Jährige kürzlich.

Soll heißen: Da geht was in vier Wochen für Fußball-deutschlan­d. Sportlich und emotional. „Das Ergebnis ist am Ende schon auch immer entscheide­nd. Aber erst einmal geht es darum, dass wir so spielen, dass jeder Deutsche sich damit identifizi­eren kann und sagt, es macht mir Spaß, dieser Mannschaft zuzusehen“, lautete Nagelsmann­s Botschaft.

„Es geht darum, viele emotionale Momente zu kreieren für dieses Land, für die Fans, für die Kids, für die Leute, die im Stadion sind, die vor den Fernsehger­äten sind, die in den Straßen unterwegs sind“, führte Nagelsmann weiter aus.

Spaß hatten die DFB-FANS – wenn man von den Hummels- und Goretzka-anhängern absieht – schon in den vergangene­n Tagen. Als Tagesschau­sprecher Jens Riewa am Sonntag Nico Schlotterb­eck als ersten Em-akteur bestätigte, dachten alle noch an einen der üblichen Leaks vor einer Turniernom­inierung. Bald war klar: Es steckt System dahinter. Munter, fröhlich, lustig wurden nach und nach immer mehr Nagelsmann-spieler online für die EM benannt. Am Mittwoch ging der Reigen der Em-zusagen weiter. Der frühere Dynamo-dresdenpro­fi

Robert Andrich wurde von Nebenmann Toni Kroos höchstselb­st im Podcast berufen. Joshua Kimmich von Gzsz-schauspiel­er Wolfgang Bahro alias Jo Gerner. Antonio Rüdiger per Clip aus seiner liebsten Döner-bude in Kreuzberg. Und dann noch Kapitän Ilkay Gündogan auf einem Werbeplaka­t am Alexanderp­latz, im Herzen der Hauptstadt – dem Em-finalort am 14. Juli.

Gündogan hatte den Personalku­rs des Bundestrai­ners schon im März gelobt, obwohl viele seine Rolle als Kapitän durch das Comeback von Kroos geschwächt sahen. Er sei froh, „dass wir einen Bundestrai­ner haben, der eine klare Richtung vorgibt und auch mal unangenehm sein kann“, sagte er der Süddeutsch­en Zeitung.

Der Wischiwasc­hi-kurs der Spätphase von Joachim Löw ist Geschichte. Wer heute überrascht ist, dass Hummels und Goretzka oder auch Robin Gosens von Union Berlin und Kevin Trapp von Eintracht Frankfurt im Aufgebot fehlen, der hätte im März genau zuhören müssen. „Es sind selten Mannschaft­en mit 20 Topstars, die erfolgreic­h sind“, sagte Nagelsmann damals zu seinem Erneuerung­skurs mit den frischen und mutigen Stuttgarte­rn um Linksverte­idiger Maximilian Mittelstäd­t.

„Junge Herausford­erer“habe er gesucht. „Die Stimmungst­räger sind, die diese Rolle akzeptiere­n.“Kein Reviergeha­be von gealterten Platzhirsc­hen. Da hätte Hummels offenbar noch so viele Tore für den BVB auf dem Weg ins Champions-league-finale schießen können. „Generell ist die Idee, dass wir einen Großteil des Stamms jetzt dabeihaben. Sonst wäre die Entscheidu­ng hirnrissig“, erklärte der Bundestrai­ner seine Kaderpolit­ik.

Selbst wegen früher Verletzung nie zum Profi in höheren Ligen aufgestieg­en, setzt Nagelsmann auf Spirit mehr als auf Erfahrung. „Gegen Kylian Mbappé tun sich viele schwer, auch mit 200 Championsl­eague-spielen“, sagte er. Es sind kleinere Stellschra­uben, die Nagelsmann noch selbst verkündet.

Darf Stuttgarts Alexander Nübel als eventuell vierter Torwart hinter Manuel Neuer, Marc-andré ter Stegen und möglicherw­eise Oliver Baumann mit ins Trainingsl­ager? Wer profitiert letztlich von der Aufstockun­g auf bis zu 26 Em-spieler? Auf jeden Fall Turnier-lehrlinge – wie Nagelsmann, der auch zum ersten Mal bei einem Großereign­is eine Fußball-nation anführt. Ein Risiko? Nein, meint Nagelsmann selbst. „Ich mag nicht dieses ,Was passiert, wenn?‘ Das bringt uns nichts.“(dpa)

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Foto:cheung/dpa Leverkusen­s Robert Andrich gehört zum deutschen Em-team.

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